The Rolling Stones: Stringbound-Workshop zu Keith Richards und Ron Wood
von Tom Riepl,
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Wieder ein neuer Tag, wieder eine neue Stadt. Keith Richards von The Rolling Stones steigt aus dem Flieger und murmelt: „Where am I …?“ So, erst mal einchecken, wie immer ist eine gesamte Etage im besten Hotel der Stadt gebucht und die Suite mit der günstigsten Steckdosen-Belegung ist natürlich für Keith reserviert. Der lässt sich von seinen Roadies immer eine komplette (Gitarren-)Anlage inklusive Recording-Units im Zimmer installieren, damit es bei seinen privaten After-Show-Parties auch ja an nichts fehlt.
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Ron Wood ist da schon etwas bescheidener, seine Gibson SJ- 200-Signature (eine Akustik-Gitarre!), vielleicht noch eine Strat, ein kleiner Fender-Amp hier, ein Fläschchen Wodka da, das reicht völlig, um die Nacht im Rolling-Stones-Hotel zu überstehen.
Dass beide in der berühmtesten Rock-Band der Welt spielen, ist ja wohl so klar wie der alltägliche Sonnenaufgang und auch die Biographien von Richards und Wood sind weitläufig bekannt. Deshalb soll es in dieser Folge hauptsächlich um deren Gitarren, Verstärker und Spielweise gehen.
Hot Stuff: Keith Richards
Punkt 1: Keith ist absoluter Gitarrenliebhaber und weiß selbst nicht mehr wie viele Instrumente er überhaupt besitzt. Punkt 2: Keith ohne Fender Telecaster wäre ungefähr wie Oktoberfest ohne Bier und deswegen hat er selbstredend zig verschiedene Ausführungen dieses Modells. Seine Hauptgitarre mit Namen Micawber ist eine ‘57er Telecaster, welche (wie auch die meisten seiner anderen Teles) mit einem Humbucker in der Halsposition bestückt ist. Vor einigen Jahren spielte Keith auch Music-Man-Gitarren (Silhouette) auf der Bühne, heute greift er gerne mal zur Gibson ES-345, zu einer Custom-Shop-Les-Paul oder seiner Fender Stratocaster. Er gilt
übrigens als Wegbereiter der Fender-Relic-Serie: Weil ihm seine alten Originale zu schade für das raue Tour-Leben waren und neue Modelle an ihm zu uncool aussahen, beauftragte er Fender, ihm einige abgewetzte Teles und Strats zu bauen. Und alte Gibson-Akustikgitarren (u. a. Dove, Hummingbird, J-200, L-1) liebt er natürlich auch, denn „ein echter Kerl spielt zuhause eh nur auf der Akustischen“.
Im Studio bevorzugt Keith Richards kleine Combo-Amps, wie z. B. den Fender Champ, Wells oder Silvertone. Seinen typischen, angezerrten Sound erzeugt er prinzipiell mit zwei Verstärkern (meist alte Fender-Tweed- Twins), wobei einer clean, der andere verzerrt eingestellt ist. Um die gewaltigen
Stones-Bühnen beschallen zu können, werden die Signale der oben genannten Amps durch eine externe Endstufe und Mesa/Boogie-Boxen (4×12″) geschickt. Effekte? Nur wenn’s unbedingt sein muss: MXR Phase-90, Maestro-Fuzz, Ibanez Tube-Screamer, CAE Super-Tremolo …
Ron Wood ist natürlich ebenfalls großer Gitarren-Fan und meist mit Fender Stratocaster-Modellen zu sehen, wobei die 55er Sunburst-Strat aus alten Faces-Zeiten immer noch sein Hauptinstrument ist. Ein weiteres seiner Markenzeichen ist die „Gibson SJ-200 Ron Wood Signature“, welche mit zwei Pickguards (auf beiden Seiten des Schalllochs) ausgestattet ist.
Weitere Gitarren: eine Ron-Wood-Signature-Tele von ESP, eine Duesenberg-Ron-Wood-Signature-Pearltop, eine Zemaitis und eine Fender Custom-Shop-Strat. Ronnie spielt auch Pedal Steel (Emmons), Lap Steel (Weissenborn), Mandoline (Gibson) und Sitar-Guitar. Natürlich ist das nur ein kleiner Teil seiner umfangreichen Sammlung und die echten Schätzchen lässt er mittlerweile lieber zuhause, da ihm auf Tour schon zahlreiche Gitarren gestohlen wurden.
Wood bevorzugt Fender-Amps (u. a. Fender Twin Reverbs und Blues Deluxes), bei den Stones spielt er meist über einen Vox AC-30 und einen Fender Vibro-King, welche über externe Endstufen und Mesa/Boogie-Boxen auf das richtige Volumen-Level gebracht werden. Zum Warmspielen hinter der Bühne benutzt Ronnie mit Vorliebe Gibson-Archtops (z. B. eine Super-400 oder die L-5). Effekte? Nur wenn’s unbedingt sein muss: Rat Distortion, TC-2290, Zoom 9120 …
Keith Richards and Ron Wood Jamming:
Styles: Keith Richards
Oft kann man gar nicht erkennen, wer von den beiden Stones was spielt. Das ist alles so verschachtelt, verwachsen, ineinanderfließend und bildet einfach eine Einheit: „That’s the Stones-Sound“, meint Ronnie und Keith feixt: „It’s a secret …“ Also ich glaube man kann es so sehen, dass Ronnie für die Fills und Soli zuständig ist, während Keith den Rhythm-Player gibt, der ab und zu mal ein kleines Lick, oder sogar Soli (wenn er gut drauf ist) einstreut.
Doch Richards ist mehr, als ein einfacher Rhythmus-Gitarrist, er ist – nach Chuck Berry – der unbestrittene Riff-Meister dieses Planeten. Manche Gitarristen erkennt man an ihrem Ton, an ihrem Sound, an speziellen Läufen Keith hingegen macht seinen Wiedererkennungswert mit dem Anschlag eines einzigen Akkords klar. Seine Wurzeln liegen im Blues (Robert Johnson, Muddy Waters), seine Leidenschaft und Spielweise sind purer Rock’n’Roll (Chuck Berry).
Im Laufe der Jahre ist das sog. Open-G-Tuning zu seinem Baby geworden, „weil es einfach ist, damit einen Groove zu starten“. Die tiefe E-Saite zieht er erst gar nicht auf, sondern spielt nur ein 5er-Set (low to high: G-D-G-B-D): „Mit diesem Tuning und nur 5 Saiten bekommst du dieses Klingeln, diesen extra trockenen Biss auf der Telecaster …“
Die Notenbeispiele 1 bis 3 zeigen einige markante Keith-Riffs im Open-G-Tuning, die tiefe E-Saite wird dabei einfach abgedämpft, oder (für größtmögliche Authentizität) entfernt. Ansonsten gilt: Zeigefinger drauf und los geht’s. Hat man Keiths Equipment gerade mal nicht zur Hand und will trotzdem ungefähr seinen Sound erzeugen, tut es auch ein kleiner Combo-Amp, ein Overdrive-Pedal (für moderate Anzerrung) und eine mit Singlecoil-Tonabnehmern bestückte Gitarre.
Styles: Ron Wood
Das gilt übrigens auch für Ronnies Sound, der ebenfalls ziemlich trocken, jedoch im Gegensatz zu Keiths schon etwas mehr angezerrt ist. Ronnie ist wohl der Band-dienlichste Lead-Gitarrist der Welt, immer zurückhaltend, kein Ton zuviel, die Soli kurz und beinahe unauffällig. Und auch seine Wurzeln liegen im Blues, was man seiner Spielweise deutlich anmerkt. Im Vergleich zu Keith spielt Ronnie deutlich melodiöser, weicher, und genau darin liegt ja seine Funktion bei den Rolling Stones: die Songs mit kurzen Soli, Fills und Melodien zu verzieren. Zu- sammen mit Keiths Ein-Finger-Akrobatik ergibt das dann wieder dieses geheime Gemisch (siehe oben).
Die Beispiele 4 bis 7 zeigen einige von Ronnies Licks, die er z. B. in Songs wie ,Brown Sugar‘, ,It’s Only Rock & Roll‘ und auch sonst überall verwendet. Das Double-Stop-Bending (Ziehen von zwei Saiten gleichzeitig) in Beispiel 5 wird übrigens mit dem Ringfinger ausgeführt. Ansonsten sind die Licks sehr einfach (alles Pentatonik) und bedürfen keiner weiteren Erklärung.
Was die Spieltechnik betrifft mögen sich Keith und Ronnie wohl eher im Durchschnittsbereich bewegen, aber die beiden haben etwas, das vielen (auch technisch versierten) Gitarristen einfach fehlt: Sie besitzen Stil, Erfahrung und eine riesige Ausstrahlung. Und sie bleiben sich selbst treu, Keith der ewige Rebell, der seit den 70er Jahren keine neue Musik mehr hört („alles nur Bullshit …“) und konsequent seinen Traum vom Rock’n’Roll lebt, und Ronnie, der zurückhaltende, immer nette Kerl, der nicht nur Musiker sondern auch leidenschaftlicher und hervorragender Maler ist.
Ich besuchte kürzlich eine seiner Vernissagen und kann mit Bewunderung sagen, dass seine Werke echte Klasse besitzen. Einfach faszinierend! Wer die Möglichkeit hat, sollte sich also neben den Stones auch mal Ron Woods Bilder live ansehen. Oder schalten Sie einfach auch das nächste Mal wieder ein, wenn Keith aus dem Flugzeug steigt und sich fragt: „ …?“ Genau!
Moin,Mädels! Die eigentliche Anekdote des Openers des Artikels ist übrigens , daß Keith aus dem Flugzeug steigt, grinsend ruft “Here I am !!” und dann “but where I am ??!” Gruß von Ziege.
Moin,Mädels! Die eigentliche Anekdote des Openers des Artikels ist übrigens , daß Keith aus dem Flugzeug steigt, grinsend ruft “Here I am !!” und dann “but where I am ??!” Gruß von Ziege.
many thanks! Keith forever…