Manche Gitarren sind offenbar mehr als einfach nur ein Instrument. Wenn sich mit ihnen besondere Inspirationen oder wegweisende Biografien verbinden, dann werden sie selbst zu einem untrennbaren Teil der sozial- und musikgeschichtlichen Entwicklung.
Gibson stellte bereits 1942 das Flattop-Modell Southern Jumbo als Deluxe-Version der schlichten, aber sehr erfolgreichen J-45 vor.
Mit ihrem Korpus aus Mahagoni, der Decke aus Fichte in Sunburst plus Mahagonihals mit Palisandergriffbrett prinzipiell baugleich mit dem populären „Workhorse“ J-45, sollte die neue Variante vor allem durch optische Aufwertungen, wie etwa Gibsons „Deluxe Split Parallelogram Pearl Inlays“ und Multi-Bindings ihr Publikum finden.
Von 1947 an bekam die SJ dann auch noch weiße Griffbrett-Bindings, um sie noch deutlicher von der schlichten J-45 und deren blonden J-50-Schwester im Natural Finish abzusetzen. Die ersten 20 Jahre wurde die Southern Jumbo (SJ), mit runden Schultern (round-shouldered) gefertigt, ab 1962 kam das Modell „square-shouldered“ auf den Markt.
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Don Everly, Woody Guthrie, Hank Williams, John Fogerty, Dan Wilson, Ryan Adams … Protagonisten gibt es viele: Die Everly Brothers, Helden ihrer Zeit, werden grundsätzlich mit Gibson-Gitarren assoziiert. In den 50er-Jahren sah man sie auf Bühnen und in Filmen mit J-200-Jumbos, später mit Gibson Doves und schwarzen J-50-Modellen, aber natürlich vor allem mit ihrem eigenen Everly Brothers Signature Model, das durch die übergroßen Doppel-Pickguards und die Sterne im Griffbrett ins Auge fiel. Gravierenden Einfluss auf ihren frühen Sound hatte indes eine andere Gitarre. Don Everly: „Mein Vater kaufte mir meine Southern Jumbo neu in einem Musikladen in Knoxville, Tennessee.
Den Tag hab ich in lebhafter Erinnerung. Es war meine erste nagelneue Gitarre. Es ist immer noch eine der bestklingenden Gitarren die du finden kannst. ‚Wake Up Little Suzie‘, ‚Bye Bye, Love‘ und viele andere Songs wurden mit dieser Gitarre aufgenommen. Ich habe sie immer noch.“
Berühmt ist die 1945er Southern Jumbo mit dem „This Machine Kills Fascists“-Aufkleber des kämpferischen Woody Guthrie, Singer-Songwriter der ersten Stunde und Ikone des amerikanischen Protestsongs von unschätzbarem Einfluss. Nicht nur Bob Dylan und Bruce Springsteen nennen ihn als ihr Vorbild. Auch der große Country Star Hank Williams war mit der SJ zu sehen. Ebenfalls besitzt John Fogerty eine Southern Jumbo (Baujahr 1952): „Sie ist irgendwie dunkel und groß und klingt wie ein Zug für mich. Als ich das erste Mal einen Akkord anschlug, dachte ich nur: Oh, my God!“
Für Dan Wilson ist seine 52er SJ nach eigenem Bekunden unverzichtbar. Nicht nur Hits wie ‚Closing Time‘ oder ‚Secret Smile‘ hat er mit ihrer Hilfe für seine Band Semisonic geschrieben. Die Gitarre wurde auch in Songwriter-Kooperationen mit den Dixie Chicks ‚Not Ready To Make Nice‘ oder Adele ‚Someone Like You‘ zu einem inspirierenden Faktor.
Producer, Songwriter und Vintage-Liebhaber John Shanks (Melissa Etheridge, Rod Stewart, Alanis Morrisette, Bon Jovi u.v.a.) liebt ebenfalls seine 1952er Southern Jumbo. Ryan Adams schrieb Songs und nahm mehrere Alben mit einer SJ von 1967 auf. Aaron Lewis über seine 1951er Southern Jumbo: „Das war meine Lieblingsgitarre von dem Tag an, wo ich sie in die Hand genommen habe.“ Natürlich wurde diese Gitarre dann auch Vorbild für das zusammen mit Gibson entwickelte Aaron-Lewis-Signature-Modell … und so könnte das noch eine ganze Weile weitergehen.
Das vorliegende Gibson-SJ-Modell stammt aus dem Nachkriegsjahr 1952. Nicht alle Instrumente aus den frühen Fertigungsperioden haben die Zeit unversehrt überstanden, aber dieses Exemplar ist in einem außerordenlich guten Zustand. Wie viele seiner Zeitgenossen wurde es einem erfolgreich ausgeführten Neckreset unterzogen – eine Maßnahme, die nach langen Jahren der stark auf den Hals einwirkenden Saitenspannung oftmals unumgänglich ist.
Durch die Korrektur des Halswinkels lassen sich die Spielbedingungen wieder verbessern, perfekte Saitenlagen sind dann über viele Jahre kein Problem mehr. Bei dieser Gelegenheit wurden dann auch gleich noch die verschlissenen Bünde ausgetauscht. Die somit in spieltechnischer Bestform auflaufende SJ bietet viel von den zuvor gelobten Eigenschaften.
Sie hat tatsächlich einen holzig trockenen Ton, eine Klangauflösung, die gar nicht so sehr aufträgt, sondern eher warm, transparent und luftig daher kommt. Das Tonbild ist im engeren Sinne nicht modern, aber zeitlos charmant. Man bekommt nicht von allem möglichst viel, dafür aber jede Menge Charakter! Dan Wilson beschreibt diese Gitarre nicht grundlos als perfektes Begleitinstrument, das der menschlichen Stimme den genau richtigen Platz lässt. Doch sollten wir bei der SJ auf keinen Fall von eingeschränkter Funktion sprechen, denn ihr natürlicher, klassisch amerikanischer Sound ist auch in rein instrumentaler Hinsicht ein Gedicht.
Gebaut wurden im Jahre 1952 immerhin 768 Exemplare der Southern Jumbo, damit zwar nur gut die Hälfte der quasi baugleichen, aber weniger verzierten J-45, ein besonders seltenes Modell ist es aber dennoch nicht. Der Erhaltungszustand spielt bei Gitarren dieser Kategorie eine entscheidende Rolle. Das vorliegende Modell ist per Wertgutachten auf € 6500 taxiert. Frühe „Banner“-Ausführungen erreichen auch schnell mal das Doppelte dieses Preises, 60er-Jahre-Square-Shoulder-Versionen liegen dagegen manchmal noch bei etwa der Hälfte davon.
(erschienen in Gitarre & Bass 01/2021)
Hallo Franz,
ich freue mich sehr darüber, dass du meine alte Gibson Southern Jumbo mit diesem Bericht würdigst. Es ist eine wunderbare Gitarre. Freut mich, dass auch du offensichtlich noch von ihr begeistert bist.
Ich habe noch ein paar Gibson J-45 aus den vierziger und fünfziger Jahren. Vielleicht hast du ja mal Lust über eine von Ihnen zu schreiben.
Alles Gute
Chris
Hallo Christian,
… ein paar Gibson J-45 aus den vierziger und fünfziger Jahren? Äh, vielleicht auch eine zu verkaufen? Würde mich sehr interessieren. Danke für Antwort, Holger Paetz