Unbekannte Helden: Luca Benedetti – Roots Jazz mit Twang!
von Martin Schmidt,
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(Bild: Kyra Kverno)
Der Big Apple aka New York galt schon immer als Hochburg des Jazz. Neben Changes-fressenden Jazzmonstern und Hi-Tech-Fusionären bleibt in der Stadt am Hudson River aber noch genug Platz für eine kleine Americana-Szene, die geschmackvoll Jazz-Chords mit Country-Twang und einem Faible für fast vergessene amerikanische Gitarrenmeister kombiniert. Kaum bemerkt von der Öffentlichkeit lebt und arbeitet dort Luca Benedetti. Der Halbitaliener ist öfter im Duo mit Jim Campilongo zu sehen und betreibt sein eigenes Trio, mit dem er zuletzt ein Album mit dem Titel ‚We’ll Get There‘ veröffentlicht hat.
LEBEN
Luca wurde in Rom geboren. Seine Mutter war Italienerin, sein Vater Amerikaner und bei einer Fluggesellschaft beschäftigt. Einen Großteil seiner Kindheit verbrachte er daher außerhalb der USA, in Afrika, Südamerika, Europa und Asien. Ersten Kontakt zur Gitarre hatte Luca, als er seine Mutter zum Gitarrenunterricht begleitete:
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„Wir hatten immer eine Gitarre zu Hause. Meine Mutter nahm ein paar Stunden als ich zwölf war, und ich kam mit. Das war ziemlich einfaches Zeug, aber irgendwie blieb es hängen. Mit 15 habe ich einen Freund AC/DC spielen gehört und brachte meinen Vater dazu, mir eine Gitarre zu kaufen. Seitdem habe ich sie nicht mehr aus der Hand gelegt. Ich habe Unterrichtsmaterial bestellt, einen Lehrer gesucht und bin mit 20 nach Berklee gegangen. Dort habe ich Jazz studiert und wollte mich vor allem mit Notation und Komponieren beschäftigen.“
Sein eigenes Spiel wurde zuerst von Angus Young, Jeff Beck und Albert Collins beeinflusst. Später kamen dann der Tele-Meister Danny Gatton und klassische Country- Gitarristen wie Roy Nichols, James Burton und Albert Lee dazu.
„Mich haben immer rhythmische Spieler angezogen. Danny Gatton hat viele Stile abgedeckt, war aber auch immer funky!“ erzählt Luca. „Ich mag aber auch endlose Achtel-Linien à la Pat Martino.“
Seit 1996 lebt er in New York und verdient sein Geld mit Spielen und Unterrichten:
„In den letzten Jahren habe ich an einer Schule gearbeitet, zwei Tage die Woche. Ich unterrichte Kinder und es ist besser bezahlt als viele private Gitarrenstunden, die ich gegeben habe. Ich kann abends Gigs spielen und im Sommer und Winter gibt es lange Ferien. Ich unterrichte nicht mehr so viel privat, weil ich mich mehr aufs Spielen und Schreiben konzentrieren will. Ich habe eine Bar-Band namens Luca & The Leftovers, mit der wir oft in einer Honky-Tonk Bar namens Skinny Dennis spielen.“
WE’LL GET THERE
(Bild: Luca Benedetti)
Lucas neues Album entstand an zwei Tagen in den Figure 8 Studios in New York.
„Einige der Songs gab es schon seit Jahren, ein paar habe ich neu geschrieben. Nach der Liveaufnahme habe ich noch einen Monat zu Hause editiert und Overdubs gemacht und dann alles in einer Woche in den Bunker Studios gemischt und gemastert.“
Das Album enthält 10 Songs, die eine große Bandbreite an Stilen abdecken. Der Eröffnungstrack ‚Gowanus‘ klingt nach dem Miles Davis der 70er-Jahre:
„Ich mag diesen Groove, er war auf meinem Looper und ich habe eine kleine Melodie dazu gespielt.“ ‚Hooker and Booker‘ ist ein Tribut an James Booker und den Bluesgitarristen Earl Hooker: „Er hat so einen Humor in seinem Spiel, er bringt dich zum Grinsen. Ich mag es, wenn Musik eine Leichtigkeit hat, einen gewissen Bounce. Ich mag Leute, die nicht zu ernst genommen werden wollen, aber trotzdem ihre Musik ernst nehmen.“
Das einzige Cover der Platte ist ‚Stompin At The Savoy‘ von Benny Goodman.
„Ein Cover lässt das Publikum deine Perspektive verstehen, weil sie mit dem Song vertraut sind. Ich mochte immer die Jim-Hall-Version dieses Songs, spiele ihn aber einen Halbton tiefer in C: Mir fiel auf, dass man so die ganze Melodie mit Leersaiten und Harmonics spielen kann. In C ist es ein viel besseres Gitarrenstück als in shitty Db-Dur (lacht).“
‚Ice Cream Sandwich‘ erinnert an die atmosphärische Musik von Jim-Jarmusch-Filmen wie „Mystery Train“. Hinter der leicht angezerrt gespielten Melodie sorgt laut Luca „eine processed Slide-Guitar“ für viel Atmosphäre. Der Titeltrack klingt mit einem langen Plate Reverb und geheimnisvollen Akkorden wie eine Mischung aus Jazz und Surf. Die Zusammenarbeit mit Jim Campilongo gab den Anstoß zum Titel von ‚What Year Is That Guitar‘:
„Wenn du nach einem Gig neben ihm stehst, kommt garantiert irgendwann jemand mit dieser Frage“ berichtet Luca lachend.
Über den Boogaloo-Groove des Songs spielt Luca ein paar coole Old-School-Country-Licks, ohne aber dem Schreibmaschinen-Stil vieler Nashville-Kollegen zu verfallen.
„Modernen Country höre ich mir nicht wirklich an. Dieser Sound sperrt dich irgendwie ein, es gibt bestimmte Licks, die immer auftauchen, egal wer spielt, und das hindert dich, du selbst zu sein. Es ist ein bisschen wie ein gedämpfter Trompetensound, der erinnert auch immer an Miles Davis. Ich orientiere mich eher an James Burton, Albert Lee und Roy Nichols. Je älter ich werde, umso mehr schaue ich zurück und höre mir die Sachen an, die ich verpasst habe.“
Besonders auffällig auf dem Album ist die äußerst relaxt spielende Rhythmusgruppe, bestehend aus Tony Scherr am Bass und Tony Mason an den Drums. Keine überflüssigen Fills, Angeber-Licks oder sonstige, in Fusion- und Jazzkreisen oft beliebten Show-Off-Einlagen. Luca meint dazu:
„Das ist einer der Gründe, warum ich diese Typen liebe. Sie wissen genau, was man spielen muss und sind nie im Weg. Meine Lieblingsbeschreibung des Albums stammt vom Drummer: Niemand strengt sich zu sehr an (auf engl.: Nobody‘ s trying to hard) und das fasst sehr gut zusammen, wie das Album klingt, keiner versucht sich in den Vordergrund zu schieben.“
EQUIPMENT
Lucas Ansatz für seine Instrumente ähnelt seinem klaren musikalischen Konzept. Für die Studioaufnahmen kamen zwei Gitarren zum Einsatz: Eine MIT-Tele aus Custom-Parts (einem kräftigen Musikraft 1953 Blackguard Neck, Glendale Guitars Bridge und einem Amalfitano Boutique Tele-Pickup-Set) sowie eine 1957 Fender Duo Sonic.
Bild: Martin Schmidt
MIT Tele mit Gebrauchsspuren
Bild: Martin Schmidt
Fender Duo Sonic
Auf der Tele sind Flatwound Strings in den den Stärken 10 – 45, die Duo Sonic hat aufgrund ihrer kurzen Mensur dickere Drähte von 13 bis 54. Angeschlagen werden sie mit Dunlop-Ultex-1.0mm-Picks.
Bild: Martin Schmidt
Brownface Deluxe von 1962 – no Reverb!
Bild: Martin Schmidt
Weber Speaker
Bild: Martin Schmidt
Der Effekt für den Hintergrund: Magnavibe
Der Verstärker im Studio war ein 1962er-Fender-Brownface-Deluxe mit einem keramischen Weber 12F150 30-Watt-Speaker. Die einzigen Effekte sind ein Magnavibe, das den Vibrato-Effekt eines alten Magnatone-Amps nachbildet und ein Slapback-Delay, für das ein Roland Space Echo zum Einsatz kam. Lucas Livesound funktioniert folgendermaßen:
„Ich versuche mit einem Verstärker durchzukommen, der Tremolo hat und in 70% der Fälle bringe ich noch ein Hallpedal mit. Ich habe eine ganz nette Amp-Sammlung, darunter ein Vibrolux Reverb, wenn ich etwas mehr Headroom benötige, ein Supro Coronado, wie ihn Jimmy Page auf ‚Stairway To Heaven‘ benutzt hat und ein Fender Harvard. Als ich anfing, mich mehr mit meinem Ton zu beschäftigen, merkte ich, dass ich keine Overdrive-Pedale mag. Ich drehe lieber den Amp auf und arbeite mit dem Gitarren-Volume. Von daher muss ich nur den richtigen Amp für den Club mitbringen. Oft denke ich aber, ich hätte einen größeren oder kleineren mitbringen sollen und arbeite deswegen mittlerweile öfters auch mit Verzerrern, einem Hotcake Overdrive oder MXR Sugar Drive. Fürs Slapback nehme ich ein Boss DD3.”
PLAY – LITTLE LIZZY
Zum Nachspielen gibt es das Thema des Songs ‚Little Lizzy‘, der gut die verschiedenen Aspekte von Lucas Spiel zeigt. Der Song basiert auf einem coolen, unaufdringlichen Bass-Riff, das im Intro von der Gitarre gedoppelt wird.
Das Thema des A-Teils mischt geschickt Dur- und Moll-Pentatonik mit den Guide-Tones (Terz und Septim) des C7-Akkords. Durch unterschiedliche Phrasierungen und leichte Variationen des Hauptmotivs klingt es immer wieder überraschend und nicht statisch. Im B-Teil sorgen ein paar Akkorde mit Vibrato-Sound für Abwechslung von der I-IV-V-Verbindung. Die Akkord-Voicings sind nicht besonders speziell oder ungewöhnlich, werden aber so geschickt eingesetzt, dass sie äußerst farbenfroh klingen. Auch hier fällt wieder das Understatement auf, mit dem die Band groovt und den Song lebendig hält, ohne großartig vom Grundpattern abzuweichen. „Weniger ist mehr“ ist eine Binsenweisheit, aber nichts desto trotz wahr…
Ich wünsche euch viel Spaß mit den Americana-Jazz-Sound von Luca Benedetti. Das Nachhören der im Text genannten Künstler bei Spotify lohnt sich definitiv! Weitere Anregungen und Kritik könnt ihr wie immer unter martin@the-incredible-mrsmith.com los werden.