Ich hoffe, das Thema des Songs ,Alligator‘ sitzt, denn diesmal beschäftigen wir uns mit dem, was nach der Melodie passiert: der Improvisation. Ich habe ein komplettes Solo notiert, das nur über den Akkordvamp G/C läuft. Improvisationskonzepte
Die Akkordfolge ist recht simpel und besteht nur aus zwei Akkorden, die aus G-Dur stammen: G (I. Stufe) und C (IV. Stufe). In der Begleitung werden diese nur als Dreiklänge gespielt, was bei der Auswahl der Skalen einiges an Spielraum lässt. Möglichkeit 1: Ich improvisiere in G-Dur. Das ist harmonisch korrekt, passt aber nicht wirklich zum bluesigen Charakter des Songs. Besonders die große Septime F# klingt für mich nicht sehr überzeugend. Möglichkeit 2: Ich interpretiere die Akkorde als Septakkorde G7 und C7 und spiele G-Mixolydisch und C-Mixolydisch. Möglichkeit 3: Ich interpretiere den G-Dur immer als Septakkord und wechsele beim C zwischen großer und kleiner Septime, je nach Tonleiter die ich einsetze. Das lässt die meisten Möglichkeiten offen und bietet viele Klangfarben. Folgende Tonleitern stehen dann zur Verfügung:
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G-Dur-Pentatonik über G und C
G-Moll-Pentatonik über G und C
G-Mixolydisch über G
C-Mixolydisch über C
Teilweise kombiniere ich auch Töne dieser Skalen in einem Lick. Am besten macht ihr euch zuerst mit den einzelnen Tonleitern vertraut und schaut dann, welche Töne sie unterscheiden oder gemeinsam haben. Oft reicht ein geänderter Ton aus, um einem Lick eine andere Klangfarbe zu geben.
Das Solo
Der Soloanfang greift das Thema auf und ist straight in der G-Dur-Pentatonik. In Takt 2 benutze ich das Akkord-Shape für C am 5. Bund und setze die kleine Septime ein – was C-Mixolydisch ergibt. Takt 3 bis 8 ist dann in G-Mixolydisch. Am Ende dieses Abschnitts (Takt 7) nähere ich die Akkord- Töne E und G des C-Dur-Akkords chromatisch an. Anschließend wechsele ich in die G-Moll-Pentatonik. Takt 9 bis 15 stammen komplett aus dieser Skala, allerdings spiele ich die Moll-Terz immer leicht sharp, was den berühmten bluesigen Sound zwischen Dur und Moll ergibt. In Takt 16 gehe ich mit Tönen aus C-Mixolydisch auf der G-Saite nach oben und lande wieder in G-Mixolydisch. Takt 20 beruht wieder auf dem C-Akkord-Shape. Danach gibt es ein rhythmisch interessantes Pull- Off-Lick in G-Mixolydisch, das auf einem Dreier-Verschieber beruht. Aufgelöst wird diese Phrase mit einem Lick in der Leersaiten- Position, das aus der Moll-Pentatonik stammt.
Der Schluss des Solos beruht wieder auf den Akkord-Shapes für G (12. Bund) und C (5. Bund). Hier kannst du gut hören, wie man mit verschiedenen Tönen den Klang stark ändern kann: Über den G-Dur kommt neben den Akkordtönen die Sexte E und die Quarte C zum Einsatz, was recht fröhlich und Country-artig klingt. Über C-Dur spiele ich einmal die Quinte des Akkords (G) und am Ende die Septime (Bb). Das G klingt sehr harmonisch, während das Bb etwas dreckiger und bluesiger daherkommt. Das ist auch ein guter Ansatz, um die verschiedenen Sounds der Tonleitern kennenzulernen. Kombiniere zuerst mal den Dreiklang mit der Sexte – das gibt einen Dur/Dur-Pentatonik- Sound. Dann ersetze die Sexte durch die Septime, das klingt mehr nach Mixolydisch.
Nicht zu viel denken
Was in der Analyse etwas anstrengend klingt, ist in der Praxis gar nicht so kompliziert. Ich wechsle beim Improvisieren mit der Slide-Gitarre oft zwischen lickartigen Passagen in einer bestimmten Griffbrett- Position und eher vertikal angelegten Tonleiter-Ausschnitten, die ich oft auf einer Saite spiele. Die Tonleiter-Passage dient dann oft nur der Verbindung zweier Licks. Wichtig ist auch die Phrasierung.
Würde man alle Licks des Solos mit einem cleanen Keyboard-Sound hören, klängen einige Töne sicherlich falsch oder zumindest gewöhnungsbedürftig. Fügt man aber Vibrato, Slides und Blue Notes dazu, wird die Melodie so überzeugend, dass auch harmonisch spannungsreiche Töne gut und richtig klingen. In der nächsten Folge geht es dann mit ein paar Tipps zu Equipment und Einstellungen von Gitarren und Amp für den Slide- Gitarren-Sound weiter.