Nachdem das Projekt ausreichend durchgetrocknet ist, kann im neuen Repair Talk mit etwas Ruhe die aufgebaute Oberfläche in Augenschein genommen werden. Auch bei einer kritischen Begutachtung überzeugt das matte Finish.
Der Halsrücken fühlt sich geschmeidig und glatt an (Abb. 1/Mitte) und auch die Fläche überzeugt (Abb. 1/rechts). Vor dem Hintergrund des geringen Aufwandes ein rundum passables Resultat. Mir ist klar, dass einige Öl-Alchemisten, also Gitarrenbauer, die Öle nach eigener, fast geheimer Rezeptur brauen, die Nase über das verwendete Allerweltsprodukt rümpfen werden. Übereinstimmend glaube auch ich, dass Handschweiß und ein motivierter Proberaumalltag das Finish recht schnell altern (nicht immer positiv) lassen werden. Aber mit einer entsprechenden Pflege und Nachbearbeitung (Ballistol) ist die aufgezeigte Oberflächenoption auch für den Tuning-Einsteiger machbar und das Resultat brauchbar. Somit ist die Oberflächenveredlung beim Projekt abgeschlossen.
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SPURENBESEITIGUNG
Da nicht mehr geplant ist, weiteres Wachs-Öl aufzutragen, kann damit begonnen werden, das schützende Klebeband vom Griffbrett zu entfernen, um zu sehen, ob und ggf. wieviel Beize und/ oder Öl dann doch noch unter das Klebeband gekrochen ist. Nach dem Entfernen des Klebebandes zeigen sich hier und da Materialreste, die entfernt werden müssen (Abb. 2).
An den Kanten arbeite ich zunächst mit der scharfen Klinge eines Teppichmessers und schabe die Zwischenräume zwischen den Bünden sauber. Die Klinge wird an einem Eck des Bundstäbchens angesetzt und wird dann weitmöglichst bis zum nächsten Bundstäbchen gezogen (Abb. 3/oben).
Ein Gegenzug genau andersherum liefert im Anschluss eine durchgehend saubere Kante. Die als Schabwerkzeug eingesetzte Klinge kann auch in anderen Anwendungssituationen nützlich sein (Abb. 3/Mitte).
Das Säubern der Fläche übernimmt dann feine Stahlwolle, die parallel zu den Bünden geführt wird (Abb. 3/unten). In diesem Arbeitsschritt ist es noch nicht notwendig, Bünde und Griffbrett auf das Allerfeinste aufzupolieren. Da folgen im späteren Verlauf des Projektaufbaus noch entsprechende Arbeitsschritte.
Es reicht aus, wenn mit Klinge und Stahlwolle ungewollte Spuren der Oberflächenbehandlung entfernt werden. Abb. 4 zeigt beispielhaft wie das Zwischenergebnis aussehen könnte.
FLÜSSIGER SCHIRM
Nach erfolgter Oberflächenbehandlung und dessen Spurenbeseitigung kann es nun mit dem Aufbau des Projektes weitergehen. Die im nächsten Arbeitsschritt durchgeführte elektrische Abschirmung der relevanten Korpusfräsungen und -bohrungen ist für viele Tuner eine Glaubensfrage. Vom Grundgedanken her sollen elektrisch leitende Flächen elektrische Störsignale (zum Beispiel das Brizzeln von Leuchtstoffröhren oder das elektrische Feld von Transformatoren) auf ihrem Weg zur aufnahmewilligen Elektronik der Gitarre abfangen und durch ein Ableiten an Masse ruhigstellen.
Eine simple und effektive Methode, um ungewünschte Nebengeräusche zu minimieren. Einige „Großohren“ der Tuner-Fraktion wollen neben dem verminderten Anteil an Störgeräuschen auch eine Veränderung des eigentlichen Gitarrensignals hören. Für ihr persönliches (!) Empfinden verschlechtert eine Abschirmung den Ton. Das sehe ich bei einer gut ausgeführten Abschirmung nicht so und somit gehört für mich das Ableiten von Störendem zum guten Ton. Das Gute: Wenn die Abschirmung nicht zur persönlichen Soundphilosophie passt, kann der Tuner diesen Arbeitsschritt komplett oder auch nur teilweise auslassen.
Der Ruhesuchende kann hingegen, wie auf Abb. 5 gezeigt, nicht leitende Holzoberflächen mit einem leitenden Lack bestreichen und so elektrisch leitende Flächen erzeugen, die Störgeräusche aufnehmen und ableiten können. Das Mittel zum Zweck ist häufig ein sogenannter Graphitlack, bei dem leitende Graphitpartikel einer flüchtigen Trägerflüssigkeit (zum Beispiel Wasser) zugegeben werden. Die Mischung wird in ein bis drei Schichten jeweils satt und mit genug Trockenzeit zwischen den Schichten auf die relevanten Stellen aufgetragen. Nach dem Aushärten bzw. Durchtrocknen bleibt eine leitende Oberfläche zurück.
Beim Projekt habe ich die Pickup-Fräsung, das E-Fach und die Bohrung für die Buchse entsprechend bearbeitet (Abb. 6). Damit die Idee der Ableitung von Störgeräuschen fruchtet, ist es notwendig, die leitenden Flächen mit einem Massepunkt zu verbinden. Sonst wird da nichts abgeleitet – was eher kontraproduktiv ist.
Beim E-Fach ergibt sich die Masseverbindung in der Regel durch die montierten Potis. Bei der Pickup-Fräsung (Abb. 7) aber auch der Bohrung für die Buchse müssen im Normalfall zusätzliche Masseverbindungen gelegt werden. Ist alles Notwendige abgeschirmt, durchgetrocknet und vorbereitet, könnte nun eigentlich die Elektronik des Bausatzes eingebaut werden.
Vorausschauend gedacht wirft sich aber eine unklare Bauteileposition dem gradlinigen Vorgehen in den Weg. Wenn man schon die Elektronik einbaut, könnte auch der Pickup mit angeschlossen werden. Dieser hat aber seine endgültige Position noch nicht erkannt, da er in der großzügigen Fräsung nicht ohne Weiteres weiß, wo er Platz nehmen soll, damit die Polepieces bestmöglich unter den Saiten verlaufen (vorausschauend Abb. 12).
Eine optimale Positionierung ist nur bei vorhandenen äußeren Saiten festzulegen. Durch diese Erkenntnis wandert der Fokus vom E-Fach ab und richtet sich auf die Erstbesaitung – zumal alle Arbeitsschritte ohnehin nötig wären und nichts unnütz doppelt oder dreifach unter dem Werkzeug landet.
ZIELFÜHRENDER UMWEG
Los geht es mit der Montage des Einteilers. Dort ist es wichtig, vor dem Eintreiben der Hülse für den Treble-Bolzen den Massedraht zu legen (Abb. 8/Pfeil).
Die Verwendung einer blanken Saite funktioniert ganz gut. Diese schmiegt sich beim Eintreiben an die Hülse und die Verbindung steht. Die restliche Hardwaremontage ist so gut vorbereitet und dadurch trivial, dass sie nur ganz kurz und der Vollständigkeit halber erwähnt wird. Einteiler, Mechaniken, Gurtpins und das Schlagbrett finden ihren Platz. In der Tat trivial aber dennoch mit Spaßfaktor, da jedes neue Bauteil das Projekt optisch näher an eine Gitarre bringt.
Da die Hardware-Montage sehr zügig von der Hand ging, kann sich der Tuner nun auf das kleine, aber für die Bespielbarkeit des Projekts sehr wichtige, Bauteil Sattel konzentrieren. Schon zu Beginn des Projektaufbaus wurden die Voraussetzungen für einen traditionellen Knochensattel platziert auf einem klar definierten Plateau geschaffen und die suboptimalen Vorgaben des Bausatzes überarbeitet.
Genau an diesem Punkt geht es nun im Aufbau weiter, und ein Knochenrohling (Abb. 9/oben) wird in die vorgesehene Nut eingepasst. Da der Rohling selten (ganz selten/nie) direkt aus dem Vorrat passgenau in die Nut fällt, wird er zunächst an der Bandschleifmaschine oder auch mit der Feile so bearbeitet, dass er fest aber nicht verklemmt in der Nut Platz findet (Abb. 9/Mitte).
Anschließend zeichne ich die benötigte Höhe des Sattels an. Aus der Erfahrung heraus reichen 0,8 mm oder 1 mm zusätzlich zur Höhe des ersten Bundes, um genug Sattelmaterial für genügend tiefe Sattelkerben zu haben. Lässt man den Rohling zu hoch, hat man später unnütz viel Material vor sich, wenn man die Nuten für die Saiten ausarbeitet. Da ist es präziser und kraftschonender wenn man schon vor dem Einsägen/Feilen der Nuten unnötiges und störendes Material entfernt.
GERITZTE KRONE
Nachgemessen hat die Bundkrone des ersten Bundes eine Höhe von ca. 1,2 mm, sodass der Rohling auf gut 2 mm Überstand zum Griffbrett reduziert werden kann. Um die notwendige Höhe anzuzeichnen, nehme ich eine entsprechende Anzahl von dünnen Metallstreifen (diese addieren sich auf ca. 2 mm) und biege diese bündig am Sattel über das Griffbrett. Ein spitzer Bleistift kann so eine Markierung setzen, die in ca. 2 mm Höhe über dem Griffbrett läuft und dessen Krümmung folgt. Die so angezeichnete Linie (Abb. 9/unten) ist die angestrebte Oberkante des Sattelrohlings. Der Rohling kann nun mit entsprechendem Werkzeug auf die Höhe (angezeichnete Linie) und Länge (Griffbrettkanten) gebracht werden. Am Ende dieses Arbeitsschrittes sollte der Rohling seitlich bündig und ohne Versatz mit den Griffbrettkanten abschließen und in der Höhe der angezeichneten Linie folgen.
Als hätte es jemand geplant, kommen im folgenden Aufbau die bereits montierten Mechaniken helfend ins Spiel. Es können die zwei äußeren Saiten aufgezogen werden, um somit deren Position auf dem Sattel zu ermitteln (Abb. 10). Entscheidend bei der Positionierung der Saiten ist der Abstand zur Bundkante. Beim Projekt gehe ich recht weit nach außen (nah an die Bundkante), um das schmale Griffbrett bestmöglich auszunutzen und die Saitenabstände nicht zu klein werden zu lassen. Da kann der Tuner frei Auge oder auch nachgemessene Vintage-Vorgaben bzw. persönliche Präferenzen umsetzen.
Ist die Position gefunden, markiere ich die Außenkanten der Saiten mit Bleistiftstrichen (Abb. 11/oben). Mittig ritze ich mit einem Skalpell den Verlauf der Saiten an und vermittele mit einer Schieblehre fünf gleichmäßige Abstände auf die obere Kante des Sattelrohlings. Die geritzten Markierungen feile ich mit einer Dreikantfeile auf, damit die später aufgelegten Saiten eine fixe Führung haben (Abb. 11/unten).
ELEKTRISCHE CONVENIENCE
So vorbereitet wird der Sattel in die Nut gesetzt, und die beiden Probesaiten werden hochgestimmt. Da die Saitenposition nun am Sattel und am Steg festgelegt ist, haben nun auch die Polepieces des Pickups eine klare Zielvorgabe.
Der Pickup kann anschließend so in Position geschoben werden, dass die relevanten Polepieces möglichst nah an den entsprechenden Saiten liegen (Abb. 12). Dadurch wird gewährleistet, dass die Saiten optimal abgenommen werden. Ist die Position gefunden, kann der Tonabnehmer fixiert werden.
Nachdem an den Polepieces alles geklärt ist, kann der prüfende Blick Richtung Griffbrett wandern, um zu prüfen, ob die Symmetrie der Gitarre stimmig ist.
Da die beiden äußeren Saiten wie geplant symmetrisch und mit brauchbarem Abstand zur Kante über das Griffbrett laufen (Abb. 13), ist die Baustelle „Aufmaß“ erfolgreich abgeschlossen und die vorverdrahtete Elektronik sowie die Buchse mit Buchsenblech können eingebaut und angeschlossen werden (Abb. 14).
Ich präferiere auch in dieser Phase des Aufbaus, die originalen Bauteile des Bausatzes zu verwenden und erst bei Bedarf (man weiß ja nie!) entsprechendes Finetuning anzusetzen.
Da die vorverdrahtete Elektronik recht trivial und schnell eingebaut ist, kann es im nächsten Repair Talk ohne weiterem Zwischenstopp mit erforderlichen und wichtigen Arbeiten an den Bünden weitergehen.
Diese Repair-Talk-Serie ist bis hierhin toll gelungen (!) und gibt bestimmt vielen auch Anregungen für ihre laufenden Projekte oder zum nachträglichen Finetuning, vielleicht sogar für ein neues Projekt.
Für die Bespielbarkeit sind die früher abgehandelten Bearbeitungen der Bünde sowie der Nutkerbentiefe Kernpunkte, da nur bei niedriger Saitenlage so wenig wie möglich Druck auf die Saiten ausgeübt wird, denn das beeinträchtigt die Intonation. Für eine gute Oktavreinheitseinstellung ist natürlich eine Brücke mit Einzelreitern noch besser geeignet als die hier verwendete, für die ich mindestens einen 10-auf-46er Saitensatz empfehle.
Ich wünsche allen Werkelnden guten Erfolg mit Unterstützung dieser Artikel-Reihe. Und Gitarre&Bass: weiter so!
MrHKBlues aka gitte-varii (YT + ebay)
Diese Repair-Talk-Serie ist bis hierhin toll gelungen (!) und gibt bestimmt vielen auch Anregungen für ihre laufenden Projekte oder zum nachträglichen Finetuning, vielleicht sogar für ein neues Projekt.
Für die Bespielbarkeit sind die früher abgehandelten Bearbeitungen der Bünde sowie der Nutkerbentiefe Kernpunkte, da nur bei niedriger Saitenlage so wenig wie möglich Druck auf die Saiten ausgeübt wird, denn das beeinträchtigt die Intonation. Für eine gute Oktavreinheitseinstellung ist natürlich eine Brücke mit Einzelreitern noch besser geeignet als die hier verwendete, für die ich mindestens einen 10-auf-46er Saitensatz empfehle.
Ich wünsche allen Werkelnden guten Erfolg mit Unterstützung dieser Artikel-Reihe. Und Gitarre&Bass: weiter so!
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