(Bild: Andreas Schulz)
Ab und an möchte man aus dem gewohnten Gitarren-Fuhrpark ausbrechen und mal eine besondere Klampfe spielen. Die Haptik allerdings sollte schon vertraut sein, damit es keine spieltechnischen Hürden gibt.
Zum Glück gibt der Markt heute fast alles her. Die Gitarre, die mir vorschwebte, hatte ich allerdings noch nicht gesehen. Ich wollte mittels gentechnischer OP klangliche DNA aus dem Hause Gretsch in eine Stratocaster einpflanzen. Nichts wirklich Wildes, am Ende steht weder eine Alien- noch eine Frankenstein-Strat, sondern ein individuelles HSH-Modell.
Vorüberlegungen
HSH-Strat – das bedeutet Hals-Humbucker, Singlecoil in der Mitte und Steg-Humbucker. Normale Humbucker mag ich nicht besonders – wenn es nicht gerade extrem geschmeidige alte PAF-Typen sind. Zum Glück gibt es noch andere schöne Doppelspuler-Konzepte. Positive Erfahrungen habe ich mit einem Filtertron-Style-Pickup von TV Jones als Telecaster-Hals-Tonabnehmer gemacht. Gängig sind auch Teles nach dem Cabronita-Schema, also mit zwei Filtertrons. Fertig war die Idee: Es sollte also eine HSH-Strat werden mit Filtertrons in den Hals- und Steg-Positionen plus Strat-Middle-Pickup, realisiert mit den aktuellen Gretsch HS-Filtertrons.
(Bild: Andreas Schulz)
Teile
Damit das eine homogen klingende und brummfreie Dreier-Pickup-Konstellation ergibt, habe ich als Middle-Pickup einen relativ Output-starken DiMarzio DP422 Injector-Tonabnehmer ausgesucht. Von den lauteren Hum-Cancelling-Strat-Pickups ist dies der höhenreichste, sprich der, der am besten mit den Filtertrons harmonieren sollte. Ein fertiges Strat-Pickguard mit Filtertron-Fräsungen für Hals und Steg plus Strat-Middle-Ausschnitt konnte ich nicht finden, daher habe ich eines anfertigen lassen (über www.extramehr.de, nicht von der seltsamen Website abschrecken lassen!), Kostenpunkt inkl. Versand war 37 Euro für ein gutes und sauber gefrästes dreilagiges schwarzes Pickguard.
Kombiniert man Humbucker und Singlecoils, muss man sich Gedanken um die Impedanzwerte der Potis machen. Die Filtertrons verlangen nach 500k, der DiMarzio wäre auch mit 250k gut bedient. Da eine Schaltung geplant ist, bei der der Middle-PU nie allein zu hören ist (gleich mehr dazu) kann man ihm auch die 500k zumuten; er klingt dann, meiner Erfahrung nach, etwas funkelnder im Höhenbereich, ohne gleich ätzend oder scharf zu werden – schließlich ist dieser brummfreie DiMarzio-Tonabnehmer ein gestackter Doppelspuler. Abraten kann ich aus eigener Erfahrung von der Verwendung zweier 375k-Potis: klingt in meinen Ohren nicht! Verbaut wurden zwei Emerson Custom CTS-500k-Potis – die laufen für meinen Geschmack sehr angenehm und haben keine größere Streuung beim Impedanzwert. Wieso nur zwei Potis? Gewünscht ist bei dieser Strat eine Regelung mit Master-Lautstärke und Master-Tonblende, der dritte Regler wurde stillgelegt, aber aus optischen Gründen belassen und auch mit einem Potiknopf bestückt.
(Bild: Andreas Schulz)
Als Fünf-Wege-Schalter ist ein Eyb Mega-Switch im Einsatz. Das Ganze ist so verschaltet, dass die Mittelposition vom gewohnten Strat-Schema abweicht: Hier sind nun die beiden Gretsch-Filtertrons aktiv. Die fünf Positionen sind also: 1. Filtertron-Neck, 2. Filtertron-Neck + Strat-Middle, 3. Filtertron-Neck plus Filtertron-Bridge, 4. Strat-Middle plus Filtertron-Bridge, 5. Filtertron-Bridge. Kurz kam die Überlegung auf, das freie dritte Poti zu einem Blend-Regler zu machen – das hätte ebenfalls die Kombi Hals-plus-Steg ermöglicht und zusätzlich noch alle drei Pickups zusammen erklingen lassen. Doch ich bin eher jemand, der den Schalter zur Pickup-Anwahl benutzt und nicht mit Potis mischen will. Diese fünf Positionen bieten mir die typischen drei Gretsch-Sounds und als Strat-gerechten Bonus zwei schön hohl und knochig tönende Zwischenpositionen – und das alles weitgehend brummfrei.
Ausführung
Als Basis für dieses Projekt dient eine rote Fender Made-in-Mexico-Strat aus der Road-Worn-Player-Serie. Diese Klampfen wurden nur ca. 2010/2011 gebaut und unterscheiden sich von den heute noch im Handel erhältlichen Road-Worns durch das moderne Halsprofil: Statt Vintage-Maß (7,25“) bekommt man hier eine Griffbrettwölbung von 9,5 Zoll sowie Medium- Jumbo-Fretwire statt Vintage-Spaghetti- Bünde. Passt für mich einfach besser. Die Gitarre kommt im Road-Worn-typischen Used-Look, lässt sich prima spielen und ist angenehm schwingfreudig. Kurz: Eine solide Basis für das Filtertron-Projekt.
(Bild: Andreas Schulz)
Viele Strat-Bodies haben bereits eine Humbucker-Fräsung am Steg, nicht jedoch am Hals. Auch bei der roten RW-Player musste hier Material weggenommen werden, damit der Filtertron passt. Das hat der Gitarrenbauer Lars Riemer aus Frankfurt professionell gemacht, da ich das Instrument nicht unfachmännisch verbasteln wollte. Die Gretsch-Pickups werden übrigens nicht wie der Strat-Middle-PU am Schlagbrett befestigt, sondern mit zwei langen Schrauben direkt im Holz des Korpus´. Wer sich von diesem Projekt inspirieren lässt und ebenfalls einen Gretsch/Strat-Hybriden zusammenbauen möchte, sollte daran denken, damit bei der Pickguard-Fertigung für Hals und Steg keine Schraublöcher vorgebohrt werden.
Auch kann es – je nach verwendetem Body – passieren, dass die Pickup-Fräsungen nicht tief genug sind für die Filtertrons, denn die haben eine beachtliche Bauhöhe. Man unterbaut sie normalerweise mit Moosgummi oder etwas Ähnlichem, das leichten Druck ausübt, damit man später noch den passenden Abstand zu den Saiten justieren kann. Nun folgt die Verkabelung – bei der modifizierten Schaltung mit dem Hals-plus-Steg-Mittelpositions-Sound hilft die Beschreibung, die dem speziellen 5-Wege-Schalter beiliegt.
(Bild: Andreas Schulz)
Optik & Sounds
Die fertige Gitarre gefällt mir super. Ein Glück, denn das ist bei solchen Projekten nicht selbstverständlich. Die Optik kommt Chrom-blitzend – irgendwie muss ich da an alte amerikanische Straßenkreuzer mit vielen Chromteilen denken. Die Filtertrons haben für meinen Geschmack ein „Industrial Design“ – Metall mit vielen sichtbaren Schrauben. Ist auf jeden Fall markant, auch wenn es sicher nicht jedem gefallen wird. Der schwarze DiMarzio in der Mitte fällt visuell kaum auf, die beiden Tron-PUs bestimmen den optischen Eindruck der Gitarre.
Das kann man auch vom Sound sagen. Alles was ich mir vorher überlegt hatte, ist verwirklicht, die Strat klingt nun angenehm fett und doch perlend. Dieser spezielle Klang – „That Great Gretsch Sound“, leicht ausgehöhlt, knochentrocken, nach oben offen und mit einer Prise Jangle-Faktor – ist mit PAF-Style-Humbuckern nicht hinzubekommen. Die beiden Mischungen mit dem Middle-Pickup in den Schalterstellungen 2 und 4 bringen stratiges Zwischenpositions-Flair, natürlich nicht 100 % identisch mit zwei Standard-Singlecoils, aber doch markant und angenehm näselnd.
Die gretschifizierte Strat ist enorm vielseitig. Man kann rockige Begleitarbeit bis in mittlere Gain-Gefilde durchsetzungsstark abdecken (think: Malcolm Young), sich locker in Country-, Americana- und Rockabilly-Besetzungen authentisch zu Wort melden (think: Chet Atkins und Brian Setzer) und mit leicht zurückgenommenem Tonregler einen tollen und gänzlich unmumpfigen Jazz-Clean-Sound zelebrieren (think Jakob Bro).
Filtertron-Style-Pickups gibt es übrigens von vielen Anbietern in allen Preisklassen. Am bekanntesten sind die Alternativen von TV Jones, aber praktisch alle Boutique- und Budget-Pickup-Hersteller haben Entsprechendes im Programm. Inzwischen gibt es einige Tron-Pickups auch im Standard-Humbucker-Maß, damit könnte man dann auch HSH-Pickguards von der Stange benutzen. TV Jones bietet angepasste Pickup-Rahmen an, die es ebenfalls erleichtern, traditionelle Humbucker durch Filtertrons zu ersetzen.
(Bild: Andreas Schulz)
Tron History
Lange waren Filtertron-Pickups nur in semiakustischen Gretsch-Gitarren zu hören. Seit Fender 2003 Gretsch übernahm, sah man die Tron-PUs immer öfter auch in Solid-Body-Electrics. Chet Atkins Freund Ray Butts entwickelte das Design einst, um das lästige 60-Hz-Brummen loszuwerden. Gibson-Humbucker und Trons haben allerdings entscheidende und klanglich relevante Unterschiede. In späteren Jahren änderte sich Gretschs Pickup-Design öfter, nicht immer zum klanglichen Vorteil, vor allem in den Baldwin-Jahren 1967 bis 1985. Es entstand eine ganze „Tron-Familie“ mit Blacktop-Filtertron, Megatron, Supertron, Powertron u.v.a.
Ein Filtertron ist schmaler als ein PAF, auch die Polstücke liegen enger zusammen, weitere Unterschiede bei Magneten und Spulen addieren sich zum ganz eigenen Gretsch-Sound, den viele als Kombination aus der Wärme eines PAF-Tons und der Brillanz und Klarheit eines Singlecoils beschreiben. Filtertrons haben einen (für Humbucker) mittleren Output, bei niedrigem Gleichstromwiderstand in Kombination mit einem großen Magneten. Filtertron-Kenner TV Jones empfiehlt übrigens, die Pole-Pieces seiner PUs linear zu belassen und den Tonabnehmer im Ganzen recht nah an die Saiten zu bringen, genaue Infos findet man auf der TV-Jones-Website.
(erschienen in Gitarre & Bass 10/2019)
Warum nur soviel Aufwand ? Mit ein paar ausgesuchten Kondensatoren parallel zu den vorhandenen Tonabnehmerspulen kriegt man jedwede Klangfärbung hin, und das kostet nur wenige Cent. So habe ich z.B. meine Burns Hank Marvin Signature auf den John-Lennon-Sound der frühen Beatles getrimmt.
Schönes Projekt, die Strat sieht meiner Meinung nach auch ganz gut aus. Ein Fender-Gretsch-Mischling funktioniert also nicht nur mit einer Tele (Cabronita), sondern auch mit einer Strat.
Das einzige Problem ist für mich, genau wie bei Soapbars, die Befestigung der PUs mit Holzschrauben direkt im Holz (mit untergelegtem Moosgummi oder – wie manchmal empfohlen wird – passend geschnittenen Spülschwämmen). Die Höheneinstellung finde ich ziemlich fummelig und den (vollkommen überteuerten) Schrauben vertraue ich nicht.
Bei einer Single Coil Strat ohne Pickguard („rear routed”) habe ich das Problem mit Einschlagmuttern gelöst und das klappt sehr gut. Die Schrauben (bzw. eigentlich die Löcher) in Soapbars und Filtertrons (Powertrons, Supertrons etc.) mit „NE-Mount” sind dafür aber zu dünn, für solch dünne Schrauben gibt es keine Einschlagmuttern.
Ich wundere mich immer, dass andere Leute dieses Problem nicht haben und auch, dass es in dem Artikel nicht erwähnt wird. Vielleicht mache ich auch was falsch.
Weitere Idee zum einfachen Verwirklichen einer solchen Idee: Der Staufer Kretschmann Humbucker hat nicht nur Standard-Humbuckermaße, sondern auch die Standard-Humbucker Pickupbefestigung. Damit paßt dieser Pickup in jede Standardausfräsung und ist wie bei normalen Humbuckern in der Höhe verstellbar. Paßt also ohne Beinverrenkungen in viele herkömmliche Gitarren und handelsübliche Schlagbretter. Klanglich bringt der genau den Filtertron Sound der frühen Jahre zur Geltung. Eine ähnliche, klanglich etwas abgewandelte Variante von diesem Pickup bietet auch Häussel an.
Schöne Strat, bei den Filtertrons mußte ich an Warren Haynes
denken , ihn hab ich mal mit einer seiner nonreversed Firebirds
mit solchen Pick Ups gesehen
Moin, Potis haben keine Impedanz, sondern einen Widerstand. Impedanzen gibt es bei Spulen und Kondensatoren (Scheinwiderstand) im Zusammenhang mit Wechselspannung. Praktisch bedeutet das in etwa, dass Spulen und Kondensatoren ihren (Schein-)Widerstand (Ihre Impedanz) in Abhängikeit der Frequenz verändern. Bei einem Poti passiert das nicht. Wollte bloß mal höflichst darauf hingewiesen haben 😉