Langsam wird aus der schönen Richmond wieder eine Gitarre, wer hätte das gedacht. D. h., bevor die neuen Saiten aufgespannt werden können, müssen natürlich noch die neuen Schaller-Mechaniken montiert und dann die Stegreiter am Steg gekerbt werden.
Bei der Demontage der alten Mechaniken fällt auf, dass die kleinen Befestigungsschrauben der neuen Mechaniken auf der Kopfplattenrückseite nicht in die alten Lochbohrungen passen. D. h., die Befestigungsfüßchen der neuen Mechaniken sind nach der Seite abgewinkelt, die der alten Mechaniken aber nach unten (Bild 1). Damit uns da nachher keine unschönen Löcher übrig bleiben, ist es sicherlich nicht verkehrt, diese zu verschließen. Schließlich ist das hier doch eine Gitarre, und kein löchriges Gebiss.
Dazu gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder setzen wir da einen kleinen Holzstift quasi als Implantat hinein – oder arbeiten mit etwas Holzpaste als Füllmaterial für die Löcher. Der Nachteil des Holzstift-Implantats ist der, dass der Holzmaserungsverlauf uns praktisch entgegensteht, also nicht dem Maserungsverlauf der Kopfplatte entspricht. Ergo sieht das nicht sehr prickelnd aus und bereitet auch noch mehr Mühe. Also Holzpaste – das zahlt die Kasse! Die Firma Clou macht so was in guter Qualität und vielen Farben, das Zeug gibt es zudem in jedem Baumarkt für kleines Geld. Die Paste wird einfach mit einem zum Spachtel zweckentfremdeten flachen Schraubenzieher in die Lochbohrungen rein gedrückt. Danach mit dem angefeuchteten Finger schön verteilen und glatt streichen. Nachdem die Holzpaste getrocknet ist, lassen sich die auf der Oberfläche verbliebenen Reste einfach mit einem gut angefeuchteten Papiertuch entfernen (siehe Bild 2).
Diese Holzpasten werden zwar in unterschiedlichen Farbtönen angeboten, aber selten in denen, die man tatsächlich braucht. Außerdem trocknet eine angebrochene Tube sehr schnell aus und wird dadurch schon bald unbrauchbar. Daher färbe ich lieber eine helle Holzpaste nach dem Trocknen. Für die Richmond also schnell etwas von meinem roten und braunen Farbextrakt gemischt, um damit in etwa die Lackfarbe zu erreichen und dann vorsichtig aufgetupft (siehe Bild 3). Wer solche Farbextrakte nicht hat, kann sich auch mit einem Filzstift behelfen. Die verlieren zwar nach einiger Zeit ihre Farbwirkung, ist aber besser als nichts.
Damit das Ganze auch auf Dauer hält (Paste ist wasserlöslich), beschichte ich die verschlossenen Lochbohrungen mit einem winzigen Tropfen eines ganz dünnen Sekundenklebers, quasi als Lackersatz. Das sollte für die grobe Kosmetik reichen (siehe Bild 4). Restlos spurenfrei wird man den Tausch der Mechaniken eh nicht hinbekommen, denn die alten Mechaniken hatten sich hier recht tief in den Lack der Kopfplatte hineingedrückt. Wären die Druckstellen nicht so stark und die Lackschicht dick genug, hätte man prinzipiell die Kopfplatte auch schleifen und polieren können, um Löcher und Druckstellen unsichtbar zu machen. Aber wir wollen ja hier nicht dem kompletten Perfektionismus zum Opfer fallen.
Jetzt können wir die neuen Schaller-Mechaniken montieren und diese richtig positionieren. Dann die Löcher für die Befestigungsschrauben mit einem kleinen Bohrer vorsichtig vorbohren. Diese Schrauben bitte nie ohne vorzubohren einschrauben, denn sie brechen erfahrungsgemäß gerne mal ab! Ich arbeite die Bohrlöcher auch noch mit einem kleinen Senker etwas auf. Damit stößt die Schraube nicht an den Lack und kann dort somit auch keine Lackrisse verursachen. Etwas Fett in das Loch oder an die Schrauben, dann passiert nichts Unvorhergesehenes. (Bild 5 und 6)
Nun sollten wir die Kontermutter an der Kopfplattenvorderseite mit einem 10er Schlüssel und dem nötigen Gefühl anziehen. (Bild 7) Die Schaller-Mechaniken können im Gegensatz zu fernöstlichen Dünnblechmechaniken durchaus etwas fester angezogen werden. Trotzdem Vorsicht, denn nach fest kommt ab.
Manche Gitarren sind im Gegensatz zu unserer Richmond von Haus aus mit Vintage-Mechaniken (Kluson-Typen oder ähnliche) ausgestattet. Diese Mechaniken brauchen keine große Bohrung mit 10 mm Durchmesser, sie kommen mit einer knappen 9-mm-Bohrung aus (siehe Bild 8). Will man bei einem solchen Instrument moderne Mechanik-Typen montieren, muss die Lochbohrung zuerst auf 10 mm vergrößert werden. Das ist eine etwas diffizile Angelegenheit. Bitte der Gitarre niemals mit einem 10-mm-Bohrer und der Bohrmaschine zu Leibe rücken.
Das geht mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit schief, denn der Bohrer wird sich im Bohrloch verkanten, wobei allerlei Unfälle passieren können. Dass auf der Kopfplattenvorderseite ganz böse Holz herausgerissen werden kann, ist dabei noch das kleinere Schreckensszenario. Also das Loch schön langsam per Hand mit einer Reib-Aale auf den richtigen Durchmesser vergrößern und anschließend mit dem Schleifeinsatz einer Minibohrmaschine (Dremel/Proxon) nacharbeiten. Auch praxisgerecht und Gitarren-schonend ist die Arbeit mit einem dreischneidigen Senker mit 10 mm Durchmesser, wie er z. B. von Göldo in deren Werkzeugsortiment angeboten wird.
So, jetzt können wir das Bastelstück wieder zur Gitarre machen: also Saiten aufspannen. Denn schließlich sollen jetzt die Stegreiter gekerbt werden. Das ist gar kein so einfaches Unterfangen. Denn setzt man eine Feile an den noch blanken Stegreiterchen an, verrutscht diese schon mal gerne nach der Seite, noch bevor die erste Kerbe richtig im Material drin ist und schon stimmt die dann gefeilte Saitenführung nicht mehr. Also benutze ich seit Jahren einen kleinen Trick, den mir in grauer Vorzeit mal Altmeister Bill Lawrence verraten hat. Dazu stelle ich zuerst alle Saitenreiterchen bis an den hinteren Anschlag. Dann werden die Saiten auf den Reiterchen soweit hin- und hergeschoben, bis der Saitenverlauf über den Hals (Abstand der E-Saiten zur jeweiligen Griffbrettkante) sowie der Abstand von Saite zu Saite stimmt. Für letzteres ist eine Schieblehre ganz praktisch, mit welcher wir die Abstände von Saitenmitte zu Saitenmitte messen (siehe Bild 9).
Sind die Positionen ermittelt, legen wir das Instrument so auf den Tisch, dass der Korpus flach aufliegt. Dann mit dem Hammer sechs kurze und wohldosierte Schläge auf die jeweilige Saite geben, die daraufhin eine wunderschöne Kerbe in das Reiterchen macht (Bild 10). Allerdings ist die Saite dann an dieser Stelle auch hinüber. Da wir aber die Saitenreiter bei den später noch folgenden Einstellungsarbeiten weiter nach vorne stellen müssen, ist der defekte Teil hinter dem Auflagepunkt und damit nicht mehr besonders relevant. D. h., wir müssen den Saitensatz nicht gleich wieder wegschmeißen!
Die jetzt entstandene Kerbe lässt sich nun mit einer Feile perfekt auf Saitendurchmesser nacharbeiten. Ich verwende dafür einen Satz alter Sattelfeilen. Zur Not könnte man auch eine schlanke Dreikantfeile nehmen. Beim Feilen ist darauf zu achten, dass nach hinten zum Saitenhalter leicht schräg nach unten gefeilt wird (Bild 11). Denn schließlich soll die Saite am vordersten Ende des Saitenreiters aufliegen und möglichst keinen Sitar-Sound erzeugen.
Dazu gehört auch eine kleine Abrundung nach hinten und vorne, damit keine scharfe Kante zurückbleibt, an welcher die Saiten womöglich reißen könnten. Das war, wenn wie uns erinnern, auch einer der ursprünglichen Kritikpunkte an dieser Gitarre. Die ganz feine Abrundung mache ich am liebsten mit einer superkleinen und sehr feinen Rundfeile – einem sogenannten „Mäuseschwänzchen“. Die gibt es z. B. beim Großhändler GEWA. Ob wir perfekt gearbeitet haben, lässt sich am einfachsten mit dem Fingernagel prüfen, mit dem wir durch die Kerbe fahren. Auf diese Art und Weise lässt sich ganz einfach feststellen, ob da noch ein winziger scharfkantiger Widerstand zu spüren ist.
In der nächsten Folge kümmern wir uns um Elektronik und Pickups.