Repair Talk: E-Fach-Bohrungen, neue Side Dots und Bünde ziehen
von Michael "Doc" Schneider,
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Nachdem im letzten Repair Talk die Kopfplatte der Projektgitarre in Form und die Optik auf Kurs gebracht wurde, muss dort erst einmal der abschließende Füller rund um das Inlay durchtrocknen. Damit frisch Verklebtes dabei nicht gestört wird, wird der Hals erst einmal beiseitegelegt. Um Langeweile zu vermeiden, wird in der Zwischenzeit der Body aus seiner Warteposition geholt. Bei der ersten Begutachtung fiel auf, dass der Kabelkanal von der Pickup-Fräsung hin zum E-Fach fehlt …
FREIER WEG FÜRS KABEL
Über die Notwendigkeit des Kanals muss kein weiteres Wort geschrieben werden. Es geht mehr um die Frage der Durchführung. Bohrer in Standardlänge haben nur eine geringe Reichweite. Für die Situation an diesem P90-Body habe ich keine funktionierende Option gefunden, mit einem durchschnittlichen Standardbohrer die Fräsungen zu verbinden. Zu groß ist die Gefahr, mit dem notwendigerweise schräg geführten Bohrer die Wandung der Pickup-Fräsung zu verletzen oder mit dem Bohrfutter die sehr weiche Decke zu beschädigen. Sehr erfreut wird der ambitionierte Tuner in dieser Aufgabe die begründete Notwendigkeit erkennen, den Werkzeugbestand aufzustocken. Ein sehr verlässliches Werkzeug für längere Kanalbauarbeiten am Korpus ist ein „Schalungsbohrer“ (Abb. 1).
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Wird dieses Schlagwort in entsprechende Netz-Suchmaschinen eingegeben, werden die Quellen für den Erwerb solch eines Bohrers recht schnell aufgetan. Der Bohrer auf Abb. 1 ist 400 mm lang und hat einen Durchmesser von 6 mm. Über die Jahre gesehen, war er schon bei sehr vielen Projekten die verbindungsbringende Lösung. So ein Bohrer sollte in keinem Tuner-Besteck fehlen.
Ich setze den Bohrer in der Ecke der Halstasche an und bohre, grob gesehen, gemäß der zu erkennenden Linie auf Abb. 1. Das sehr weiche Korpusholz leistet nur geringen Widerstand, und recht zügig ist die Pickupfräsung an die Außenwelt angeschlossen. Wichtig beim Bohren ist die seitliche Kontrolle. Man schaut seitlich auf den Bohrer und peilt so den Verlauf im Bezug zur Korpusebene. Zieht man fiktiv eine Mittellinie im Korpus, sollte der Bohrer in etwa parallel zu dieser Linie arbeiten. So wird vermieden, dass der Bohrer völlig verwirrt da auftaucht, wo niemand ein Loch benötigt.
Beim Projekt lief alles gut, und da der Body schon mal auf der Werkbank liegt, erweitere ich mit einem Senker die Potibohrungen von 8 auf 10 mm, damit – falls notwendig – auch alternative Potis mit einer stärkeren Achse als die Originalpotis problemlos verbaut werden können. Die anschließende „Probemontage“ zeigt das erreichte Zwischenstadium (Abb. 2).
NEUE SIDE DOTS
Der Füller am Inlay ist mittlerweile ausreichend durchgehärtet, sodass am Hals weiter gearbeitet werden kann. Die Side Dots sind etwas unscharf und sollen ersetzt werden.
Um den Hals gut bearbeiten zu können, spanne ich ihn ein (Abb. 3) und habe ihn somit gut unter Kontrolle. Die Abb. 4 zeigt unter anderem das Material für den nächsten Tuning-Schritt. Gut zu erkennen sind auch die unscharfen, teilweise fehlenden Side Dots. Die Austauschkandidaten kommen in Stangenform (Abb. 4/Mitte).
Die im Fachhandel erhältlichen Kunststoffstangen mit 2 mm Durchmesser sollen an der Griffbrettkante für mehr Orientierungssicherheit sorgen. Zunächst muss das alte Material aber weichen. Im ersten Schritt steche ich die alten Dots auf (Abb. 5/links) um sie im Anschluss mit einem 1,5mm-Bohrer aufzubohren (Abb. 5/rechts).
Hat der 1,5mm-Bohrer die Löcher angezeichnet und aufgebohrt, bohre ich 2 mm nach. Ich wähle die zwei Bohrstufen (1,5/2), da der kleine Bohrer gefühlt besser zentriert und eine Art Pilotloch für den größeren Bohrer vorarbeitet, der dann sauber das Loch auf 2 mm erweitert. Die Löcher müssen nicht endlos tief sein. Ca. 3 mm als Mittelwert sollten reichen. Die Bohrarbeiten führe ich frei Hand mit einer Akkumaschine durch (Abb. 5/rechts), da das Einspannen des Halses unter der Standbohrmaschine nicht praktikabel war. Der gemäß Abb. 3 fixierte Hals ist auch mit der Handbohrmaschine berechenbar und sauber zu bearbeiten.
Die Abb. 6 zeigt das brauchbare Ergebnis. Sind alle Löcher ausgesaugt, wird eine Kunststoffstange zum Beispiel mit einer Feile am Ende etwas angespitzt. Eine kleine Menge Sekundenkleber wird in das Loch geträufelt, die angespitzte Stange in das Loch gesteckt und mit einer Zange abgelängt. Ein gefühlvoller Schlag mit dem Hammer hilft dabei, den neuen „Dot“ weit genug ins Loch zu treiben. Würde die Kunststoffstange nicht tief genug im Loch sitzen, könnte sie bei einer späteren Bearbeitung wieder unsichtbar werden (Abb. 4 oben) – und es soll ja Sichtbarkeit erzielt werden.
Abb. 7 zeigt die neuen Dots nach dem Einsetzen und dem Ablängen. Ist der Kleber dann trocken, können die Dots mit Feile und Schleifpapier beigearbeitet werden. Ich arbeite so weit es geht entlang der Griffbrettkante und nicht punktuell an einem Dot. So wird vermieden, dass die Griffbrettkante im Bereich der Dots unbeabsichtigt zu viel Material verliert und nicht mehr eine gerade Kante darstellt.
Die neuen Dots sitzen nun sauber im Griffbrett und werden später für genügend Orientierungssicherheit sorgen (Abb. 8).
BÜNDE ZIEHEN
Auch wenn die Arbeiten rund um den Hals mittlerweile schon erheblich an Fahrt aufgenommen haben, ist die Tuning-Liste noch lange nicht abgearbeitet. Nicht nur die Griffbrettkante hatte Optimierungsbedarf sondern auch die Bundierung zeigte bei der Erstinspektion qualitativ Luft nach oben. In der Konsequenz wurde eine komplette Neubundierung verordnet. Diese beginnt mit dem Entfernen des alten Bundmaterials, welches vom Profil her nicht den beim Projekt gesetzten Anforderungen genügt.
Bünde werden mit ihrem Fuß in eine Nut im Griffbrett gedrückt und bleiben dort (ähnlich einer genagelten Verbindung) durch die entstandene Reibung sitzen. Ggf. wird mit etwas Kleber nachgeholfen. Um die alten Bünde zu entfernen, müssen diese möglichst behutsam nach oben aus der Nut gehoben werden. Behutsam deswegen, damit das Griffbrett nicht durch die dann nach oben ziehenden Widerhaken des Bundfußes ausgerissen wird. Da hat gefühlt jede Werkstatt einen individuellen Weg, dies zu bewerkstelligen. Ich entferne den Bunddraht in zwei Schritten. In Schritt 1 benutze ich zwei Stemmeisen und hebele vorsichtig nur eine Kante des Bunddrahtes hoch (Abb. 9).
Der Bunddraht muss nur leicht hochgehebelt werden, damit dann im zweiten Schritt eine Zange übernehmen kann. Bei der Zange handelt es sich um ein spezielles Werkzeug, bei dem die Schneide sehr flach ausgearbeitet wurde (Abb. 10).
Die abgebildete Zange habe ich selbst modifiziert. Der versierte Fachhandel bietet heutzutage aber bereits fertig geformte Spezialzangen, die mit ihren abgeflachten Schneiden behutsam unter den Bunddraht greifen und ihn so langsam hochhebeln. Eine herkömmliche Zange käme mit ihrer steilen Schneide nur schlecht unter das angehobene Bundstäbchen und/oder würde es zu schnell aus dem Griffbrett hebeln – das Griffbrett könnte um den Bundschlitz herum ausreißen.
UNTERSTÜTZENDE HITZE
Auch bei einer sehr sanft hebelnden Zange kann es gerade bei verklebten Bünden zu ungewollten Ausrissen kommen. Um den alten Bunddraht noch sauberer zu entfernen, hilft es mir, den Bunddraht zu erhitzen. Dazu setze ich einen heißen Lötkolben auf den Bund (Abb. 11).
Nach einer kurzen Zeit des Erhitzens setze ich die Zange an und hebele den durch die beiden Stemmeisen bereits angehobenen Bunddraht weiter nach oben. Gleichzeitig wandert der Lötkolben weiter entlang des zu entfernenden Bundstäbchens. Wiederum nach einer kurzen Zeit des Erhitzens wandert die Zange behutsam hebelnd nach. Dieses Wandern ist kein Einzeldurchgang, bei dem Kolben und Zange in einer einzigen, durchgängigen, schnellen Bewegung den Bund entfernen. Es ist vielmehr ein Vorgehen in mehreren Etappen, in denen Erhitzen und Hebeln abwechselnd den Bund bearbeiten. Der Lötkolben bleibt in Kontakt mit dem Bund und die Zange wird langsam nachgeführt. Das Zusammenspiel von Kolben und Zange (Hitze und Hebeln) ist Routine und kann nur durch praktische Erfahrung erfolgreich gemeistert werden.
Kritisch dabei ist die Hitze des Kolbens. So ein Lötkolben ist schon recht heiß. Das ist auf der einen Seite gut, da selbst eingeklebte Bünde recht schnell aufgeben. Auf der anderen Seite ist zu viel Hitze auch nicht gut für das Material. Transparent gesprochen: Es muss kein Rauch aufsteigen! Häufig reicht schon ein kurzes Erhitzen, um das Bundstäbchen zu lösen. Gerade bei hellen Ahorngriffbrettern besteht die Gefahr, durch zu viel Hitze das Holz zu verfärben (Brandspuren). Zudem besteht beim Berühren des Griffbrettes mit dem Schaft des Lötkolbens die Gefahr, das Griffbrett aber auch Einlagen aus Plastik zu beschädigen.
Gerade Vintage Inlays aus Celluloid reagieren extrem sensibel auf die Konfrontation mit der Hitze und schmelzen förmlich dahin. Da reicht eine kurze Berührung mit dem Kolben, es dampft, es stinkt, es zischt – zurück bleibt ein Inlay mit Brandloch. Es soll jetzt aber nicht der Eindruck entstehen, dass das Entfernen eines Bundstäbchens eine Art Hexenwerk ist. Es bedarf aber schon etwas Übung, um die unterschiedlichen Werkzeuge und Methoden zielführend einsetzen zu können.
Einmal gemeistert, lässt sich das Bundstäbchen in der Regel sauber entfernen, ohne dass das Griffbrett beschädigt wird (Abb. 12).
Da ist so ein Bausatzprojekt der optimale Probant, um ein Gefühl für Werkzeug und Methode zu bekommen. Nachdem alle Bünde entfernt wurden, wird der Hals nun eingespannt (Abb. 13) und ist dann bereit für weitere Arbeiten im nächsten Repair Talk.
Sehr gute Beschreibung!
Den Trick mit den Stemmeisen kannte ich noch nicht … klasse & danke!