Singer-Songwriter-Workshop: Teil 3 – Das Leben in vier Akkorden
von Andreas Schulz,
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Gibt es ein Rezept für Akkordfolgen, die zuverlässig zum Hit werden? Keine Ahnung. Aber es gibt eine Gruppe von vier Akkorden, die uns allen immer wieder über den Weg läuft, sei es als kompletter Song oder als harmonische Hookline eines Song-Abschnitts.
Vorsicht: In dieser Folge geht es auch um Harmonielehre. Harmonielehre „light“ zum Glück. Denn Singer/Songwriter leben ja von der Inspiration des Augenblicks und möchten keinesfalls in die Niederungen der Musiktheorie abtauchen. Nach meiner Erfahrung hat allerdings etwas Fachwissen – gut dosiert und ansprechend praktisch aufbereitet – noch niemandem geschadet.
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I-IV-V-VIm
Eine Tonart umfasst sieben Basisakkorde, die Stufenakkorde. Man erhält sie, indem auf jedem Ton der Tonleiter ein in Terzen geschichteter Dreiklang aufgebaut wird. Das Gute: Die Struktur, also auf welche Stufe Dur- oder Mollakkorde fallen, ist in allen Tonarten gleich. Als Gitarre spielender Singer/Songwriter reicht es aus, sich mit fünf (von 12) Tonarten auseinanderzusetzen: C-, G-, D-, A- und E-Dur.
Von den erwähnten sieben Stufenakkorden kommen vier auffallend häufig vor. Es sind die Stufen I, IV, V und VI. Es gilt: I, IV und V sind Durakkorde, Stufe VI ist ein Mollakkord. Daher schreibt man oft auch: VIm. Dieses Akkordquartett ist unser Thema, als Übersicht dient die folgende Tabelle, wo ihr in den fünf typischen Gitarrentonarten diese Chords findet.
Stufenakkorde I – IV – V – VIm
I
IV
V
Vim
C
F
G
Am
A
D
E
F#m
G
C
D
Em
E
A
B
C#m
D
G
A
Bm
four-chord-mania
Um euch einige Beispiele für die Möglichkeiten dieses Vier-Akkorde-Geschehens zu geben, habe ich für jede Tonart eine Abfolge notiert. Die Reihenfolge der Akkorde variiert dabei; außerdem sollte man wissen, dass auch die VI. Stufe (und nicht nur die I.) manchmal als tonales Zentrum dienen kann. Dass man natürlich über verschiedene Anschlagmöglichkeiten und Rhythmen jede Menge musikalische Abwechslung aus dem Akkordquartett herausholen kann, werdet ihr beim Nachspielen merken.
Beispiel 1 benutzt die Anfangsakkorde des Beatles-Klassikers ‚Let it be‘, zunächst notiert als lockeres Strumming-Pattern, dann als zweitaktige Fingerpicking-Figur, die das Pianomotiv des Originals aufgreift. Akkordfolge ist hier I-V-VIm-IV in C.
Beispiel 2 zitiert einen typischen Sound der Band Police – denkt etwa an einen Song wie ‚Every Breath You Take‘. Wir sind in G-Dur und spielen die Folge I-VIm-IV-V, zunächst als abgedämpftes Achtel-Pattern, dann als Arpeggio-Figur, inspiriert vom Klang von Andy Summers’ Motiv des Originals. Dieses Arpeggio-Muster könnt ihr mit Fingern oder mit dem Plektrum anschlagen. Der Dadd11-Griff ist sehr einfach: Nur den gewohnten C-Dur zwei Bünde höher schieben und die leere g-Saite beibehalten.
Durch die hier verwendeten Akkorde mit Zusatztönen wie sus2, m9, add9 und add11 entsteht ein komplexer und fast jazziger, in jedem Fall aber farbenprächtiger Klang – solche Voicings können die eigenen Songs entscheidend bereichern und nach vorn bringen.
Das folgende Beispiel 3 in D-Dur repräsentiert die Akkordfolge I-IV-VIm-V und benutzt als rhythmische Basis ein lockeres 16tel-Strumming-Pattern, das ihr in vielen Songs von James Blunt hören könnt, etwa in seinem ersten großen Hit ‚You’re Beautiful‘ – übrigens ein Song, der in weiten Teilen ebenfalls mit unseren vier Hauptakkorden auskommt. Blunt spielt ihn in klingend Eb-Dur und benutzt dazu einen Capo im VIII. Bund – dann kann er nämlich angenehm einfach mit den simplen Akkordgriffen aus G-Dur spielen. Unsere Akkordfolge zeigt einmal mehr, dass man mit einfachen Mitteln interessante Klänge erzeugen kann: Der Bm wird durch einfaches Hochheben des 2. Fingers mit der None verziert (Bsus2), der Akkord A (= V. Stufe) wird zuerst als braver A-Dur, dann als A7sus4 gespielt.
Unser Beispiel 4 in A-Dur zeigt, dass der Vier-Akkorde-Trick auch funktioniert, wenn mal nicht der Grundton im Bass liegt – wie hier bei E/G# (E über Gis) oder F# m/C# (Fis-Moll über Cis). Außerdem lernt ihr hier einen von vielen Singer/Songwritern bei Strumming-Begleitungen gern genutzten Effekt kennen, nämlich das durchgehende Mitklingen der beiden hohen Saiten h und e.
Fehlt noch E-Dur: Hier habe ich in Beispiel 5 eine neue Fingerpicking-Idee mit Open-String-Chords skizziert. Interessant ist hier neben den Akkorden auch die Anschlagtechnik mit Mehrfachanschlägen von Daumen und Zeigefinger. Diesmal bildet der Akkord der VI. Stufe – C# m – das tonale Zentrum.
Die Sache mit den vier Akkorden ist nicht auf das Singer/Songwriter-Genre beschränkt, auch gestandene Rocker bedienen sich hier. Zum Beispiel Bon Jovi: Der Refrain von ‚It’s My Life‘ benutzt unsere Chords in Eb-Dur bzw. C-Moll, der Akkord der V. Stufe kommt einmal mit der Terz im Bass (Bb/D), einziger Ausrutscher ist der G/B am Ende der Phrase – eine klassische Dominante zurück zum Cm (siehe Beispiel 6).
Wenn ihr mehr Infos zu diesem Thema möchtet, hilft eine Online-Suche nach „four chord songs“. Zum Abschluss seht ihr hier noch eine beeindruckende vier-Akkorde-Improvisation von Ed Sheeran höchstpersönlich.
Stay tuned: In der nächsten Folge schauen wir uns gemeinsam an, welches Equipment das Leben des Gitarre spielenden Sängers einfacher macht.