Heute geht’s an das Eingemachte: Neue Bünde braucht das Land – äh … diese Gitarre. Wie in den vorangegangenen Folgen dieser Artikelreihe schon erläutert, hätte G&B-Leser Reinhard gerne anstelle der relativ kleinen Kinder-Bünde, die zudem aus relativ weichem Puddingmaterial sind, richtig erwachsene Männer-Bünde. Sprich Jumbos in der Ausführung 6100 von Dunlop. Diese sind noch nicht völlig übertrieben groß und auch nicht so ultrabreit wie manche andere Superjumbo-Formate.
Sie versprechen also neben einer prima Bespielbarkeit auch noch eine akkurate Auflagefläche der Saiten für eine akzeptable Intonation. Damit dürfte Reinhard viel Spaß haben, denn große Bünde ist er von seiner bisherigen Lieblingsgitarre, einer Ibanez, gewohnt. Wer sich jetzt fragt, ob sich bei ihm (d. h. bei seiner Gitarre) auch eine Neubundierung lohnt, sollte folgendes abwägen: Gefallen mir die bisherigen Bünde oder hätte ich gerne etwas anderes? Scheppern einzelne Töne besonders stark und könnte das an einer mangelhaften Bundierung liegen, bei der sich u. U. einzelne Bünde aus dem Bundschlitz herausheben? Scheppern die Saiten an mehreren Bünden innerhalb eines bestimmten Bereiches des Griffbretts, könnte ein mehr oder weniger stark verzogener Hals die Ursache sein? Im Rahmen einer Neubundierung lässt sich so ein Verzug oft ausgleichen oder zumindest stark abmildern. Sind die Bünde an einigen Stellen schon stark ausgespielt, zeigen tiefe Kerben oder sind durch viel Saitenziehen flach gehobelt worden, so kann auch das mit einer Neubundierung wieder repariert werden. Dadurch wird das Instrument für viele weitere Jahre bestens bespielbar gemacht.
Rechnet man diesen großen Kundendienst auf die Nutzungsdauer oder Spielstunden um, ist diese Investition nun wirklich kein außergewöhnlicher Luxus. Ob im Einzelfall das bloße Abrichten der Bünde bereits ausreicht oder ob neue Bünde der bessere Rat wären, sollte man anhand der vorhandenen Substanz mit dem Gitarrenbauer besprechen. Auf jeden Fall kann ich an dieser Stelle schon mal versichern, dass so gut wie jede Gitarre durch das Abrichten der Bünde in der Bespielbarkeit, der Saitenlage und einer geringeren Neigung zum Scheppern enorm verbessert werden kann.
Klar kosten neue Bünde oder auch nur das Abrichten der vorhandenen Bünde Geld, manchmal sogar mehr, als die Gitarre in Euro und Cent wert ist. Aber man bekommt sein eigenes und lieb gewonnenes Instrument in einer Qualität zurück, die es vielleicht vorher nie hatte. Zumindest wenn diese Arbeit ein Gitarrenbauer macht, der kompetent ist und Spaß an Fretjobs hat.
Bünde neu!
So, jetzt wollen wir mal sehen, wie so eine Neubundierung geht und was dabei gemacht wird. Zunächst einmal müssen die Bünde raus. Dazu habe ich eine Kneifzange (der Schwabe sagt Beißzange dazu) so modifiziert, dass mit ihr die Bünde direkt am Griffbrett angepackt und vorsichtig herausgehebelt werden können. Da die Bundfüße an den Seiten kleine Widerhacken haben, muss man dabei recht vorsichtig sein, damit möglichst wenig Griffbrettmaterial mit herausgehebelt wird. Erwärmt man die Bünde mit einem Lötkolben, bekommt man selbst widerspenstigste oder eingeleimte Bünde mit Leichtigkeit heraus. Denn unter Wärme lösen sich die meisten Klebstoffe, das Holz ist nachgiebiger und splittert weniger.
Nachdem alle Bünde entfernt sind, müssen zwingend die Kanten der Bundschlitze bearbeitet werden. Denn schließlich sollen an diesem Instrument auch zukünftige Bundierungen den Kollegen nicht den Angstschweiß auf die Stirn treiben. Dazu werden die Bund-Kanten mit super-dünnflüssigem Sekundenkleber präpariert. Dieser Klebstoff hat die Eigenschaft, sich ganz allein, bedingt durch die Kapillarwirkung, bis in die aller-kleinsten Ritzen und Splitter zu verteilen und bietet somit eine gute Grundlage, das Griffbrett weiter zu bearbeiten. Nachdem der Klebstoff getrocknet ist, wird das Griffbrett mit relativ grobem Schleifpapier geschliffen und somit gesäubert. Anschließend muss das Griffbrett über seine gesamte Länge hinweg sauber abgerichtet werden. D. h., wenn der Hals leicht verzogen ist, kann dieser Verzug jetzt ganz einfach herausgeschliffen werden. Bei den meisten Instrumenten ist der Bereich der letzten Bünde, also da, wo der Hals in den Korpus übergeht, zu hoch (Saiten scheppern bis zum letzten Bund). Das kann man bei dieser Gelegenheit korrigieren.
Dann werden die Bundschlitze gesäubert. Dafür verwende ich eine kleine, an der Sägefläche geschwungene japanische Säge und ein Tool zum auskratzen. Während diese Arbeit bei einem Instrument ohne Binding eine einfache Angelegenheit ist, muss man bei Instrumenten mit Binding schon höllisch aufpassen, selbiges nicht aus Versehen durchzusägen. Danach wird das Griffbrett fein geschliffen und zwar bis hinauf zum 600er Schleifpapier. Klar erschweren Griffbretteinlagen diese Arbeit etwas. Auch muss man beim Abrichten der Bünde die Beschaffenheit der Griffbretteinlagen und deren Dicke im Auge behalten.
Bei dieser Richwood handelt es sich nicht um echtes Abalone, das aus der Gehäuseschale einer Seeschnecke gewonnen wird, sondern um ein Material, für das echtes Abalone in hauchdünne Scheibchen geraspelt und das Ganze zusammen mit Epoxydharz zu größeren Platten gepresst wird. Dieses sogenannte Abalam sieht dann meist spektakulärer aus als echtes, massives Abalone. Allerdings merkt man auch beim Schleifen von diesem Material, dass man schnell durch die einzelnen hauchdünnen Schichten durchschleift. Nach dem Polieren sieht aber alles wieder gut aus – und nichts anderes passiert in der Fabrik während des Herstellungsprozesses auch.
Im nächsten Schritt werden die neuen Bünde vorbereitet. Also 22 Stück von der großen Rolle abschneiden! Eine kräftige Zange leistet gute Dienste, denn das Bundzeug ist hart! Ist der Radius der Bünde größer als der Griffbrettradius, müssen die Bünde nachgebogen werden, damit sie beim Einsetzen keine Probleme bereiten. Da die Randeinfassung des Griffbretts dem Bundfüßchen im Weg steht, wird einfach das Bundfüßchen mit einer Zange rechts und links abgeknipst. Früher musste ich dazu noch die Bünde im Schraubstock einspannen und mit der Feile die Bundfüße abfeilen – also ein Hoch auf den Erfinder dieser Zange!
Dann kommt in jeden Bundschlitz eine Portion dickflüssigen Sekundenklebers, anschließend werden die Bünde mit Hilfe eines unten im Griffbrettradius gewölbten Eisens und eines Hammers eingedengelt. Hierbei ist natürlich wichtig, dass nicht wild darauf herum gehauen wird, sondern mit äußerster Vorsicht und mit gezielten Hammerschlägen, die möglichst nicht zurückfedern sollten, gearbeitet wird. Ganz prima Dienste erweist hier mein handgefertigter japanischer Hammer aus Mehrlagen-Stahl – jawohl der Voodoo hört bei Gitarren noch lange nicht auf 😉
Die Bundenden werden an der Griffbrettkante nochmals gesondert verklebt. Denn ab jetzt müssen die Bünde unter allen Umständen dort bleiben und die dünne E-Saite darf sich nicht darunter verhacken können. Dann werden die überstehenden Enden abgeschnitten und mit einer Feile bis an die Griffbrettkante heran geschliffen. So, die halbe Arbeit ist jetzt erledigt und die Bünde sind nun mit dem Abrichten dran. Doch mein Platz für diese Folge ist hier zu Ende, das ach so wichtige Abrichten der Bünde werde ich in der nächsten Folge detailliert beschreiben. Stay tuned.
“…Angstscheiß auf die Stirn treiben” ? Stark gesagt 🙂
Deinem wachsamen Adlerauge sei Dank! Nun ist das Wort zwar nicht mehr so unterhaltsam, dafür aber korrekt 😉 Grüße aus der Redaktion!