Drei Folgen lang beschäftigen wir uns jetzt schon mit der offenen G-Stimmung und nach einem Haufen Licks und Übungen wird es Zeit, die ganzen Phrasen und Tricks auf ein Stück anzuwenden. Hier ist es!
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Alligator
Als Anwendungsbeispiel dient mal wieder ein Song aus meiner Feder. ,Alligator‘ ist ein eingängiges Stück im New-Orleans- Groove, das 1999 auf meinem ersten Solo- Album ,The Blues & Some Other Stuff‘ erschienen ist. Eingespielt wurde es damals mit einer 1979er Tele über einen Custom- Amp der Firma Ampire, den mir ein Freund in den Neunzigern gebaut hatte. Die Begleit-Band bestand aus Christoph Herder am Bass, Jens Biehl am Schlagzeug und Thilo Zetzmann am Fender Rhodes. Für das Playalong kam eine 1977er Strat zum Einsatz und statt des stark verzerrenden Topteils habe ich jetzt einen Fender Blackface Deluxe mit einem Lovepedal COT 50, Zvex Distortron und einem Fulltone Supa Trem verwendet.
In Beispiel 1 siehst du die Akkorde der Rhythmusgitarre. Bis auf das Ende des BTeils besteht das ganze Stück nur aus den Akkorden G, C und D, also der klassischen I-IV-V-Kadenz, die sowohl bei Mozart, Johnny Cash und im aktuellen Popsong immer wieder Anwendung findet. Der Anschlags- Rhythmus ist auch von Bo Diddley bekannt, wird aber in der Originalaufnahme von der Band etwas jazziger und funkiger gespielt. Für das Playalong habe ich ein durchgehendes Pattern gewählt, das man sowohl in Open-G-Tuning als auch auf einer normal gestimmten Gitarre gut anwenden kann. In der offenen Stimmung kann man alle Akkorde mit einem Barré mit dem ersten Finger gut greifen. Die Akkorde liegen dann an folgenden Bünden:
G XII
C V
D VII
F X
Bb III
Auf einer regulär gestimmten Gitarre würde ich Barré-Akkorde über sechs Saiten empfehlen, denn mit diesen lassen sich die Ghostnotes am besten ausführen.
In der Melodie aus Beispiel 2 finden die verschiedenen Konzepte Anwendung, die du in den Licks aus den letzten Folgen kennengelernt hast. Im Intro folgst du den Akkorden der Rhythmusgitarre mit einem Lick aus der Barré- Position.
Vor dem Auftakt zum Thema kommt mit dem Keith-Richards- Vorhalt C/G ein typisches Open-G-Klischee zum Einsatz. Das Thema selbst beginnt mit einer Phrase aus der G-Dur-Pentatonik. Anschließend bewegst du dich nur auf der hohen E-Saite nach oben. Ab Takt 4 des ATeils spiele ich zwischen die Melodie immer kleine Akkordeinwürfe, was den Slide-Part etwas orchestraler und fetter klingen lässt. Am Ende von Takt 4 beginnt dann ein Frage/Antwort-Lick. Auf die G-Dur- Pentatonik-Phrase in der Leersaitenposition folgt eine akkordische Antwort auf den Bass-Saiten.
Der B-Teil basiert eigentlich nur auf einem Shape. Der Double Stop auf E- und H-Saite wird auf die jeweiligen Akkorde verschoben und in der Position melodisch umspielt. Am Schluss des B-Teils verlasse ich die reine Dur-Tonalität und bringe mit dem F- und Bb-Dur Akkord etwas harmonische Farbe ins Spiel, die sich auch in der Melodie widerspiegelt: das F klingt nach Mixolydisch, während das Bb den Sound von Blues-Tonleiter bzw. Moll-Pentatonik ins Spiel bringt. Mit dem D-Dur-Akkord geht’s dann wieder zurück in die Dur-Farbe und den letzten A-Teil.
Locker bleiben
Trotz des unterschwelligen Blues-Feelings sollte ,Alligator‘ nicht zu aggressiv gespielt werden. Schlag die Töne lieber etwas sanfter an als bei einem richtigen Blues und nähere den Sound etwas an eine Steel-Gitarre an! Für die Double-Stops auf der E und H-Saite und die Akkorde verwende ich meistens ein Hybrid-Picking, aber du kannst natürlich auch alle Noten mit dem Plektrum oder nur mit den Fingern spielen und so deine eigene Version des Songs erzeugen. Hauptsache du hast Spaß beim Einstudieren des Themas!
In der nächsten Folge beschäftigen wir uns dann mit dem Solo und ein paar Improvisationskonzepten über die Solo- Akkordfolge.