Herzlich willkommen zu einem Repair-Talk-Zweiteiler, der sich damit beschäftigt, verschiedene Vibrato-Systeme und ihre Funktionsweisen vorzustellen. Anders als in den vorangegangenen Repair Talks kommen jedoch Systeme auf die Werkbank, die nicht auf klassischen Vibrato-Gitarren (Fender-style) zu finden sind.
Viele Gitarren, die klassisch non-Vib sind, gibt es auch mit entsprechenden Systemen ausgerüstet als Vibrato-Variante. Vielleicht denkt ja der eine oder andere Spieler einer non-Vib-Version daran, sein Instrument aufzurüsten. Diesen Tunern aber auch den aktiven Nutzern dieser Systeme soll dieser Zweiteiler etwas Vertrautheit durch das Durchleuchten der verschiedenen Typen vermitteln.
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AM ANFANG WAR ALLES SIMPEL
Als erster Kandidat legt sich ein Maestro Vibrola (Abb. 1) auf die Werkbank. Hier in der langen Version sieht es alleine schon durch seine Größe und die gediegene Form imposant aus. Durch das Lösen von vier kleinen Schrauben kann der trapezförmige Deckel abgehoben werden. Es offenbart sich recht simple Technik. Der vordere Teil ist das eigentliche Vibrola. Der hintere Teil hat keine statische Funktion und keinen Einfluss auf die Tonhöhenmodulation. Diese übernimmt der vordere Teil (Vibrola kurz/Abb. 2).
Dort sitzt ein Saitenhalter auf einer gebogenen Stahlfeder. Der Saitenzug bringt den Saitenhalter in Position. Der Vibratohebel sorgt beim Betätigen dafür, dass der Saitenhalter mit der Feder kippelt und so die Tonhöhe moduliert. Simpel und transparent, genau wie die Einstellmöglichkeiten am System, da es nichts einzustellen gibt. Die Gängigkeit ist durch die Federparameter vorgegeben und somit abhängig vom Zug der gewählten Saitenstärke. Durch den Zug der Saiten und die damit verbundene Stellung des Saitenhalters ergibt sich auch die Stellung des Hebels im Bezug zum Korpus. Hier lässt sich bei Bedarf lediglich durch Biegen von Material etwas nachhelfen. Das habe ich noch nie praktiziert, möchte aber darauf hinweisen, dass ein Nachbiegen unter Umständen (zum Beispiel durch ein zu weites Biegen) zu suboptimalen Ergebnissen führen kann, die nur sehr schwer wieder in eine funktionierende Ausgangssituation zurückzubringen sind.
DRUCK AUF DER FEDER
Etwas mehr in puncto „Range“ (Modulationsbereich) und Einstellmöglichkeiten bietet ein anderer Vertreter der Vibratofraktion: Das altbekannte und vertraute Bigsby (Abb. 3 links in einer langen und rechts in einer kurzen Version). Beim Bigsby werden die Saiten auf einer drehbaren Achse fixiert (Abb. 5 B). Durch das Betätigen des Hebels kann die Achse gedreht und somit die Tonhöhe moduliert werden.
Praxistipp: Der Saitenwechsel kann bei einem Bigsby recht kniffelig werden, da die Ball Ends durch die Steifigkeit der Saite (gerade im Bereich des Ball Ends) immer wieder von den kleinen Metallstiften, die die Ball Ends aufnehmen sollen, abrutschen wollen. Es hilft, die Saite gemäß Abb. 4 etwas vorzubiegen.
Das nimmt der Saite die erste Tendenz zum „Abrutschen“. Trotzdem wird man die Saite etwas unter Spannung halten müssen während man sie aufzieht. Das heißt, die eine Hand führt und zieht die Saite Richtung Mechanik während die andere Hand die Mechanik kurbelt. Mit zunehmender Spannung fügen sich die Saiten schließlich. Es ist ratsam, den Verlauf der gespannten Saite zu kontrollieren. Sie sollte möglichst gerade von der Achse zum Steg laufen und nicht irgendwie schief ihren Weg finden.
Anders als das Maestro bietet das Bigsby jedoch die eine oder andere Einstelloption. Abb. 5 zeigt rechts die Feder – quasi das Herzstück des Bigsbys in Bezug auf die Beweglichkeit. Die Feder steht auf dem Plateau (A) und wird durch die Aufhängung des Vibratohebels gestaucht. Je nach Saitenstärke wird die Feder mehr oder weniger gestaucht, der Hebel steht mal mehr, mal weniger hoch über dem Korpus. Bei dickeren Saiten kann dies durch den erhöhten Zug dazu führen, dass der Hebel sehr tief ruht – der zur Verfügung stehende Modulationsweg also nur sehr klein ist. Der Markt bietet unterschiedliche Federn an, die durch entsprechend veränderte Parameter (Härte/Länge) ggf. helfen können, den Hebel auch bei höherem Saitenzug etwas höherzustellen. Alternativ oder auch zusätzlich können auf dem Plateau (Abb.5 A) passende Unterlegscheiben aufgelegt werden.
Hier kann durch Unterfüttern (die Feder muss aber noch einen klar definierten Stand auf dem Plateau haben) die Position des Hebels etwas erhöht werden. Entsprechend kann auch in der Aufnahme der Feder im Lager des Arms unterfüttert werden. Es geht da nicht um Welten, es bietet aber die Möglichkeit, das System etwas mehr an persönliche Vorgaben anzupassen.
Bigsby und Vibrola werden mit dem Korpus verschraubt. Da nicht jeder Gitarrenbesitzer begeistert neue Löcher in seine Gitarre treibt, an dieser Stelle der Hinweis auf die wachsende Zahl an reversiblen Vibrato-Lösungen. So zum Beispiel das kurze Duesenberg Deluxe Tremola, das sich mittels der optional erhältlichen Adapterplatte anstelle eines Stop Tailpieces montieren aber auch ohne Spuren zu hinterlassen wieder demontieren lässt. Ebenfalls ohne Spuren rückbaubar ist das Duesenberg Les Trem (Abb. 6).
Von der Funktion her einem Bigsby sehr ähnlich ersetzt es das starre Stop Tailpiece in einer entsprechenden Kombination. Das System lässt keine allzu großen Modulationen zu, aber für ein bisschen verzierende Tonhöhenspielerei reicht es allemal.
WIPPENDER STEG
Allen bis hierhin vorgestellten Systemen gemeinsam ist die Funktion des Stegs. Dieser sitzt kippelnd auf zwei Bolzen und wippt beim Betätigen des Vibratohebels vor und zurück (Abb. 7).
Es mag sein, dass die eine oder andere Saite auch in der Nut hin- und herrutscht aber größtenteils folgt der Steg den Saiten und macht bei der Spannung bzw. Entspannung mit. Es ist schnell zu erkennen, dass diese recht simple Funktionsweise bald an ihre Grenzen kommt, wenn beim Vibratogebrauch höhere Anforderungen in Sachen Stimmstabilität gestellt werden. Ein leichtes Verrutschen der Saite oder ein leichtes Verhaken des sich bewegenden Stegs resultiert in einer störenden Verstimmung.
Zusätzlich zu dieser Problematik ist häufig die Situation an der Kopfplatte ebenfalls suboptimal, wenn es darum geht, eine möglichst große Modulation mit möglichst wenig Verstimmungsproblemen zu erzielen. Häufig werden die Saiten bei 3/3er-Kopfplatten umgelenkt (Sattel/Mechanik) was zu Reibung und ggf. einem Verklemmen der Saite im Sattel führen kann. Zudem geben die Mechaniken beim Runterstimmen am Vibrato etwas nach. Der Vibratohebel wird gedrückt, die Saite erschlafft und wandert im Sattel in Richtung Mechanik.
Dadurch ist ein non-Locking-System nie so direkt in der Ansprache wie ein Locking-System, bei dem das „Nachgeben“ am Sattel eliminiert wird. Da nützt auch kein Nachfeilen, Schmieren oder sonstiges Feintunen – die Möglichkeiten von Maestro, Bigsby und Co. sind eingeschränkt.
DOUBLE-LOCKING-SYSTEME
In einigen Epochen der Popmusik waren aber recht wilde Spieltechniken angesagt, mit deren Anforderungen die beschriebenen Vintage-Style-Systeme nicht mithalten konnten. Größtenteils waren Divebombs oder exzessive Modulationsorgien einer mit einem Floyd-Double-Locking System ausgerüsteten Strat-Style-Gitarre vorbehalten. Nicht jeder Spieler sah in diesem Instrument das Werkzeug seiner Wahl und so kamen allmählich auch für alternative Instrumente Double-Locking-Varianten auf den Markt. Beispielhaft nimmt nun eine Gibson L5 mit original Gibson-Kahler-Flyer-System auf der Werkbank Platz (Abb. 8).
Eine Saitenklemme am Sattel eliminiert im angezogenen Zustand das Spiel hinter dem Sattel Richtung Mechanik (Abb. 9).
Drückt man den Vibratohebel nach unten, zieht die Saite nicht mehr in Richtung Mechanik weg. Der Spannungsverlust wirkt direkter und der Ton lässt sich mit weniger Weg effektiver modulieren. Die Kombination aus konventionellem Sattel und Saitenklemme ist nicht das Nonplusultra, da immer noch ein wenig Reibung/Spiel im System ist (besser ist der Klemmsattel à la Floyd Rose) jedoch ist diese Lösung der traditionellen Anordnung von Sattel und Mechanik in Sachen Stimmstabilität schon ein paar Cent voraus.
Beim Kahler wird nicht gewippt, es wird stattdessen gerollt. Die Saiten werden über Rollen geführt (Abb. 10), die die modulationsbedingten Bewegungen mitmachen. Das klingt zunächst mal wie die ultimative Lösung, setzt aber freilaufende Rollen voraus. Dies ist durch Korrosion (z. B. durch Handschweiß) nicht jederzeit gegeben. Da ist schon etwas technischer Service notwendig, um die Rollen am Laufen zu halten. Gehalten werden die Saiten auf einer mit Feinstimmern ausgestatteten drehbaren Achse (Abb. 11).
Anders als ein Bigsby benötigt das Kahler-Flyer-System eine Federkammer, um die beiden Federn aufzunehmen (Abb. 12).
Eine kleine Inbussschraube (Abb. 11/Achse mittig) betätigt einen feinen Mechanismus, der die Vibratofedern spannt und auf unterschiedliche Saitenstärken einstellt (Abb. 12/rechts – Pfeil). Von der Wirkung her also analog zum Anziehen/Lösen der Schrauben an der Federklaue bei einem konventionellen Vibratosystem.
Das Kahler-Flyer-System ist eine sehr weich und auch brauchbar arbeitende Double-Locking-Variante für jene Instrumente, die konstruktionsbedingt kein konventionelles Floyd (Federkammer, Aufbauhöhe, etc.) zulassen. Gut eingestellt und in Verbindung mit einem entsprechenden Setup liefert das Kahler überzeugende Whammy-Action.
Die Firma Kahler war nach einem Hoch in den 1990ern ein wenig abgetaucht. Aktuell liefert aber die Webseite www.kahlerusa.com Interessantes über das umfangreiche Lieferprogramm und auch der deutsche Handel/Großhandel ist recht gut sortiert. Letzte Fragen klären bei Bedarf auch diverse YouTube-Videos.
Da nicht jeder sein Instrument auffräsen möchte (Federkammer) wäre natürlich auch eine Double-Locking-Variante interessant, bei der keine größeren Modifikationen notwendig sind. Floyd Rose bietet mit seinem FRX-System genau das an. Also, Werkbank aufräumen und Platz machen. Bis dahin, Der Doc.