Nachdem beim letzten Projekt ein Vibrato als Stegeinheit verbaut wurde, dürfen natürlich auch Gitarren mit anderen Stegtypen nicht vernachlässigt werden. Nicht jeder Tuner plant ein Vibrato-Projekt und viele Gitarrentypen nehmen auch gar kein Vibrato auf. So zum Beispiel Gitarren mit einer Kombination aus Steg und Saitenhalter (Tailpiece) wie man sie zum Beispiel auf vielen LP-style-Gitarren findet.
Die folgenden Ausgaben des Repair Talks werden diese Art der Hardware-Kombi mal etwas genauer durchleuchten und Hintergrundinfos zur Montage liefern. Als Anschauungsobjekt dient ein in dieser Beziehung noch jungfräuliches Singlecut-Projekt (Abb.1). Da ist noch nichts gebohrt, Steg und Saitenhalter müssen noch ihren korrekten Platz finden. Die ausgewählte Hardware für dieses Projekt besteht aus einem typischen Tune-o-matic-Steg und einem leichten Alu-Tailpiece (Abb.2).
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Da die Position des Saitenhalters in hohem Maße von der Position des Stegs abhängig ist, beginnt der Repair Talk mit der Montage des Stegs. Der Saitenhalter wird erst einmal beiseitegelegt.
Neues gilt auch für Altes
Nicht jedes Projekt fängt mit Neuware und frischen Vorgaben an. Es kann zum Beispiel auch das Ziel sein, eine verbaute Einheit zu ersetzen. Die Gründe dafür können Verschleiß aber auch das Streben nach besserer Hardware sein. Der Markt bietet unterschiedlichste Konstruktionen und Befestigungsmöglichkeiten an. Abb.3 zeigt unterschiedliche Bolzentypen, auf denen der Steg sitzt.
Diese unterschiedlichen Typen (Bolzen/Steg) sind unter Umständen nicht so einfach auszutauschen bzw. zu kombinieren, sodass ggf. ein alter Bolzentyp entfernt und ersetzt werden muss. Die Kombinationen und Möglichkeiten sind unzählig aber ein paar Zehntel Millimeter können entscheidend für den korrekten Sitz sein. Bevor dann versucht wird, mit unangebrachter Überredungsenergie Nichtpassendes passend zu machen, ist es ggf. ratsam, alte vorgegebene Maße aufzugeben und die dann nicht mehr relevanten Bohrungen zu verdübeln. So hat man dann die frischen Vorgaben wie beim Projekt (Abb.1) und kann die neue Hardware vorgabengemäß montieren. Unter Umständen ist dies der aufwendigere aber bessere Weg.
Am Anfang: Das Aufmass
Damit die Saiten später korrekt im Bezug zur Griffbrettkante laufen und sich die Intonation sauber einstellen lässt, ist die Position des Steges maßgeblich. Um diese zu ermitteln, verlängere ich zunächst mit Bleistift und Lineal die Außenkante des Griffbrettes auf die Korpusdecke (Abb.4). Durch Vermitteln ergibt sich so die Mittellinie des Griffbrettverlaufes, die ich auf der Decke mit Bleistift anzeichne.
(Hinweis: Die Linie muss nicht eingeritzt werden, da sie nicht permanent sichtbar bleiben soll – also sachte mit dem Stift).
Anschließend messe ich die Entfernung von der Griffbrettkante des Sattels bis zur Mitte des 12. Bunds (314 mm beim Beispiel). Die Entfernung multipliziere ich mit 2 (628 mm). Der errechnete Wert ist die theoretische Schwingungslänge der Saite (Mensur). Den Wert übertrage ich auf die Mittellinie und zeichne ihn an. Anschließend zeichne ich noch eine Linie im rechten Winkel zur Mittellinie durch den ermittelten Punkt und lege so schon mal ganz grob die Stegposition fest (Abb.5).
Wo ist vorne, wo ist hinten?
Im nächsten Schritt begutachte ich zunächst den Steg etwas genauer. Von der Konstruktion her meistens symmetrisch aufgebaut, ergibt sich die Frage: Schrauben nach vorne oder nach hinten? Gemeint sind die kleinen Schrauben zum Einstellen der Intonation. Das Einstellen der Intonation ist ein wichtiger Tuning-Vorgang und sollte möglichst komfortabel und ohne großes Gefummel möglich sein (Abb.6).
Da keine störenden Tonabnehmer den Weg des Schraubendrehers versperren, tendiere ich dazu, die Intonationsschrauben nach hinten (Richtung Saitenhalter) zu setzen. Bei einer Vielzahl von Stegen ist dies jedoch nicht möglich.
Die hoch sitzenden Intonationsschrauben etwa bei einigen Vintage-style ABR-Stegen (Abb.7) müssen beim Saitenverlauf berücksichtigt werden.
Setzt man die Schrauben Richtung Saitenhalter, drücken meistens die nach unten gelenkten Saiten auf die Schrauben (Abb.8).
Das führt unter anderem zu einem verspannten Sitz des Reiters und liefert somit ein suboptimales Resultat. Mit der Schraube nach vorne ist alles OK, sieht historisch korrekt aus – auch wenn es bei einigen Einbausituationen etwas fummelig sein kann, an die Schrauben zu kommen. Bei modernen Stegen (etwa Schaller GTM) sind die Schrauben so positioniert, dass die Richtung frei gewählt werden kann. Ein Überprüfen und Hinterfragen der „Schraubensituation“ empfiehlt sich daher vor weiteren Montageschritten.
Schräge mit Wirkung?
Gegebenenfalls eine Verunsicherung für den Gelegenheits-Tuner stellt die Form der Einzelreiter dar. Genauer betrachtet haben diese eine gerade Kante und eine abfallende Ebene (Abb.8). Was soll nach vorne, was nach hinten? Ich komme ursprünglich aus dem klassischen Gitarrenbau und bevorzuge die gerade Kante nach vorne (Richtung Sattel), da so die schwingende Saite nirgends aufschlagen kann. Auch wenn sich das richtig und wichtig anhört und anfühlt, zeigt die Erfahrung bei E-Gitarren, dass die Stahlsaiten (bei korrekt gekerbtem Steg) beide Richtungen akzeptieren. Dadurch ist die Richtung im Prinzip frei wählbar. Dennoch versuche ich bei meinen Projekten die gerade Kante Richtung Sattel zu setzen, da ich auf diese Art gerade bei den dünneren Saiten einen sauberen, sitarfreien Ton treffsicherer, also leichter, erziele.
Nicht unerwähnt lassen möchte ich die Option, durch die Richtung des Reiters den Einstellbereich etwas zu verlängern/zu verkürzen. Die Abb.7 oben zeigt dies. Während die G-Saite in Richtung Saitenhalter komplett ausgereizt ist (Schräge nach vorne), bietet der gedrehte Reiter der E-Saite die ggf. entscheidenden paar Zehntelmillimeter mehr Einstellweg in Richtung Saitenhalter. Das sind keine Riesenwege aber diese „Reserve“ kann bei schmalen Stegen mit wenig Einstellbereich die Intonation des Instrumentes retten.
Mittellinie ist nicht gleich Montagelinie
Zunächst messe ich den Bolzenabstand (hier 73,8 mm/Abb.9).
Somit ergeben sich 36,9 mm von der Mittellinie (Abb.5). Würde man nun die Bolzen auf die Mittellinie bei 628 mm setzen, verschenkt man wichtigen Einstellbereich. Die Saite einer Gitarre braucht für die korrekte Intonation immer ein Spannungsplus (Zugabe) addiert zur theoretischen Schwingungslänge (Mensur). Ein negatives Spannungsplus ist physikalisch auszuschließen. Der minimale Einstellbereich beträgt somit in diesem Beispiel 628 mm. Ich positioniere den Reiter für die e-Saite nun möglichst weit nach vorne. Er liegt dann ungefähr bei der Mittellinie Steg (!) minus 4 mm (Abb.9). Dadurch verschiebt sich die gedachte Mittellinie um 4 mm von 628 auf 632 mm in Richtung Saitenhalter. Ein rechtwinklig montierter Steg würde also bei einer Mittellinie von 632 mm sitzen. Da die E-Saite etwas mehr Spannungsplus benötigen wird (ca. +1,5 mm), werde ich den Bolzen auf der Basssaite dementsprechend etwas weiter nach hinten setzen. Nachgerechnet komme ich beim Beispiel auf 632 mm bei der e-Saite und 633,5 mm bei der E-Saite.
Wohin mit den Zahlen?
Nach dem ganzen Messen und Rechnen stehen nun Zahlen im Raum, die auf das Projekt gebracht werden müssen. Mathematisch nicht ganz auf Leistungskursniveau, aber dem Handwerker genügend, markiere ich die 632 mm auf die Griffbrettverlängerung (Abb.5) bei der e-Saite und respektive die 633,5 mm auf der E-Saite. Beide Markierungen verbinde ich mit einer Linie, die die Mittellinie des Instrumentes kreuzt (Abb.10).
Vom Schnittpunkt Mittellinie/Verbindungslinie jeweils 36,9 mm in beide Richtungen (das ist die Hälfte des Bolzenabstandes): Bingo! Die Position der Bolzen ist gefunden (Abb.10).
Um Gedankenfehler und eine zu große Diskrepanz zwischen Mathematik und Handwerk auszuschließen, überprüfe ich die Theorie mit praktischem Nachmessen (Abb.11).
Sieht gut aus – 628 mm mit gut 5 mm Einstellbereich. Ist alles nachgemessen und sind die Resultate projektkonform, steche ich die markierten Positionen mit einer Aale vor, bevor ich sie mit einem Handbohrer leicht vorbohre/aufkrause. Dadurch findet der Bohrer im Anschluss leichter einen Ansatz ohne zu wandern (Abb.12).
Vorher jedoch eine kurze Pause mit kühlen Refreshments, bevor es im nächsten Repair Talk dann weitergeht.