Zwischen Billig-Kabeln und Schweizer Luxus – Eine tonale Odyssee

Till & Tone: Stiftung Kabeltest

Anzeige
Auch als Haupthaar trägt sich das Vovox gut! (Bild: Hoheneder)

Als das alte Jahr sich dem Ende neigte, juckte es mir in den Fingern. Am 2. Weihnachtstag war ich dem heimtückischen Angriff einer fiebrigen Erkältung zum Opfer gefallen. In den nächsten Tagen versuchte ich, mich mit bewährten Strategien zu trösten: alte Western mit John Wayne gucken und natürlich G.A.S: Gear Acquisition Syndrome.

Das es als feststehender Begriff schon zum Wikipedia-Eintrag geschafft hat: „Als Gear Acquisition Syndrome (Akronym: G.A.S.; „Geräte-Anschaffungs-Syndrom“, gesprochen wie englisch ‚gas‘/‚Gas‘, ‚Blähungen‘) wird seit 1994 insbesondere in Internetforen u. in der Fachpresse für Kreativberufe – zumeist scherzhaft – das Kaufen, Sammeln oder Horten von Musikinstrumenten u. Equipment aus den Bereichen Musikproduktion, Audiotechnik u. Fotografie bezeichnet. Es wird u. a. selbstironisch verwendet, um den Kauf von Geräten zu kommentieren, für die kein unmittelbarer Bedarf besteht.“

Anzeige

DISCOUNT ODER LUXUS?

„Kein unmittelbarer Bedarf“ – das gilt es zu ignorieren, sagte ich mir selbst im Fieberwahn. Nur: was kaufen? Einen Amp, eine Gitarre? Nein, Gitarren hatte es schon 2024 gegeben und bei den Amps bin ich mir noch unsicher: Baue ich meinen fabulösen ’62 Fender Blonde Tremolux Head zum 1×12 Combo um? Folge ich dem Sirenenruf des Magnatone Twilighters? Schwierig. Ein neues Pedal? Ich habe neulich gelesen, dass der großartige Billy Gibbons gerne für 20-30 Dollar billige China Fuzz-Pedals auf Amazon kauft… und sie auch benutzt. Das erklärt vieles, aber nicht alles. Erstens hat der Mann ganze Warenlagerhallen voll mit wertvollstem Vintage- und Boutique-Stuff. Ich vermute: Um überhaupt mal wieder Puls zu bekommen zwischen Millionen teurem Gear, muss er sich wahrscheinlich mit dem Cheapo-Stuff adrenalisieren. Wer weiß? Leider ist es mir egal, was der gute Billy benutzt, denn seinen ZZ-Top-Sound finde ich mittlerweile wirklich gruselig. Dabei liebe ich den Tres-Hombres-Sound abgöttisch und bin ein glühender Deguello-Fanboy, aber diesen Hi-Gain Frau-Bratbecker-Sound, den er seit vielen Jahren hauptsächlich bei ZZ Top pflegt – nun ja, ich hoffe inständig, dass die spottbilligen Amazon-Treter dafür verantwortlich sind. Ist ja auch nur meine Meinung, schon klar. Nein, ich will gerade kein Discount-Gear. Also teure Boutique-Pedale kaufen? Neulich hat mir der wunderbare und von mir sehr geschätzte Kollege Heinz Rebellius sein exklusives Twangtone Manifesto zum auschecken geliehen. Ein exquisites Pedal! Teuer, schön anzuschauen und sehr gut klingend. Hats off to the late, great Bernd C. Meiser. Ein toller Overdrive. Aber mit meinem nicht minder exklusiven DanDrive Tweedy 5E8-A war ich gottseidank mühelos in der Lage, meine Lieblingssounds des Manifesto zu 99,99999 % nachzubilden. Die Videos dazu überzeugten sogar Heinz. Meine Laune sank auf den Tiefpunkt. Mein limbisches Belohnungssystem forderte Vollstreckung. Was tun?

Tatort Pedalboard (Bild: Hoheneder)

EDEL GEHT DIE WELT ZUGRUNDE!

Im verschnupften Nasennebenhöhlen-Schädel kam mir die rettende Idee: Seit Jahren muss ich mir bei jedem Gig spitze Bemerkungen zu meinem alten Vovox-Kabel anhören, dass ich vom Pedalboard zum Amp benutze. Kommentare wie „oh, der feine Herr“, „edel geht die Welt zugrunde“ oder spöttische Blicke, die sagen „klar, dass du auf so’n teuren Scheiß reinfällst“. Alles richtig, nur: Ich habe das Kabel vor Jahren von meinem Manager und Booker geschenkt bekommen. Und ich habe es benutzt, weil es praktische 6 Meter lang ist und einfach da war. Dem geschenkten Barsch schaut man bekanntlich nicht in die Poperze. Von der Gitarre zum Board habe ich seit 10 Jahren Spiralkabel genommen, weil ich den Sound in Kombination mit meinen Teles und Blackface-Amps gut fand. Die Spiralkabel gaben dem Sound eine gewisse Milde. Aber jetzt spiele ich Fender Tweed und Brown bzw. Blonde Amps.

Auf dem Tweed sehen sie alle gut aus … (Bild: Hoheneder)

Tweed bölkt eh mittig und der Tremolux sitzt tonal genau zwischen Tweed und Blackface, da muss auch kein Schuss Sahne bei. Meine Idee nahm Form an: Vielleicht brauche ich ja noch ein Vovox-Kabel? Schnell gegoogelt… achduscheiße – dass die so teuer sind, das war mir gar nicht so richtig klar. Also noch mal überlegt. Was würde Billy G., der Reverend machen? Im 1-Euro-Laden ein Dagobert Duck Signature-Kabel kaufen? Nein, da mache ich lieber einen auf Gear-Bonvivant. Dann eben ganz oben einsteigen und das 6 Meter Vovox sonorus protect A Swiss Linen Edition bestellen. Herrlich, das verspricht ein Kabel wie Dom Perignon und Kaviar. Polarisierend! Die einen werden mit Schaum vorm Mund geifernd sagen: Das Fieber hat seine letzte Hirnzelle gelöscht, wir haben es schon immer geahnt, wie bekloppt der Herr Hoheneder ist! Das ist Hokuspokus, das ist Verarschung! Die anderen sagen vielleicht „Respekt, meine Verachtung – aber das ist unser Till. Heiß oder kalt, aber niemals lauwarm!“

Die Test-Probanden (Bild: Hoheneder)

DER TEST

Das Kabel kam an. Schweizer Flachs, nachhaltig gedengelt und im spießigen grau-weiß. Optisch ein bisschen wie durchgekautes Recyclingklopaper. Glamour geht irgendwie anders. Leichte Enttäuschung machte sich in mir breit, denn das Auge spielt ja mit. Jedenfalls bei mir und dass nicht nur bei der Gitarre, sondern auch bei Accessoires wie Gurt, Gigbag – ja, selbst beim Ampcover würde ich z.B. niemals meinen geliebten Verstärker in einen Pappkarton stecken, der mit Gaffa umwickelt worden ist. Weil ich der festen Überzeugung bin: Mein Amp würde sich schämen, so mit mir vor die Tür zu gehen. Aber wenn es andere glücklich macht, ist doch alles in bester Ordnung! Apropos schämen… jetzt werden einige behaupten, wenn mein Amp reden könnte, dann würde er mir lauthals „üb’ mal lieber“ zurufen! Mag sein, würde er aber bestimmt nicht machen – eben, weil ich ihn so gut behandle. Aber zurück zur Stiftung Kabeltest: Drei Kabel, ein Amp, eine Gitarre und unschuldige Ohren mussten her. Ein Fender Kostüm-Shop-Kabel, ein Vox-Spiralkalbel, das Vovox, mein Ritter Tweed Pro Amp, meine Fender Esquire und mein 13-Jähriger Sohn standen bereit. Der Junge hört Musik hauptsächlich über seine guten AirPods (sic) und hat mit Gitarren nix am Hut. Aber er hört besser als ich, deswegen muss der DHL-Bote den Großteil unserer Pakete auch nicht zur Packstation zurückbringen: „Hast du nicht das Klingeln gehört, Papa?“ Nein, denn unsere Klingel hören meiner Meinung nach nur die Kids und Fledermäuse. Langer Schwede, kurzer Finn‘ – nach dem ich alle Kabel durchgespielt hatte, fragte ich den unvoreingenommenen Juror, ob er Unterschiede gehört hätte. Die Antwort kam klar und fest: „Das dreckige weiße klingt am hellsten und irgendwie lauter als die anderen zwei!“ Ich bestätigte seine Einschätzung. Der Junge ist ein verdammtes Genie.

WO LAUFEN SIE DENN?

Im Proberaum blieb es bei einem weiteren Test mit einem sehr guten Gitarrenfreund bei diesem Urteil. Das Vovox klingt klar und aufgeräumt in den Bässen und Höhen, es mulmt nicht und klingt „lauter“ als andere Kabel. Ich finde es richtig gut. Ob das andere und vor allem billigere Kabel auch so hinbekommen, kann ich nicht sagen, denn die habe ich ja noch nicht gehört. Kann gut sein, warum nicht? Ich habe das Vovox gekauft. Wie sagt mein Freund Atze Schröder immer: Warum nicht zeigen, wenn es einem gut geht? Doch damit war es noch nicht genug der Eskapaden: Da ich ja jetzt zwei Vovox-Kabel hatte, hielt ich mich an die Laufrichtung-Empfehlung des Herstellers. Das klang allerdings etwas „too much“… wir hatten den Eindruck hatten, dass die guten Klangeigenschaften sich in der Addition nicht noch besser anhörten, sondern eher umgekehrt. Also haben wir mit den Laufrichtungen der Kabel experimentiert und das beste Ergebnis für mich war: Das Kabel von der Gitarre ins Board in der Hersteller-Empfehlung und das vom Board in den Amp entgegen der vorgeschriebenen Laufrichtung.

ENTMÜNDIGT IHN!

Wer jetzt durchdreht und laut „entmündigt dieses Intelligenzvakuum“ schnaubt – bitte, tut euch keinen Zwang an. Niemand muss Vovox-Kabel kaufen oder Kabeltests machen, ich sage hier nur meine Meinung. Denn Meinungsfreiheit heißt nicht, frei von Meinung zu sein. Deswegen sei auch angemerkt: Mein Freund Dominik hatte nur Pech mit Vovox-Kabeln, ihm sind mehrere Kabel nach kurzem Einsatz kaputtgegangen. That’s life. Manche nehmen Monacor-, Harley-Benton- oder Cordial-Kabel. Klotz, Monster, Ernie Ball oder Sommer machen garantiert auch geprüfte und beliebte Produkte. Sucht euch aus, was euch klanglich am besten gefällt oder kauft meinetwegen das Billigste, wenn euch das Thema Kabel komplett an den Heckwangen vorbeigeht. Eine letzte Anmerkung: Eine andere bzw. eigene Meinung zu haben ist ok. Es gibt Menschen, die sagen „ich hör’ nix und da gibt’s auch nix zu hören.“ Es gibt Menschen, die hören Unterschiede bei Kabeln, Tonabnehmer, Amps etc.! Punkt. Wieso, warum und wem das wieviel wert ist – das darf sich jeder selbst erarbeiten. Oder auch nicht. Kein Grund, ausfallend zu werden. Wie sagte meine Oma immer: Erlaubt ist, was gefällt. Und die konnte nun wirklich nicht Gitarre spielen. ●


(erschienen in Gitarre & Bass 03/2025)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Um es hier mal ganz kurz zu machen: Ich benutze seit Jahren ausschließlich die Gitarrenkabel mit und ohne Winkelklinke,aber mit den speziellen Hicon-Steckern,-sowie solider Tweed-Ummantelung des deutschen Herstellers Sommer Cable. Damit bin ich sehr zufrieden!

    Auf diesen Kommentar antworten
  2. Soll ja jeder mit seinem Geld machen was er will. Für mich ist das okay.
    Aber aus technischer Sicht könnte man da mal genauer drauf schauen. Ich war 30 Jahre Entwicklungsingenieur und für die Verkabelung einer Baureihe eines schwäbischen PKW Herstellers verantwortlich. Kenne also all die größten Kabelhersteller aus D, Jap, und USA. Und kenne auch die Preise. Durch die riesige Menge sind die PKW-Kabel natürlich wesentlicher günstiger als die Vovox Kabel. Im PKW rechnet man 30 Cent pro Ader mit angeschlagenen Kontakten, egal wie lang die Ader ist. Wobei auch hier viel Handarbeit vorliegt.
    Interessant wäre es wenn man den elektrischen Widerstand und die Kapazitäten, Isolationsmaterial verschiedener Instrumentenkabel vergleichen würde, und ob evtl geschirmt. Denn das sind die Parameter um die es geht. Alles andere ist Voodoo.
    Die Gesamtherstellungskosten eines Vovox Instrumenten Kabels schätze ich auf max.10 bis 15 €, zzgl.Verpackung und Versand.

    Auf diesen Kommentar antworten
  3. Noch was zu Instrumentenkabel: Ich bin ja nun Rentner und fotografiere sowieso schon ewig Musiker (Album-Cover, Konzerte…). Bei einem großen schwäbischen Jazz-Festival war ich als Fotograf akkreditiert. An einem Abend war Jamiroquai der Hauptact. Wir konnten vom Fotografengraben direkt an der Bühne 3 Songs lang fotografieren. Alles prima. Die Bilder wurden veröffentlicht. Ca. 1 Monat danach bekam ich ein mail von deren klasse Bassisten Paul Turner. Er schrieb, dass ihm eins meiner Bilder besonders gefiele und fragte ob ich ihm es in voller Auflösung senden könnte. Ich dachte “klar, wer weiß was sich für ein Türchen da auf macht..” und sandte ihm das Bild kostenlos, eben in Hoffnung……
    Vielleicht 1 Jahr später entdeckte ich in einem Musikermagazin (ich meine es war GitarraBass) eine ganzseitige KLOTZ Instrumentenkabel Werbung mit meinem Bild groß von Paul Turner. Er hatte also Geld mit meinem Foto verdient. Ich habe aber nichts davon gesehen. Naja…… Vielleicht wieder ein Jahr später bekam ich wieder ein mail von ihm, dass er mein Foto gerne für ein Buch verwenden wolle. Ich antwortete, dass er das Foto verwenden darf, aber eben zu meinem üblichen Preis, und er habe ja bereits das Foto schon mal kommerziell verwendet ohne mir etwas zu kommen zu lassen. Er schrieb er muss das mit seinem Management abstimmen, und ich las nie wieder was von ihm. Wenn man aktuell auf google “Paul Turner” eingibt, wird als erstes großes Bild eben dieses Foto angezeigt.

    Auf diesen Kommentar antworten

Schreibe einen Kommentar zu Dieter Reimprecht Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.