Workshop
Solo Basics: Autumn Leaves – Chords, Comping, Walking Bass
von Wolfgang Kehle, Artikel aus dem Archiv
(Bild: Shutterstock / Gansstock)
‚Autumn Leaves‘, einer der bekanntesten Jazz-Standards überhaupt, geht zurück auf ein Gedicht von Jacques Prévert mit dem Titel ‚Les Feuilles Mortes‘, das Joseph Cosma 1945 vertonte.1950 schrieb Johnny Mercer einen englischen Text und nannte den Song ‚Autumn Leaves‘.
Eine Instrumentalversion des Pianisten Roger Williams erklomm 1955 die Spitze der US-Charts. Auch viele namhafte Sänger wie Bing Crosby, Nat King Cole, Doris Day und Frank Sinatra interpretierten den Song. Und bald entdeckten zahlreiche Jazz-Musiker das harmonische Potential der 32-taktigen AABA-Form.
Von den weit über tausend Interpretationen empfehle ich als Einstiegsdroge Cannonball Adderleys Version auf dem 1958er-Album ‚Somethin‘ Else‘ mit Miles Davis als Sideman und die Aufnahme des Piano-Trios von Bill Evans (‚Portrait in Jazz‘, 1959).
Wir beschäftigen uns zunächst mit den beiden identischen achttaktigen A-Teilen der Form. Die Takte 1-4 und 5-8 bestehen aus Stufenakkorden in Bb-Dur:
Wer diese Kolumne schon länger verfolgt, wird schnell feststellen, dass wir es hier mit einer II-V-I-Verbindung in Bb-Dur zu tun haben, an die als vierter Takt noch Ebmaj7 angefügt wurde.
In den Takten 5-8 wechseln wir dann zur parallelen Molltonart von Bb-Dur, also nach G-Moll:
II-V-I-Verbindungen in Moll waren auch schon ein Thema dieser Kolumne.
Als Einstieg in den Song sind natürlich Akkorde absolute Pflicht. Beispiel 1 zeigt vier gutklingende Varianten. Bei „Common Tone“ ist die jeweils höchste Note der Akkorde immer die gleiche. „Drop 2“ zeigt die Variante aus dem Jazz-Lehrbuch. „Tensions“ klingt durch viele Optionstöne sehr farbig. Und bei „Mike Stern“ ist der Name Programm.
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Eine bei Jazz-Gitarristen sehr beliebte Technik ist die Kombination einer Walking-Bass-Line mit Akkorden. Beispiel 2 zeigt diese Technik für die ersten 16 Takte von ‚Autumn Leaves‘. Dabei wird die Bass-Linie mit Abschlägen des Daumens gezupft, die Akkorde werden mit Zeige-, Mittel- und Ringfinger angeschlagen. Alternativ ist auch Hybrid-Picking möglich. Am besten übt man zunächst nur die Basslinie mit dem angegebenen Fingersatz und fügt, wenn das gut klappt, die Akkorde ein.
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Die ersten acht Takte von ‚Autumn Leaves‘ standen auch Pate für Rocksongs wie ‚Europa‘ von Carlos Santana und ‚Still Got The Blues‘ von Gary Moore. Beispiel 3 enthält eine Begleitung für Garys Song, für die ‚Autumn Leaves‘ allerdings nach C-Dur/A-Moll transponiert wird. Die Takte 1-6 verwenden übrigens unsere jazzigen „Tension“– Chords aus Beispiel 1. Klingt super. Und in Beispiel 4 sehen wir die zentralen Noten aus Garys Thema, hier wechseln die Chord Tones immer von der Terz zur Quint. Dass Gary von einem deutschen Gericht des Plagiats beschuldigt wurde und den Prozess schließlich verlor, ist ein Justiz-Skandal erster Güte. Mit der Arpeggio-Studie aus Beispiel 5 steigen wir ein in das Thema Improvisation. Viel mehr zu diesem Thema dann in der nächsten Folge!
(erschienen in Gitarre & Bass 10/2024)
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