Horse With No Name

Japan Vintage: L-5 Variation by Matsumoku

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(Bild: Lothar Trampert)

Keine Frage: In die Jahre gekommene Gibson-Archtop-Klassiker wie die L-5 und die Super 400 sind schon echte Ikonen für Jazz-Gitarristen, die sich im Nebenberuf ihrem Lottogewinn oder der Zahngesundheit widmen. Für Kassenpatienten und verarmte Selbstzahler hat sich der japanische Vintage-Markt immer wieder als kompatibler erwiesen und einige schöne Repliken der genannten Edel-Archtops geliefert.

OK, weder der Autor noch die Leser dieses Artikels hören zum ersten Mal von großartig gefertigten Archtop- und Semiacoustic-Kopien aus Japan, und so sind derartige Class-A-Produkte der Labels Yamaha, Ibanez, Greco, Aria, Tokai, Burny und Epiphone in den vergangenen Jahren extrem im Preis gestiegen. Mit etwas Glück findet man aber immer auch mal Instrumente, die ohne Logo auf der Kopfplatte in den 1970er- und -80er-Jahren in den Handel kamen, meist über Vertriebe in Großbritannien oder Ladenketten wie z.B. Reisser-Musik in Deutschland.

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Ein Archtop-Player mit ganz eigenem Sound: Der amerikanische Jazz-Gitarrist Eric Gale wurde in den 1970ern mit der Band Stuff berühmt. Außerdem ist er als Session-Player auf hunderten Alben zu hören.
Ein Archtop-Player mit ganz eigenem Sound: Der amerikanische Jazz-Gitarrist Eric Gale wurde in den 1970ern mit der Band Stuff berühmt. Außerdem ist er als Session-Player auf hunderten Alben zu hören.
Ein Archtop-Player mit ganz eigenem Sound: Der amerikanische Jazz-Gitarrist Eric Gale wurde in den 1970ern mit der Band Stuff berühmt. Außerdem ist er als Session-Player auf hunderten Alben zu hören.

Hergestellt wurden die Instrumente der o.g. Marken zu großem Teil in den Fabriken von Fujigen Gakki, Matsumoku, Hoshino Gakki, Guyatone und Kawai. Und wenn dann der ein oder andere Großauftrag für Ibanez- oder Aria-Kopien absolviert war, lief das Band auch schon mal weiter, und so gab es einige Modelle auf dem Markt, die z.B. baugleich waren mit „Markenprodukten“ von Greco, Ibanez oder Aria. Aber auch weniger bekannte und bisher unentdeckte Labels wie Westone, Howard oder Electra hatten in den 1970ern oft brauchbare Instrumente im Angebot. Und wer nach frühen Korea-Modellen von Epiphone, Marathon oder Samick sucht, hat beste Chancen für noch kleineres Geld eine sehr gute Archtop zu finden.

(Bild: Lothar Trampert)

L-5

Ein japanisches Beispiel ist die hier zu sehende namenlose Kopie einer Gibson L-5 mit Details einer Super 400, was z.B. die Griffbretteinlagen angeht. Sie wurde gegen Ende der 1970er-Jahre, vermutlich 1977 hergestellt und ist fast baugleich mit der gesuchten Aria L1000 oder deren Nachfolgerin PE-180. „Die Arias sind aber bestimmt besser“, höre ich den Musikerpolizei-Azubi spekulieren.

Nein, sind sie nicht. Im direkten Vergleich hört man zwar immer mal klangliche Unterschiede, denn die verbauten Hölzer waren nun mal Einzelereignisse – demnach gilt das auch für Modelle innerhalb einer Baureihe. Je nach Baujahr änderte der Hersteller aber auch immer mal etwas an der verbauten Elektrik, z.B. die Potis, die Widerstände der Tonregler, Schalter oder auch die Tonabnehmer. Aber was ich bisher von Gitarren dieses Typs hören konnte, war immer Saiten-Sound auf hohem Niveau.

Das hier vorgestellte Modell stammt von Matsumoku und ist aus laminierten Hölzern gefertigt – was diese Kopie vom Original unterscheidet. Bekanntlich sind nur ganz wenige japanische Edelmodelle mit geschnitzten Decken bestückt, so wie z.B. die Ibanez 2470 NT von 1976/77. Auf der Kopfplatte dieser hervorragenden Gitarre – sie hat noch den Pre-Lawsuit-Gibson-Headstock im Open-Book-Style – steht kein Name über dem Split-Diamond-Inlay. Es findet sich auch sonst keine Seriennummer an der Gitarre und auch kein Etikett im Inneren.

(Bild: Lothar Trampert)

Die Matsumoku L-5/Super 400 hat einen 17“-Body mit ca. 9 cm Zargenhöhe. Der dreiteilige Hals und der Korpus bestehen aus Ahorn, die Decke aus Fichte und das Griffbrett mit den Blockeinlagen aus Ebenholz.

(Bild: Lothar Trampert)

STRINGS & SOUND

Diese wunderschöne, große Gitarre klingt so, wie eine vollakustische Jazz-Gitarre klingen soll – und sie kann mehr als nur den klassischen, warmen Handschuhton: Mit .012er Flatwound-Saiten kommt sie natürlich authentisch rüber und swingt wie von alleine – mit Roundwounds kann sie aber auch richtig bluesig und oldschool funky rüberkommen. Und da die verbauten Humbucker mehr oder weniger PAF-verwandte Zweispuler mit vielleicht etwas mehr Output sind, Steg und Sattel sich ebenfalls nicht großartig von jeder anderen E-Gitarre unterscheiden, dachte ich mir mal: Wie wird wohl das Spielgefühl so einer dicken L-5- Verwandten mit einem ganz normalen Satz .010er-Roundwound-Saiten sein?

(Bild: Lothar Trampert)

Zumal ich gelesen hatte, dass der geniale Studiomusiker und Stuff-Gitarrist Eric Gale auf seiner Super 400 immer relativ dünne Drähte hatte, bei hoher Saitenlage. Sein charakteristischer Gitarrenton, oft stark komprimiert und/oder mit Phaser, hat mich schon immer fasziniert. Also wurde genau das ausprobiert, und ich kann nur sagen: Es ist ein Erlebnis! Natürlich klingt so eine Archtop dann immer noch anders als eine ES-335 oder eine SG oder Les Paul – aber sie wird irgendwie lebendiger, souliger, offener. Vielleicht liegt das aber auch daran, weil man einfach lebendiger und beherzter in die Saiten haut, wenn sie sich so anfühlen, wie auf der Strat. Fazit: L-5 und Co. sind wirklich nicht nur als Jazz-Gitarren zu gebrauchen, sondern auch für Genres, mit denen man vielleicht sogar Geld verdienen kann. Ausprobieren!

(Bild: Lothar Trampert)

SUCHE

Und damit noch mal zurück zum nichtmu$ikalischen Teil: Japanische Kopien der L-5, Johnny Smith, Super 400 und selbst der noch häufiger zu findenden ES-175 sind immer schwerer zu bekommen. Highlights wie die Ibanez-Modelle 2460, 2461, 2470 und 2471 sieht man kaum noch. Aber vielleicht entdeckt man ja auch mal so eine namenlose Schönheit wie diese hier vorgestellte Archtop.

Da ist es oft sinnvoller in den bekannten Kleinanzeigen und Portalen wie Reverb nicht nach „Aria“ oder „Ibanez“ sondern auch mal ganz allgemein nach „Archtop“, „Jazz-Gitarre“, „L5“, „L-5“ oder „L 5“ zu suchen, oder einfach nach „Japan“. Insbesondere bei letzterem Suchbegriff sollte man sich aber im Segment „Musikinstrumente“ bewegen, weil einem sonst in den folgenden Wochen überwiegend alte Vasen, Teeschalen und junge Frauen aus Fernost angeboten werden.

Mal ehrlich: Die digitale Parallelwelt hat sich für mein Gefühl schon zigtausendfach multipliziert, die gigantischen Server heizen den Planeten auf, aber die Algorithmen versagen zunehmend und spammen einen aufgrund hirnfreier Verknüpfungen mit überflüssigen Empfehlungen zu. Und lässt dich weiter jagen …

Am Schönsten ist es, wenn der Rechner aus und das Handy offline ist, und man Musik hört. Oder nur mit der Gitarre da sitzt und mit sich selbst jammt. Da fängt die Freiheit an, denn da beginnt der wahre Genuss nach dem G.A.S.-Anfall.


(erschienen in Gitarre & Bass 02/2024)

Produkt: Gitarre & Bass 6/2023
Gitarre & Bass 6/2023
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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Achtung! Die Archtop-Polizei schlägt zu! 😉
    Das ist eine interessante Gitarre die sicher gut klingt, sie als Super400-Kopie zu bezeichnen ist meiner bescheidenen Meinung nach nicht ganz korrekt, da sie zwar manche Designmerkmale aufweist, aber eben nur einen 17″ Body besitzt. Die Super400 ist 18″ breit und macht mit 012er Saiten schon gehörig Dampf. Der Unterschied Sperrholzdecke/massive Fichtendecke macht zwar auch was aus, ist aber, da beide Decken mehrfach durchbrochen sind (Pickups, Potis) und sie die relativ schweren PUs tragen müssen, nicht sooo gravierend, vor allem am Verstärker.
    Aber, wie erwähnt: Archtop-Polizei… Ich hätt die Gitarre trotzdem gerne!

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  2. Die Heritage (Golden/Natural/Millennium) sollte man bei L-5 Kopien niemals vergessen!
    Wobei – eine Kopie ist sie nicht wirklich.

    Die alten Luthiers in Kalamzoo, Michigan, hatten die ehemalige Gibson-Manufaktur nach deren Abwanderung nach Tennessee in Eigenregie übernommen und nach den Original-Blaupausen der “Special Grand Concert Guitar Style 0, Artist’s Model” von 1903 und den Plänen für die L-5 von Loyd Loar aus 1919 die “Eagle” sogar mit den noch gelagerten Hölzern neu aufgelegt. Bloß den Namen L-5 durften sie aus rechtlichen Gründen nicht verwenden.
    Golden und Millennium-Eagle sind die Konzertversionen mit Pearl-Inlays und dekorativem Schnick-Schnack, die Natural Eagle hingegen das clean-cut Studio-Modell mit besten akustischen Eigenschaften ohne optische Teaser.

    Wer das Glück hat, heute noch eine Natural Eagle mit Floating Neckpickup zu entdecken, sollte sofort zugreifen!
    Jazz-Gitarristen schwören, dass diese Gitarre besser als das Original von Gibson ist.

    Die Preise waren ursprünglich reell kalkuliert – soll heißen keine Schnäppchen, aber auch keine Phantasiepreise wie bei Gibson.
    Leider produziert auch Heritage mittlerweile nur noch Meterware, weshalb die Eagles mittlerweile auch schon Sammlerpreise erzielen.
    Meine (Modell von 1997) hab ich 2008 noch für € 1.600,- ergattert.

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  3. Danke Lothar! Der Archtop-Artikel macht Spass…… und dünne Saiten auf großen Gitarren auch!
    Beste Grüße
    Thomas Brendgens-Mönkemeyer

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