Genialer Brückenschlag zwischen Hollowbody und Solidbody

Vintage Guitar Stories: 1963 Gibson ES-335

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Das 1958 eingeführte semiakustische „Electric Spanish“ Thinline Model mit Double Rounded Cutaways gehört ohne Zweifel zu den bahnbrechenden Designs der Gibson Company unter der Präsidentschaft von Ted McCarty. Die gestalterische Klasse dieses erhabenen Brückenschlags zwischen der alten Hollowbody-Gitarre und der modernen Solidbody erhob den genialen Entwurf in den Rang eines etablierten Archetypen der Gattung E-Gitarre.

Auf Initiative, aber realisiert auch mit konzeptionellen Ideen des Theodore ‚Ted‘ McCarty, Geschäftsmann und Erfinder zugleich, wurde Anfang der 50er-Jahre bereits die Les Paul als erste Solidbody-Gitarre in der Geschichte des Traditionsherstellers Gibson entwickelt und an den Markt gebracht. Er war es, der das Image des renommierten US-Gitarrenbauers vom Staub der Vergangenheit befreite, ja, der seiner Zeit mit visionären Konzepten sogar weit voraus war. Und doch achtete er sehr darauf, die in der Firma über Dekaden gewachsene gitarrenbauerische Kompetenz und Erfahrung nicht zu vernachlässigen.

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So konterte er Leo Fenders schlichte Brettgitarren mit gewölbten Decken oder sechs Jahre später mit einer semi-akustischen Gitarre, die im Prinzip auf eine Idee von Lester Polfus, Künstlername Les Paul, zurückgreift. Der hatte sich mit seinem weitsichtigen „The Log“-Experiment – es handelte sich um eine in der Mitte durchsägte Epiphone Archtop, die er über einen massiven Holzklotz wieder zusammenfügte – schon auf dem richtigen Weg befunden, wurde aber von Maurice Berlin, Präsident der Chicago Musical Instrument Company (CMI) und seit 1944 Besitzer der Traditionsfirma Gibson, Ende der 40er-Jahre damit noch vehement abgewiesen.

Unter der Ägide seines Nachfolgers Ted McCarty drehte sich der Wind aber dann doch noch in Richtung Moderne und das, wie sich zumindest aus geschäftlicher Sicht bald erweisen sollte, immer noch zu schnell. Das Publikum war noch nicht einmal bereit, für die Solidbody Les Paul und erst recht nicht für modernistische Gitarren wie die gegen Ende der 50er-Jahre mutig entwickelte Flying V oder die Explorer, Modelle die ihren Markt verfehlten und als Flops eingestuft ein demgemäß schnelles Ende fanden.

(Bild: Franz Holtmann)

1957 begann der unverdrossene McCarty mit seinem R & D Department an einem weiteren neuen Projekt zu arbeiten, das die Lücke zwischen Hollowbody- und Solidbody-Gitarren schließen sollte. Der Leitgedanke: Ein den Hals verlängernder solider Block aus Ahorn, mit Fichtenstreifen für die Anpassung an die Korpuswölbungen eines Thinline-Bodys unterfüttert, auf den Pickups und Bridge montiert werden konnten, verbessert einerseits das Sustain des Instruments und gewährleistet andererseits die elektrische Verstärkung, ohne das bei Gitarren mit hohlem Korpus gefürchtete Feedback.

Die Hohlkammern links und rechts des Blocks sorgen dagegen immer noch für ein gewisses, perkussiv markantes akustisches Resonanzverhalten. Revolutionär an dem Entwurf war für die Zeit auch das doppelt gerundete Cutaway, welches den Hals und besonders seine hohen Lagen bestens erreichbar freistellt.

(Bild: Franz Holtmann)

Bei aller Innovation achtete man aber auch auf Anschluss an bewährte klassische Designs, etwa durch Wölbungen von Decke und Boden und traditionelle f-Löcher. Gibson gelang es jedenfalls, mit schlagender optischer Eleganz und starker Funktionalität, die Lücke in seinem Programm mit einem in bestem Sinne semi-akustischen Instrument zu schließen.

(Bild: Franz Holtmann)

Natürlich wurden auch die erst kurz zuvor (1957) eingeführten brummfreien PAF Pickups in das neue Modell mit ansonsten konventioneller Schalt- und Regelmimik eingebaut. Parallel dazu entwickelte Schalt- und Filtertricks per Varitone 6-position Rotary Switch in Mono- und sogar Stereo-Ausführungen blieben allerdings den etwa zur gleichen Zeit eingeführten Modellen ES-355 (1958) und ES-345 (1959) vorbehalten – aber das ist ein anderes Thema.

Genialer Brückenschlag zwischen Hollowbody und Solidbody

Im Februar 1958 wurde in der „Gibson Gazette“ erstmals das neue semi-akustische Modell ES-335 T vorgestellt. Den Modellnamen änderte man 1959 dann noch in ES-335TD, um den Zwei- Pickup-Status zu dokumentieren (D = dual). Die Verkäufe waren nicht gerade sensationell, aber mit 267 Exemplaren der ES- 335TD (Sunburst) und 50 Ausführungen der ES-335TDN (Natural) im ersten Jahr doch ermutigend.

Die bedeutende Zeitphase von 1958 bis zum Wendejahr 1965 (in dem u. a. die Sattelbreite von 43 mm auf 40 mm reduziert wird) wird gemeinhin in drei Modellvarianten unterteilt, differenziert nach Ausstattungsdetails.

  • Die erste Variante (1958 – 1962) ist im Wesentlichen gekennzeichnet durch Dot Inlays im Griffbrett und ein langes Pickguard, das bis hinter die Bridge reicht. Ab Anfang 1960 ist nicht nur ein kürzeres Schlagbrett montiert, auch wird um die Zeit das „optional finish“ Natural durch Cherry Red ersetzt.
  • Variante zwei (1962 – 1964) erkennen wir vor allem an den kleinen Pearloid Block Inlays. Auch fallen die sogenannten „Mickey Mouse Ears“, also die beiden vorspringenden Cutaway-Hörner von nun an etwas weniger gerundet aus.
  • Variante drei (1965 ff.) tritt mit einem konventionellen Trapeze Tailpiece an, welches das vorausgehende Stop Tailpiece ersetzt. Ab 1965 sind auch Farben wie das metallische Sparkling Burgundy Red oder Black zu finden.

Das abgebildete Modell in der populären Farbe Cherry Red ist aus Jahrgang 1963, gehört also in die Phase 2 und war im Originalzustand mit einem Bigsby ausgestattet. Die vorgebohrten Löcher für das Stud Tailpiece waren mit einer „Custom Made“ Plakette verschlossen.

(Bild: Franz Holtmann)

Der gut breite Hals dieser Ausführung gehört, wie durchaus viele andere der frühen 60er-Jahre-Gibsons auch, zu den flachen Slim Taper Necks. Nicht jedermanns Sache, aber auf seine Art auch wieder großartig bespielbar und keinesfalls labil, eher sogar bemerkenswert fest. Zwei kraftvoll wandelnde Patent No. Humbucker Pickups mit ausgeglichenen Werten verleihen der 63er ES-335 starke elektrische Kompetenz. Besonders bemerkenswert frech, frisch und frei kommt in dieser Version der Steg-Pickup zur Geltung.

Statistik: von der beliebten Cherry Red-Ausführung der ES-335 wurden zwischen 1960 und 1965 immerhin 3788 Modelle gefertigt – 807 davon im Baujahr 1963. Zusammen mit 3335 Ausgaben in Sunburst und nur 209 in Natural wurden von 1958 bis 1965 in Summe 7332 Exemplare ausgeliefert. Viele davon übrigens mit einem Vibrato Tailpiece.

Die seltenen Ausführungen in Natural sind die teuersten am Markt. So man denn überhaupt eine findet, werden um die (oder auch gerne mehr als) $ 100.000 dafür verlangt. Ein Cherry Red-Modell in tadellosem Originalzustand von 1963 oder 1964, wie Clapton es bei Cream spielte, ist heute auch nur noch eher selten unter € 20.000 zu finden.

(erschienen in Gitarre & Bass 08/2019)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Wo ist der beste Markt um ES335 196+ zu verkaufen ?

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    1. GuitarPoint, Ebay Kleinanzeigen-Suche

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