Der heilige Gral der Fender-Sammler

Tone Research: Mark Knopfler & der Fender Vibroverb 6G16 Teil 3

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1963 Fender Vibroverb (Bild: udo pipper)

Heute widmen wir uns einer ganz bestimmten Fender-Schaltung, die aus Sicht des Herstellers eine große Seltenheit darstellt, obwohl sie vor allem für Singlecoil-Spieler sehr attraktiv ist.

HIER geht es zur vorherigen Folge.

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Im Mittelpunkt unserer Betrachtung steht der Fender Vibroverb 6G16, der nur wenige Monate im Jahr 1963 hergestellt wurde. Es heißt, es gäbe nur etwas mehr als 500 Exemplare davon. Somit ist er unter Sammlern der begehrteste Fender-Amp überhaupt, und es gibt nur wenige Gitarristen, die so einen Amp gesehen, geschweige denn gehört haben. Vibrolux-Fan Gregor Hilden spielt einen solchen Amp seit geraumer Zeit auf seinen zahlreichen YouTube-Videos. Und wer genau hinhört, nimmt schon einige Unterschiede zu dem sonst von ihm verwendeten Fender Vibrolux wahr.

Der Vibroverb mit braunem Frontpanel war der erste Amp von Fender mit eingebautem Hall. Er wurde nur zwischen Februar und September 1963 hergestellt. Allein das macht ihn zu einer Besonderheit. Und wen wundert’s, Mark Knopfler besitzt natürlich auch eines dieser extrem seltenen Exemplare und benutzt diesen Amp live und im Studio. Wie wir bereits festgestellt haben, gibt es ja nicht „den“ Mark-Knopfler-Amp (so wie es bei Neil Young der Fall war). Daher soll uns der braune Vibroverb als Beispiel dienen, um einen möglichst authentischen oder attraktiven Knopfler-Sound zu formen. Das Gleiche wäre natürlich auch mit jedem anderen Fender-Amp möglich.

Mir ist es gelungen, einen originalen Vibroverb von 1963 sowie einen ebenso interessanten Reissue-Amp von 1992 aufzutreiben. Diese beiden Amps werden wir vergleichen und restaurieren, beziehungsweise modifizieren. Das Reissue-Modell klingt zwar schon ab Werk sehr schön, kann aber mit einem alten Original dennoch nicht mithalten. Bei Fender hat man sich zwar Mühe gegeben, die Zutaten so authentisch wie möglich zu gestalten, der damals relativ günstige Verkaufspreis forderte jedoch seinen Tribut, und so wurde bei der Konstruktion auch gespart.

Mit seinen Schumacher-Trafos und den zwei 10“-Oxford-Lautsprechern kommt der Vibroverb dem 2×10 „Blackface“ Vibrolux allerdings schon sehr nahe. Insgesamt klingt der Vorgänger aber wärmer, weicher und bringt einen schöneren Distortion-Ton. Genau richtig für eine Stratocaster, denn diesen Amp kann man auch „ohne ‘was davor“ hervorragend spielen.

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63 Vibroverb Innen (Bild: udo pipper)

Die Gründe hierfür liegen vor allem in der Konstruktion des Phasendrehers. Hier arbeitet beim Vibroverb anstatt einer 12AT7 eine 12AX7, die Gegenkopplung ist weitaus geringer und der sogenannte TailResistor ist mit nur 6,8K weitaus kleiner als beim Vibrolux (22K). Mit dieser Schaltung sind absolut klare Sounds mit einer Humbucker-Gitarre kaum noch möglich, denn dieser Phasendreher bringt mehr Gain. Mit einer Stratocaster oder Telecaster singt dieser Amp jedoch mit einem wunderbaren Sustain. Hinzu kommt, dass die Spannungen in der Vorstufe recht gering ausfielen. Niedrige Spannungen bedeuten an dieser Stelle jedoch weniger Headroom und weniger Höhen an der ersten Vorstufenröhre.

Hier entsteht die Wärme dieser Amps. Die Röhre geht so auch schneller in die Sättigung und zerrt. Und genau das lieben alle Vibroverb-Fans. Man kann aus dem Amp auch schon bei Club-Lautstärke eine verführerische Rauheit herauskitzeln. Und diese wird von denbei den Oxford-Speakern fantastisch übertragen. Diese Lautsprecher gehören zu dem Besten, was Fender damals zu bieten hatte. Sie vereinen die Stabilität eines Keramik-Magneten mit der schillernden Offenheit eines Alnico-Speakers.

Der von mir ausgeliehene Vibroverb war geradezu ein Glücksfall, denn die Speaker dieses Amps klangen noch so klar und stabil wie bei nagelneue Lautsprecher. Der Schumacher 1256A6 Ausgangsübertrager (vgl. Foto) wurde gegen einen Blackface Bassman 4-Ohm-Trafo getauscht. Keine allzu tragische Maßnahme, denn diese Trafos haben deutlich mehr „Eisen“ und spendieren dem ohnehin fantastischen Ton mehr Headroom und Stabilität.

Der Amp war recht einfach zu restaurieren. Er bekam neue Elkos von F&T, ein paar neue Kohlepress-Widerstände und neue Röhren. Das war’s schon. Defekte Tone- und Koppelkondensatoren ersetzte ich durch NOS „Blue Molded“ Ajax-Kondensatoren, die historisch korrekt sind. In dieser Weise aufgefrischt, klingt der Amp jetzt deutlich lauter, als seine 40 Watt vermuten lassen. Richtig laut! Mit meiner Les Paul setzte jedoch schon ab Lautstärke 3 Distortion ein.


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Mit einer Stratocaster konnte ich den Amp deutlich lauter aufdrehen (bis etwa Volume 6). Hier war der „Sweetspot“, der die Stärken dieses Verstärkers in ganzer heit, die an einen guten Blackface-Amp erinnert, anderseits ist da auch diese warme, hölzerne Note, die man schon eher im Marshall-Lager ansiedeln könnte. Durch diese Kombination errang der Vibroverb seinen legendären Ruf. Zudem ist dieser Sound noch wesentlich Fußtreter-freundlicher als der Blackface Vibrolux.

Während man bei Letzterem durchaus wählerisch agiert, scheint beim Vibroverb einfach jedes Overdriveoder Distortion-Pedal zu passen. Einfach umwerfend. So gelingen Sounds à la Mark Knopfler, Stevie Ray Vaughan oder John Mayer, die man in dieser Vollendung wohl noch nie gehört hat. Eigentlich eine Schande, das Fender diesen Amp nur so kurz und heute gar nicht mehr baut.

Wobei: So ganz richtig ist das auch nicht. Von 1990 bis etwa 1995 bot Fender den Vibroverb Reissue an (später wurde dieser Amp als Custom Vibrolux mit anderer Schaltung angeboten). Auch dieser Amp stand mir zu einem direkten Vergleich zur Verfügung. Die Neuauflage klang etwas leiser und hatte weniger Headroom als das Original. Auch war sein Ton dunkler und weniger facettenreich. Der Hochton war härter und insgesamt dunkler. Steht einem der direkte Vergleich nicht zur Verfügung, ist der Reissue jedoch auch schon ein wunderbarer Amp, den ich selbst in den Neunzigern lange gespielt und seinen Sound noch in bester Erinnerung habe.

Im Fender-Forum (www.fenderforum.com) erfreut sich dieser Amp daher auch einer riesigen Fan-Gemeinde. Und gebraucht sind diese Verstärker kaum noch zu finden, sie scheinen beinahe ebenso begehrt wie ein Original. Meine Idee war nun, den Vibroverb Reissue so zu modifizieren, dass er näher an das Original heranreicht. Und dazu gibt es zwei Wege. Man könnte den Vibroverb Reissue einfach beiseite stellen und stattdessen einen Fender Vibrolux zu einem Vibroverb umbauen! Man muss hier eigentlich nur die Spannungen angleichen und den Phasendreher auf „Brownface“ umgestalten.

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Eine Modifikation, die die Techniker vom Tube Amp Doctor in Worms in den Neunzigern gern vornahmen, um Strat-Spielern einen wärmeren Ton zu spendieren. Der Vorteil daran ist, dass man für vergleichsweise wenig Geld (ein originaler Vibroverb von 1963 kostet mittlerweile weit über € 6000) einen Silverface Vibrolux kaufen und den Umbau für ein paar Hundert Euro durchführen lassen kann. So erhält man einen echten Vibroverb-Sound für knapp unter € 2000. Und das ist schon mal nicht schlecht.

Wer jedoch auch die attraktive Optik des Vibroverbs bevorzugt, muss so vorgehen wie wir und einen Reissue modifizieren. Ich konnte den Besitzer des Vibroverb Reissues davon überzeugen, diese Maßnahme (auch im Dienste dieser Kolumne) durchführen zu lassen. Dazu werden wir schrittweise vorgehen und ermitteln, welchen Klanggewinn die einzelnen Maßnahmen bringen. Die Vibroverb-Fans in den USA bemängeln beim Reissue vor allem die Qualität der Speaker und der Röhren. Zwar war der Nachbau der Oxford-Speaker sicher gut gemeint, die Klangausbeute ist aber im Vergleich mit den Originalen nicht mehr als dürftig. Mit zwei Jensen C10N oder Weber 10F150 bringt man den Reissue in eine neue Dimension. So wird es jedenfalls berichtet.

Wir werden sehen, ob das stimmt. Zuerst habe ich bei „unserem“ Reissue die Röhren getauscht. Die besten Ergebnisse erreichte ich mit zwei TAD 6L6 „Big Bottle“ GC STR, die den Head-room und die Stabilität des Amps gleich um ein gutes Drittel erhöhten. Dazu habe ich einige Vorstufenröhren aus meinem Fundus getestet und wieder einmal festgestellt, dass man für beste Ergebnisse an alten GE-, RCA- oder Sylvania-Röhren nicht vorbeikommt. Sie klingen einfach milder, weicher und klarer als TAD, JJ oder Sovtek. So bestückt und mit den Lautsprechern des alten Originals verbunden, klang der Reissue schon sehr gut.

Der Ton gewann an Größe, Klarheit und Stabilität. Und wie immer im Vergleich mit einem frei verlöteten Original störte eigentlich nur noch diese spröde Härte, die den Reissues mit Platine nun mal zu eigen ist. Auch das haben wir hier schon oft erwähnt. Dieses Phänomen hat nicht „die eine“ Ursache, etwa ein falsches Bauteil, eine falsche Röhre oder eine falsche Spannung, sondern folgt aus der Summe aller verwendeten Bauteile. Elkos, Koppel- und Tone-Kondensatoren oder Widerstände haben nun einmal ihre spezifischen Klangeigenschaften, und die setzen sich bei so einem Amp durch. Ob das nun noch stört oder sich im Bandgefüge unbemerkbar macht, sei dahingestellt.

Wir haben ja in der Vergangenheit am Beispiel eines Custom Twin Reverbs festgestellt, dass man auch ohne größere Eingriffe in die Elektronik, etwa mit dem Austausch der Trafos (mit Mercury Magnetics) und den Netzteil-Elkos (mit F&T) schon eine ganze Menge erreichen kann. Und genau diesen Weg werden wir nun mit dem Vibroverb gehen. Wir werden versuchen, diesen Amp trotz Platinen-Bauweise zum Leben zu erwecken. Unsere Ziele sind mehr Klangfarben und ein wärmerer und angenehmerer Ton. Ich bin schon gespannt…

HIER geht es zur letzten Folge!

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