Workshop

Parts Lounge: Vintage Jensen Alnico Lautsprecher

Anzeige
Original Jensen Speaker-Logo (Bild: Udo Pipper)

Im vergangenen Jahr hatte ich wieder einige wunderschöne alte Fender-Tweed-Amps zur Restaurierung in meiner Werkstatt. Oft sind diese Amps noch erstaunlich intakt, sodass es meist genügt, einige Elkos und Koppelkondensatoren zu tauschen. Ein entscheidender Baustein ist allerdings der Lautsprecher, der nur in den seltensten Fällen noch gut funktioniert. Bei den meisten amerikanischen Verstärkern wie bei den Herstellern Fender, Gibson oder Ampeg finden wir die legendären Jensen-Alnico-5-Speaker aus der Concert-Serie.

GRÖSSEN UND MODELLE

Peter Jensen, ein dänischer Auswanderer, gründete die Jensen Company 1927 in Chicago/Illinois, wo er zunächst Lautsprecher für Radios, das Militär und Kino-Beschallung produzierte. Ab Mitte der Vierzigerjahre bekam er den Auftrag, sämtliche Lautsprecher für die Fender Company zu entwickeln. Hierdurch erlangte Jensen weltweiten Ruf, denn der Lautsprecher galt in dieser Zeit als wichtigster Baustein eines Verstärkers. Die Geburtsstunde des Rock’n’Rolls oder die Entwicklung der Jazz-Gitarre sind eng mit dem Jensen-Sound verbunden. Während der Gründerjahre bei Fender, Ampeg oder Gibson waren die meisten Verstärker mit der sogenannten Concert-Serie von Jensen bestückt. Bis etwa 1960 waren das die taubenblau lackierten Alnico-5-Lautsprecher mit dem typischen „Becher“, der den Alnico-Magneten verdeckte.

Anzeige

Blauer Alnico-Speaker aus den Fünfzigern und schwarzes Modell ab circa 1960 (Bild: Udo Pipper)

Ab 1960 wurde der Korb schwarz lackiert und auf die Becher-Abdeckung verzichtet. Hergestellt wurden die Concert-Speaker in den Größen 6, 8, 10, 12 und 15 Zoll mit jeweils unterschiedlich großen Magneten, worüber ein an den Modellnamen angehängter Buchstabe Aufschluss gab. Die schwächsten Lautsprecher kamen aus der „R“-Serie. Der Buchstabe „P“ stand bei allen Modellen als Prefix für alle Alnico-Lautsprecher, danach folgte die Größenbezeichnung und schließlich die Kennzeichnung der Magnetgröße und Leistung.

Modell-Stempel auf dem Speaker-Korb (Bild: Udo Pipper)

Ein P12R (findet man in den meisten Tweed-Deluxe-Modellen) leistete etwa 12 Watt, was aus heutiger Sicht ziemlich schwach klingt. Ein P12Q verkraftete immerhin schon circa 14 Watt und ein P12N ganze 18 Watt. Im legendären Fender Tweed Twin, der 65 Watt hatte, waren zwei P12N-Lautsprecher verbaut. Damit war die Bestückung also gnadenlos unterdimensioniert.

Die originale Membran eines P12N (Bild: Udo Pipper)

KURZLEBIG

Das war aber nicht das einzige Problem bei diesen Lautsprechern. Während sie ihre klanglichen Stärken einerseits vor allem ihren Konstruktionsmerkmalen verdanken, führten diese letztlich aber auch zu der problematisch kurzen Lebensdauer dieser Speaker. Die noch aus echtem Kraftpapier hergestellte Membran war recht dünn, aber auch leicht anzuregen. Zudem waren die Schwingspulenträger ebenfalls aus Papier oder Pappe und sehr eng zwischen Polkern und Polplatte zentriert. Klanglich war dies in puncto Dynamik und Ansprechverhalten ein großer Vorteil, allerdings wirkte es sich nachteilig auf die Hitzebeständigkeit aus. Bei Überlastung konnten sich die Schwingspulenträger schnell verformen und anschlagen, was das Ende des Lautsprechers bedeutete. Jensen Alnico-Speaker waren nicht dafür konstruiert, einen voll aufgedrehten Overdrive-Amp-Sound zu übertragen. Unter solchen Bedingungen gingen die Lautsprecher reihenweise kaputt.

Jensen-Stempel auf der Lautsprecher-Membran (Bild: Udo Pipper)

Die Membranen wurden außerdem noch mit Knochenleim verklebt, der bei Überhitzung an Stabilität verlieren kann. Oft litt die wichtige Zentrierung unter solchen Hitzeschäden. Hierdurch verloren die Speaker meist auch ihre Effizienz. Der Wirkungsgrad der alten Jensen-Alnico-Speaker lag ohnehin meist weit unter den vergleichsweise „lauten“ Alnicos von Celestion oder JBL. Die Lautstärkeanforderungen waren in den Fünfzigerjahren offenbar noch ganz andere als im darauffolgenden Jahrzehnt. Verlieren diese Lautsprecher dann über die Jahre durch Verformung einen Teil ihrer Leistung, übertragen sie den Ton nur noch recht schwach und mit einem dünnen, buchstäblich kraftlosen Sound. Und genau dieses Problem finden wir heute bei fast jedem Vintage-Jensen-Lautsprecher aus diesen Baujahren.

SOUND

Da aber ihr Klang in intaktem Zustand so einizigartig ist, sind Musiker und Sammler ständig auf der Suche nach solchen Lautsprechern. Jüngst habe ich vier alte Jensen P12Q erstanden, von denen nur ein einziger noch gut funktionierte. Die drei anderen klingen auffällig leise, dünn und sind damit praktisch unbrauchbar. Meine Kauflust entstand währen der Restaurierung eines 1955er-Tweed-Deluxe-Amps, der aufgrund seines noch sehr gut laufenden P12Q-Speakers einfach himmlisch klang: dreidimensional, warm, offen und mit diesen verzückenden „Dumble“-Mitten, die nur selten allein von der Elektronik verursacht werden können. In der Woche des Probelaufs des restaurierten Amps schwärmten zahlreiche Besucher in meinem Showroom von diesem Sound.

Teilweise wurden spontan hohe Kaufgebote ausgerufen, so süchtig schien dieser Klang zu machen. Liebhaber schätzen diese Sounds von Larry Carlton, bei Steely Dan oder Donald Fagen, von Neil Young, den Eagles, Tom Petty oder Lenny Kravitz. Ein Tweed Deluxe oder ein Tweed Bassman scheinen nur mit diesen Lautsprechern wirklich komplett.

KONSERVIERUNG UND ERSATZ

Was also tun, wenn man diesen Sounds einmal verfallen ist, aber einfach keinen intakten Lautsprecher findet? Oder wie schützt man den noch intakten Schatz, den man doch aufgrund seiner Qualitäten auch nutzen möchte?

Letzteres ist nur so zu beantworten: Man muss einen alten Jensen stets möglichst schonend und damit leise spielen, wenn er nicht kaputt gehen soll. Dem Sammler kann man nur raten, den alten Lautsprecher auszubauen und für einen eventuellen Wiederverkauf gut aufzubewahren. Lautsprecher mit geminderter Leistung schicke ich übrigens seit geraumer Zeit zu Stefan Bischoff von PPA Audiotechnik in Ahrensbök. Er kann Lautsprecher oft auch ohne Reconing, also ohne Austausch der gesamten Membran, wieder reparieren. Allein eine neue Zentrierung kann oft Wunder bewirken.

Bei einem anderen P12Q, der leichte Kratzgeräusche zeigte, konnte ich das Problem beheben, indem ich den Lautsprecher um 180 Grad gedreht wieder in das Gehäuse geschraubt habe. Die Schwingspule kann im Laufe der Jahre auch durchhängen. Natürlich sind solche Lösungen vermutlich eher von geringer Dauer. Ist die Zentrierung einmal dahin, hilft nur die Überarbeitung vom Profi.

Aufgrund der beschriebenen Probleme, treibt den Klangliebhaber natürlich die Frage nach einem modernen Ersatz um. Zunächst wären da die Lautsprecher von Jensen aus aktueller Produktion. Nachdem der USA-Hersteller in Chicago seine Pforten Ende der 60er-Jahre geschlossen hatte, bediente sich Fender bei verschiedenen anderen Herstellern wie Oxford, CTS, Utah oder Eminence. Obwohl man auch hier exzellent klingende Lautsprecher fand, konnte in meinen Augen keine der genannten Firmen einen befriedigenden Ersatz für den Sound der Jensen-Speaker liefern.

Ab 1996 wurden beim italienischen Lautsprecher-Unternehmen SICA die meisten der alten Jensen-Concert-Speaker wieder neu aufgelegt. Zwar gab man sich bei der Neuauflage wahnsinnig große Mühe, konnte jedoch an die typischen Klänge der historischen Vorbilder nicht bis in letzte Detail anknüpfen. Ich habe damals mit einigen Entwicklungsingenieuren von SICA gesprochen, die sich von Anfang an über die modernen und umwelttechnischen Voraussetzungen durchaus bewusst waren. Echtes Kraftpapier darf laut EU-Recht heute nicht mehr verwendet werden.

Auch moderne Lautsprechermembranen werden aus Recycling-Materialen gefertig und sind auch heute meist etwas dicker und daher stabiler. Auch die Schwingspulenträger aus Pappe (paper voice coil) sind Geschichte. Hier kommt heute Kunststoff zum Einsatz. Daher halten die Lautsprecher länger, sind effizienter und weniger hitzeanfällig. Sie klingen deshalb aber auch nicht mehr exakt wie ihre berühmten Vorbilder. Dennoch halte ich die aktuellen Jensen-Modelle für unterschätzt. Nach einer gewissen Einspielphase klingen sie nämlich wirklich hervorragend, was vor allem für die Alnico-Modelle gilt, die ich immer noch regelmäßig verwende. Im Frühjahr diesen Jahres habe ich in einen überarbeiteten Fender Tweed Bassman vier italienische P10R-Speaker eingebaut, die nach ein paar Tagen Dauerbetrieb wirklich hervorragend klangen. Man sollte diesen Lautsprechern stets etwas Zeit geben und sie keineswegs frisch ausgepackt beurteilen. Die Speaker werden mit der Zeit geschmeidiger, wärmer und dichter.

Eine andere Alternative sind die aus den USA bekannten Weber-Repliken, die ebenfalls eine ganze Serie von Neuauflagen der alten Jensen-Modelle im Programm haben. In Deutschland werden diese Lautsprecher etwa bei Captains Guitar Lounge in Emmering bei München vertrieben. Die Weber-Alnicos tönen etwas dunkler und mittiger als die alten Vorbilder, während die italienischen Jensen-Repliken meist etwas heller und frischer klingen. Da muss jeder selbst entscheiden, wo man seine persönlichen Lieblinge findet. Ich muss zugeben, dass ich mir während der langen Monate des Corona-Lockdowns die Zeit auch mit der Wiederentdeckung der alten Jensen-Klänge versüßt habe. Es war einfach zu schön, diese Lautsprecher hier zu haben und in all ihren unterschiedlichen Nuancen genießen zu dürfen.

Jensen P12N (Bild: Udo Pipper)

Mein favorisierter P12Q verlor aber bald schon wieder seine Frische und Effizienz, ein anderer begann zu kratzen, während ein ursprünglich sagenhaft klingender P12N gleich komplett den Geist aufgab. Natürlich klingen auch diese Lautsprecher am besten, wenn man etwas aufdreht und den Amp in den Overdrive treibt, aber dann ist schnell Schluss mit lustig. In meinem 1956er-Tweed-Tremolux läuft jetzt wieder ein neuer Celestion-Alnico-Blue, den Stefan Bischoff von PPA Audiotechnik neu zentriert hat und der seitdem ausgesprochen warm und rund klingt. In meinem Tweed Deluxe läuft ein Tone-Tubby-Hempcone-Alnico-Speaker, der zwar nicht ganz so geschmeidig und frisch wie ein alter Jensen klingt, aber immerhin an diese Klänge, die wir von so vielen alten Aufnahmen kennen und gewöhnt sind, erinnern lässt. Bis zur nächsten Folge ‚Parts Lounge ‘!

(erschienen in Gitarre & Bass 11/2020)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Die absolute Spitzenklasse der Pipper-Artikel! Was habe ich gelernt: ich bleibe bei meinen aktuellen “China-Krachern” von Celestion, wenn es um Speaker geht – die klingen vielleicht nicht ganz so gut, aber wenigstens bleibt die Spule während der nachsten Probe / dem nächsten (hoffentlich irgendwann wieder möglichen) Auftritt auf ihrem Spulenträger – und für den Preis einer solchen Vintage-Pappe kaufe ich mir lieber etwas sinnvolles, das eine Lebensdauer von mehr als 2 Minuten hat… Aber im Artikel steht ja indirekt auch: nix für aktive Band-/Live-Musiker, geniessen kann man die Teile eh’ nur im Wohnzimmer am 0,5 Watt-Amp, wenn der Knochenleim nicht flüssig werden soll… “Geniessen Sie den Klimawandel”

    Auf diesen Kommentar antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.