(Bild: Franz Holtmann)
Als der Konzern Chicago Musical Instruments, zu dem auch der Traditionshersteller Gibson gehörte, die Epiphone Incorporation 1957 quasi für einen Appel und ein Ei übernehmen konnte, schlug Gibson-Chef McCarty gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe.
In den 30er-Jahren hatte sich Epiphone unter der Führung von Epaminondas „Epi“ Stathopoulo zu einem ernsthaften Konkurrenten für den amerikanischen Markführer Gibson entwickelt. Man lieferte sich förmlich eine Schlacht um die ersten Plätze im gehobenen Gitarrenbau, was sich nicht zuletzt in immer größeren Korpusdimensionen bei den zu der Zeit repräsentativen Archtops niederschlug. Epiphones Spitzenmodell Zephyr Emperor Regent etwa trat mit der immensen Korpusbreite von 18 ½ Zoll gegen Gibsons 18-Zöller Super 400 an und auch bei der Entwicklung der Elektrifizierung gegen Ende der 30er-Jahre belauerten und befeuerten sich die Konkurrenten gegenseitig.
Dem verbissenen Wettstreit nahm der frühe Tod von Stathopoulo 1943 durch Leukämie die Spitze. Die Firma wurde von Epis Brüdern Orphie und Frixo zwar zunächst erfolgreich weitergeführt und man baute auch weiterhin ansehnliche akustische und elektrische Gitarren, aber es fehlte an Weitsicht.
1951 brachte ein mehrmonatiger Streik die um ihre treibende Kraft gebrachte Company zudem in arge finanzielle Nöte. Epiphone strich daraufhin die Segel in New York und verlegte den Firmensitz nach Philadelphia. Aus der Schieflage indes konnte sich das Unternehmen nicht mehr wirklich befreien und mit dem Tod von Frixo Stathopoulo im Jahr 1957 endete dann auch die Unabhängigkeit der einst stolzen Epiphone Incorporation.
Ursprünglich hatte Gibson vor allem Epiphones Kontrabassproduktion im Auge, schnell aber sah man auch die Chance, bisher vernachlässigte Händler mit einer zweiten Linie an Qualitätsinstrumenten bedienen zu können. Für $ 20.000 ging nicht nur der ehrwürdige Name Epiphone an Gibson, auch das komplette Inventar, also alle Fertig- und Halbfertigwaren, Werkzeuge, Maschinen und Lagerbestände umfasste der Deal. McCarty siedelte die komplette Firma nach Kalamazoo um, wo die Epiphones fortan Seite an Seite mit den Gitarren der Gibson-Linien gebaut wurden. Bereits 1958 kam ein Katalog mit Epiphone-Electrics und -Acoustics heraus.
Obwohl noch Modelle wie Broadway, Emperor und Zephyr gelistet waren, ist es auch ein Abgesang auf die großen Epi-Archtops, denn bei allen anderen Designs handelte es sich prinzipiell um Anlehnungen an Gibsons Solidbody- und Thinline-Modelle. Bemerkens – wert daran ist nun aus heutiger Sicht, dass wir es zwar mit einer B-Linie zu tun haben, aber dennoch alle Instrumente in uneingeschränkter A-Qualität mit den identischen Tonhölzern und allen anderen Komponenten wie die Gibson-Modelle gefertigt wurden.
Zu einiger Prominenz schafften es von den 60er-Jahre-Modellen aber lediglich jene Gitarren, die von den Beatles gespielt wurden: eine Thinline mit Namen ‚Casino‘ und die ‚Texas‘ Flattop-Acoustic. Dabei können viele Epis den Gibsons absolut Paroli bieten, das Sheraton-Modell übertraf seinen Counterpart ES-355 sogar an luxuriöser Ausstattung.
„B-LINIE, GEBAUT IN UNEINGESCHRÄNKTER A-QUALITÄT“
Bei den Epis der End-50er- bis Mitt-60er-Jahre haben wir es also mit absolut hochwertigen Instrumenten zu tun, den Gibson-Modellen in jeder Hinsicht vergleichbar. Gibson behielt seinen eigenen Modellen allerdings die ‚full size‘-Humbucker vor und stattete die Epiphones vielfach mit den schmalen, aber keineswegs geringerwertigen Mini-Humbuckern aus, die es ja schließlich auch in solch ikonische Gibson-Designs wie die Firebird schafften.
War das mit P-90-Pickups ausgestattete Thinline-Casino-Modell von der ganzen Anmutung her geradezu identisch mit dem Gibson-Pendant ES-330, legte man bei den Solidbodys offenbar mehr Wert auf formale Eigenständigkeit. Dennoch bewegen sich die Unterschiede zu den entsprechenden Gibson-Designs in engem Rahmen. Gutes Beispiel für die Geschäftspolitik „nah dran und doch anders“ ist das nominell 1959 eingeführte Epiphone-Modell Wilshire, das Gibson als Gegenstück zur Les Paul Special vorlegte.
Das auf diesen Seiten vorgestellte Exemplar von 1961 präsentiert sich in perfektem Erhaltungszustand mit den originalen Komponenten. Das ist deshalb bemerkenswert, da allein für Parts wie die alten P-90-Pickups, die ABR-1-Bridge und das leichte Alu-Tailpiece (letztere sind identisch mit denen der originalen Les Paul Standard) oft mehr bezahlt wird, als für das komplette Instrument. Kein Wun – der also, dass die höchst bedauerliche Ripping-Unsitte, ein Auseinanderpflücken von nicht ganz so populären Modellen also, um sich griff.
Die vorliegende Wilshire zeigt dann auch gleich, was so ein ‚Plane Jane‘-Modell in der Lage ist, elektrisch zu leisten. Beste akustische Grundlagen dafür bietet die Konstruktion aus Mahagonikorpus mit eingeleimtem Mahagonihals plus Rio-Palisandergriffbrett mitsamt den zuvor schon genannten höchst begehrten Hardware-Komponenten. Die intensiven Schwingungungseigenschaften der Gitarre werden von den kraftvollen P-90-Pickups schlagend übersetzt in straffe, aber auch perlend frische Sounds, die bei aufgedrehtem Amp wunderbar raue und brizzelnd elektrische Klangfarben her – vorbringen – ein echtes Rock-Biest!
Von der frühen Ausführung der Epiphone Wilshire mit großer 3+3-Kopfplatte und Soapbar-P-90-Pickups wurden lediglich 243 Exemplare gebaut. Damit gehört das Modell zu den seltensten Gitarren aus Kalamazoo-Produktion überhaupt. 1963 erhielt das Design bereits den berühmten Batwing-Kopf, eine etwas veränderte Korpusform mit vorspringendem Horn oben und zwei Mini-Humbucker-Pickups. Die frühen P-90-Versionen, obwohl u.a. von Hendrix, Townshend und Marriot gespielt, stehen im Interesse des Publikums derzeit nicht gerade vorn. Preise am Vintage-Markt beginnen dem gemäß gelegentlich noch bei $ 4500, erreichen in Bestzustand aber auch schon mal das Doppelte.
(erschienen in Gitarre & Bass 10/2020)
Sehr schön und authentisch beschrieben!
Erstaunlich,daß Epiphone Gitarren in der damaligen Fabrik in Kalamazoo gleichsam neben Gibson Saiteninstrumente gefertigt wurden.
Diese alte Epi Wilshire wirkt optisch sehr kompakt.Eine schöne Gitarre.
Sehr erfreulich,daß Epiphone bis heute einwandfreie limitierte Elektrische zu fairen Preisen baut.Zwar stammen diese nun schon ewig nicht mehr aus den U.S.A.,sondern aus Asien,-aber die Qualität vieler Epi‘s,-ganz besonders der sehr edlen Epiphone Joe Bonamassa „Arthur Amous“ Flying V aus superleichtem Solid African Limba Wood,ist schon ein echter Traum!
Epiphone Gitarren wurden,und werden leider bis dato zu Unrecht oft unterschätzt.
Hatte auch mal eine Epiphone “The Dot”, sah schön aus aber war irgendwie nix….klang einfach nicht. Irgendwo muss der Gibson Preis herkommen. Ich bevorzuge wirklich das Original….wenn Epiphone dann eine vor Gibson…..aber den Rest….. Na ja, wem es gefällt.
Guter Artikel über einen scheinbar noch wirklichen “Geheimtipp”. Die Preise sind jedoch … naja…muss dafür immer 2 geben. Ich selber habe das Privileg, eine Epiphone Coronet 1962 (ist wie die Wilshire aber nur mit einem P-90), eine Gibson SG Special sowie Junior aus ähnlichem Jahrgang zu besitzen. Ich sammel nicht, bin Spieler und im Laufe der Jahre kommt eben was vor die Flinte….Meine Rückmeldung: die Coronet steht den A-Serie Verwandten klanglich in NICHTS nach. Die Coronet hat eher sogar mehr Elan. Unglaubliche Rock-Maschine – und eben so puristisch. Einfaches Stück Holz – Anschliessen – Los geht´s…!!!