Ende der 70er-Jahre begann in Sachen Röhren-Amps so eine Art „Saure-Gurken-Zeit“. Klar, es gab da die Silverface-Fender-Amps, ein paar JCM800-Marshalls und natürlich Orange, Hiwatt und Vox. Aus heutiger Sicht war das nicht schlecht, aber man benötigte für die meisten Amps große 4×12-Boxen – meist mit Celestions bestückt – die irgendwie immer den gleichen Sound machten. Auf dem Plattenspieler lagen aber die Scheiben von den Yellowjackets, Lee Ritenour, Toto, Larry Carlton oder den Dire Straights. Wie machten die bloß ihre Sounds?
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Und dann kam da noch dieses ‚Moonflower‘-Live-Album von Carlos Santana. 1978 lieh ich mir für Live-Gigs regelmäßig ein Marshall 2203 Halfstack, aber darin steckte nicht eine Spur der damals begehrten Sounds. Da waren diese violinenartigen Solos von Ritenour und Robben Ford (vor allem auf seinem ersten Solo-Album ‚The Inside Story‘), die fantastischen Slides bei Little Feat und David Lindley und der äußerst stabile und dennoch singende Lead-Tone von Lee Ritenour.
Auf der Suche nach Möglichkeiten, diesen Sounds nachzueifern, landeten viele schließlich bei Transistor-Amps von Yamaha oder Gibson/LAB. Foodband-Gitarrist Axel Heilhecker war damals der erste Gitarrist, der solche Sounds mit seinem LAB-Verstärker wunderschön auf die Bühne brachte. Das war schon nicht schlecht, aber eben immer noch nicht so hölzern und fett wie auf den Scheiben aus den USA.
Zu dieser Zeit las man in den ersten erhältlichen Musik-Magazinen Interviews, in denen unsere Helden die neuen Boutique-Amps von Mesa Boogie, Dumble oder Jim Kelley lobten. Von Boogie und Dumble hatte man schon mal was gehört, aber der Name Jim Kelley war hierzulande noch völlig unbekannt.
Ich glaube es war im Sommer 1980, als wir zwischen zwei Gigs im Ruhrgebiet ins Musikhaus Jellinghaus rein marschierten und diesen wunderschönen Jim Kelley Combo mit Korbgeflecht-Front bestaunten. Er hatte nur drei Regler, wurde aber sogleich vom Inhaber als das derzeitige Nonplusultra angepriesen. Also stöpselten wir eine Stratocaster ein und waren vom ersten Akkord an verzückt.
Dieser Amp hatte den amtlichen amerikanischen Crunchsound. Wir standen mit der gesamten Band ungläubig um das gute Stück herum, und ich bekam mächtig Applaus für meine Licks, die ich mit voller Inbrunst abfeuerte. Das war wie ein Fest! Die Party hatte nur einen kleinen Haken: Ich war restlos pleite und konnte diesen Amp nicht zum Bandbus tragen. Wie so oft sprang unser Sänger ein und kaufte den Amp für mich, die Band und sein Studio.
Die nächsten Gigs waren traumhaft. Trotz seiner angeborenen Rauheit musste ich den Amp für Soli mit einem Tubescreamer anblasen, denn voll aufgedreht war er natürlich damals schon viel zu laut. Im August war eine Tour über die westfriesischen Nordsee-Inseln geplant. Der Jim Kelly war natürlich mit dabei.
Die ersten drei Gigs sorgten dafür, dass ich mein Gitarrenspiel regelrecht neu erfand. Ich spielte weniger Powerchords, sondern unterstützte unseren Keyboarder weitaus banddienlicher mit sorgsam gestreuten Licks und Fills. Beim Solo ging es mit mir durch. Der Amp war dann nicht mehr zu bremsen. Buchstäblich am anderen Ende der Skala aller vorstellbaren Heavy Sounds verwandelte er meine ES-355 in ein altes Cello mit scheinbar endlosem Atem.
Am vierten Abend war dann aber schon Schluss mit der Verzückung. Der Jim Kelley gab nach zwei, drei gar nicht mal lauten Akkorden beim Soundcheck den Geist auf. Aus dem Inneren kam noch eine kleine, bedrohliche Rauchwolke, die Sicherung brannte durch und es stellte sich Ruhe ein. Die Tour spielte ich mit meinem Ersatz-Amp von Selmer zu Ende. Das ging ganz gut, war aber natürlich nicht das Gleiche.
Ein paar Wochen später tauschte unser Sänger den Amp bei Jellinghaus gegen ein identisches Modell mit mahagonifarbenem Gehäuse ein. Auch dieser Amp hielt nur ein paar Wochen, ehe er sich auf die gleiche Weise verabschiedete. Danach kam einer mit Tolex in karamell und schließlich ein schwarzer mit zwei Kanälen. Doch länger als ein paar Wochen durfte keiner von ihnen bleiben. Die häufigen Defekte machten den Amp für eine tourende Band einfach untauglich. Und so wurde die Wunderkiste bald wieder durch den LAB und später durch einen Super Reverb ersetzt.
Es war daher umso erstaunlicher als ein Kunde neulich in meine Werkstatt marschierte und den Amp bei sich trug, den ich als unseren ersten Jim Kelley Verstärker von 1980 erkannte. Fotos von damals bestätigten den Verdacht. Und natürlich kann man sich denken, weshalb der Kunde bei mir aufschlug: Wieder einmal hatten sich ein paar Endstufenröhren verabschiedet und den Amp zum Schweigen gebracht.
Zugegeben, die ursprüngliche Idee von Jim Kelley war durchaus genial: Er erschuf etwa zeitgleich mit Randall Smith und Howard Alexander Dumble ein Konzept, das eben nicht auf zahlreiche Optionen und Kanalumschalter setzte, sondern auf Einfachheit und Purismus.
Angeblich kam ihm die Eingebung dazu während er einen durch einen Wasserschaden abgebrannten Ampeg-Combo wieder zu neuem Leben erwecken wollte. Dazu verwendete er alte Fender Trafos aus einem Twin Reverb und kombinierte diese kräftige Endstufe mit vier 6V6 Röhren, die von einem Splitload-Phasendreher gespeist wurden.
Die Vorstufe bestand aus einer Kombination von Fender- und Hiwatt-Schaltungselementen, betrachtet man vor allem die Klangregelung, die nach dem sogenannten James-Baxandall-Prinzip aufgebaut war. Hierbei handelt es sich um eine Art extended Treble- und Bass-Regelung, die sehr wirkungsvoll ist. Beide Regler unterstützen auch das Gain-Verhalten des Amps.
Das Prinzip war aber im Grunde konträr zu den Ideen von Boogie und Dumble. Während die Vorstufe so clean wie möglich arbeitet, entstand der Overdrive-Sound fast ausschließlich in der Endstufe, wofür die 6V6 geradezu prädestiniert waren. Der Sound bleibt so stets stabil und extrem konturiert.
In unserem ersten Amp war ein Electrovoice 12L-Speaker mit 200 Watt verbaut. Dieser Lautsprecher war ein weiterer Grund für den enormen Grundton und die fetten Mitten des Amps. Natürlich wog er durch das massive Hartholzgehäuse (in diesem Fall Ahorn), die riesigen Trafos und den Speaker einen gefühlten Zentner.
Bei der Reparatur des abgebildeten Amps wurde mir schnell klar, warum man an diesen Produkten meist keine lange Freude hatte. Die 6V6-Röhren liefen bei 485 Volt, was den meisten dieser Typen nach kürzester Zeit den Garaus macht. Selbst die geduldigsten Vintage-Röhren können maximal 410 bis 420 Volt aushalten. Das war schon damals so. Und daher mussten sich Bonnie Raitt, Lee Ritenour, Robben Ford und Mark Knopfler schon bald wieder von ihren geliebten Kelley-Kombos trennen.
Aber es gibt Hoffnung! Mit der moderneren 6V6 von JJ gibt es eine Röhre, die zuverlässig mit Spannungen von bis zu 550 Volt arbeitet. Diese Röhren habe ich damals in den abgebildeten Kelley eingesetzt. Er läuft immer noch tadellos.
1985 und etwa 600 Amps später hat Jim Kelley seine kleine Boutique-Werkstatt wieder aufgegeben. In den USA hatten sich die meisten Profis mittlerweile üppige Racksysteme zugelegt, und gute 6V6-Röhren waren auch nicht mehr erhältlich. Seit ein paar Jahren werden die Kelley Amps aber wieder unter der Federführung von John Suhr gebaut. Diese Amps können sogar den Originalen das Wasser reichen. Auch das wunderschöne Design ist geblieben.
In Deutschland werden die Amps bei Station Music in Jettingen-Scheppach vertrieben. Ob vintage oder neu: preiswert sind diese Verstärker nicht. Für einen Boutique-Amp dieser Kategorie liegen die Preise gebraucht oder neu bei € 3900 aufwärts. Angeboten werden neben Combos im Hartholzgehäuse auch Modelle in schwarzem Tolex als Top oder Combo, Zusatzboxen und natürlich der von Kelley bekannte und hoch gelobte Powersoak.
Sehr gute Klangbeispiele gibt es auf der Kelley Homepage oder auf Youtube-Videos des bekannten Test-Bloggers Pete Thorn oder von Joe Bonamassa, der seit geraumer Zeit auch zu den Kunden gezählt werden darf. Trotz der anfangs erwähnten technischen Schwächen, gehören diese Amps für mich auch heute noch zur ersten Riege der Boutique-Legenden. Ihr Sound ist so markant und einzigartig, dass ich einen Kelley sogar einem Dumble oder Boogie Mark I vorziehen würde.
Ein Original wird sich kaum noch finden. In Deutschland gibt es vermutlich kaum mehr als ein Dutzend dieser Amps. Daher verdienen sie in meiner Rare-Bird-Rubrik einen Ehrenplatz. Bis zum nächsten Mal! Udo Pipper
Hallo Udo Pipper, ich bin Besitzer eines Jim Kelly Vintage Amps, den ich Anfang der 80er Jahre erworben habe und seitdem spiele. Ich kann eure Bewertung der Qualität dieses Verstärkers in allen Punkten nur bestätigen. Zurzeit überlege ich jedoch, mich, wenn auch schweren Herzens, von meinem heißgeliebten Amp zu trennen. Bei Interesse bitte ich um Rückmeldung an die genannte EMail Adresse
Moin, ich spiele seit Angang 90er Jahre über einen Jim Kelley Amp. Diverse besessen in Edelholz, Tolex, auch 2 vom FACS (Foot Activated Channel Switch) Modell, dem 2- Kanaligen Modell. Geblieben ist der “einfache” als Reverb Model in chremefarbenem Tolex. Der Einkanalige ist einfach geiler. Es wird immer so viel von “Sound” und “Klang” gesprochen. Entscheidend ist im Bandgefüge aber das Durchsetzungsvermögen (nicht die Lautstärke!) in einem Bandgefüge und die Dynamik. Der Kelley Amp macht dieses hervorragend. Viel “Sound” und “Klang” wird beim Anschlag mit dem Plek, Finger etc. produziert und hier liegt die wahre Stärke der Kelley Amps. Der Amp setzt brutal gut genau das um, was man macht, direkt, ohne Zeitverzögerung und ohne im Ton zusammenzubrechen, wenn es Punch auf die Saiten gibt. Habe viele, auch Vintage Amps gespielt und ausprobiert….viele tolle Sounds und Klänge, aber in der Umsetzung dessen, was man mit den Fingern auf der Gitarre erzeugt, unberührt vom Klang oder Sound, gibt es wenn überhaupt, dann kaum ein Handwerkszeug, was diesen Kisten das Wasser reichen kann. Es wird sehr genau reproduziert was man macht. Im negativen wie im positiven. Nein, ich bin nicht betriebsblind. Was ich schreibe, ist von meiner Seite aus völlig nüchtern betrachtet. Habe weitere diverse Amps und weiß genau, wovon ich schreibe. Wenn Ihr die Möglichkeit habt so ein Teil mal zu spielen: machen!
Hallo Udo Pipper, ich bin Besitzer eines Jim Kelly Vintage Amps, den ich Anfang der 80er Jahre erworben habe und seitdem spiele. Ich kann eure Bewertung der Qualität dieses Verstärkers in allen Punkten nur bestätigen. Zurzeit überlege ich jedoch, mich, wenn auch schweren Herzens, von meinem heißgeliebten Amp zu trennen. Bei Interesse bitte ich um Rückmeldung an die genannte EMail Adresse
Klaus, noch zu verkaufen?
Moin, ich spiele seit Angang 90er Jahre über einen Jim Kelley Amp. Diverse besessen in Edelholz, Tolex, auch 2 vom FACS (Foot Activated Channel Switch) Modell, dem 2- Kanaligen Modell. Geblieben ist der “einfache” als Reverb Model in chremefarbenem Tolex. Der Einkanalige ist einfach geiler. Es wird immer so viel von “Sound” und “Klang” gesprochen. Entscheidend ist im Bandgefüge aber das Durchsetzungsvermögen (nicht die Lautstärke!) in einem Bandgefüge und die Dynamik. Der Kelley Amp macht dieses hervorragend. Viel “Sound” und “Klang” wird beim Anschlag mit dem Plek, Finger etc. produziert und hier liegt die wahre Stärke der Kelley Amps. Der Amp setzt brutal gut genau das um, was man macht, direkt, ohne Zeitverzögerung und ohne im Ton zusammenzubrechen, wenn es Punch auf die Saiten gibt. Habe viele, auch Vintage Amps gespielt und ausprobiert….viele tolle Sounds und Klänge, aber in der Umsetzung dessen, was man mit den Fingern auf der Gitarre erzeugt, unberührt vom Klang oder Sound, gibt es wenn überhaupt, dann kaum ein Handwerkszeug, was diesen Kisten das Wasser reichen kann. Es wird sehr genau reproduziert was man macht. Im negativen wie im positiven. Nein, ich bin nicht betriebsblind. Was ich schreibe, ist von meiner Seite aus völlig nüchtern betrachtet. Habe weitere diverse Amps und weiß genau, wovon ich schreibe. Wenn Ihr die Möglichkeit habt so ein Teil mal zu spielen: machen!