In dieser Folge gehen wir ganz konkret auf die wesentlichen technischen Vorraussetzungen beim Röhrentausch ein. Hat man durch Abklopfen oder durch eine Sichtung den „Übertäter“ ermittelt, folgt der Tausch der defekten Röhre(n).
Es wird auf jeden Fall empfohlen, die Röhren ausschließlich gegen die gleichen Typen zu tauschen. Wer experimentieren oder klanglich tunen möchte, kann auch Alternativen wählen. Aber dazu später mehr.
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VORSTUFE
Steht auf der Röhre etwa 12AX7 oder GZ34, dann sollte man sich zunächst genau diese Röhren besorgen. Auf einigen Verstärkern (vor allem bei Fender) befindet sich im Gehäuse ein Belegungsplan, auf dem man ablesen kann, welche Röhre wohin gehört. Das ist vor allem dann praktisch, wenn die Beschriftung der defekten Röhre über die Jahre unleserlich geworden ist oder gar keine Röhre (etwa nach einem Gebrauchtkauf) mehr drin steckt. In den meisten Verstärkern ist bereits optisch gut zu erkennen, was eine Vorstufenröhre ist und was eine Gleichrichter- oder Endröhre. Letztere sind in der Regel deutlich größer als die recht zierlichen Vorstufenröhren.
Bis etwa Ende der Fünfzigerjahre findet man in alten Fender- oder Gibson-Amps auch sogenannte Oktal-Vorstufen, die dann nicht selten genauso groß sind wie die Endstufenröhren.
Hier muss man etwas aufpassen, denn diese Röhren sind meist nicht durch verwandte Typen austauschbar, wie etwa die meisten Röhren der 12A(XYTU)-Familie. Diese Röhren finden sich mit Bezeichnungen wie 6SN7, 6SC7 oder 6SJ7. Im Grunde sind dies genauso Doppeltrioden wie ihre kleineren Nachfolger, aber oft anders verschaltet und daher nicht miteinander kompatibel. Sie genießen übrigens unter Liebhabern einen legendären Ruf aufgrund ihrer „warmen“ oder „analogen“ Klangeigenschaften. Im HiFi-Bereich ist dieser Vorstufentyp daher aktuell eher zu finden als in Gitarrenverstärkern, denn diese Röhren sind sehr selten geworden.
Die Vorstufenröhren der meisten Gitarren-Amps kommen heute aus der 12A-Famile. Die 12AX7 wird in Europa auch unter der Bezeichnung ECC83 verkauft.
Es handelt sich aber um ein und dieselbe Röhre, nur mit zwei unterschiedlichen Bezeichnungen. Die 12AX7 entspricht der ECC83 die 12AT7 der ECC 81 und die 12AU7 der ECC82. Sie unterscheiden sich vor allem durch ihr Gain-Verhalten und kommen damit in unterschiedlichen Bereichen einer Verstärkerschaltung zum Einsatz.
Die besonders selektierte und daher stabile Militärversion der 12AX7/ECC83 wurde in den USA auch mit der Bezeichnung 7025 verkauft. Auch diese Röhre ist ein geeigneter Ersatz, nur dass sie aufgrund ihrer gesteigerten Stabilitätsanforderungen oft ein paar Euro mehr kostet, dafür aber auch länger halten soll.
Bei den Doppeltrioden der Vorstufen findet man am unteren Ende der Glaskoben insgesamt neun kreisförmig angeordnete Pins. Drei sind für die Versorgung mit der Heizspannung (4, 5 und 9), die übrigen sechs für jeweils Anode (1 und 6), Gitter (2 und 7) und die Kathode (3 und 8). Meist kann man die Röhren gut unter leichten Drehbewegungen herausziehen. Zwischen Pin 9 und Pin 1 ist eine Lücke im Kreis, die man beim Einstecken der neuen Röhren wieder genau treffen muss. Das ist eigentlich schon alles, was es zu beachten gilt. Zielt man „falsch“, verbiegt man mitunter einen der Pins und muss ihn für einen erneuten Versuch wieder geradebiegen.
Aber das ist kein Beinbruch! Alle Vorstufenröhren in Gitarren-Amps sind im Auto-Bias verschaltet. Es muss also kein Ruhestrom eingestellt werden. Einfach tauschen und fertig.
In High-Gain-Amps findet man ab und zu Röhren mit einer dämpfenden Karbon- oder Gummiummantelung. Diese Maßnahme soll bei hohen Verstärkungen die Mikrofonie-Anfälligkeit minimieren. Das funktioniert in einem High-Gain-Amp sogar recht gut, wäre in einem möglichst klar klingenden Fender Super Reverb jedoch überflüssig und würde dort gerade die gewünschten „glockigen“ Höhen unnötig bedämpfen.
Über den meisten Vorstufenröhren stecken Abschirmhülsen aus Metall. Die müssen aber nicht unbedingt drauf sein, denn die Röhre funktioniert meist ebenso tadellos ohne Hülse.
Es kann aber vorkommen, dass diese Hülsen die Röhre vor elektromagnetischen Einstreuungen abschirmen und daher auch wirklich Sinn machen. Klangliebhaber haben dagegen längst erkannt, dass auch diese Hülsen den Ton des Amps etwas bedämpfen (subtiler Effekt) und lassen diese daher aus Prinzip weg.
Hat man die unterschiedlichen Gain-Faktoren der verschiedenen 12A-Typen verinnerlicht, kann man die Vorstufe auch gezielt mit verwandten Röhrentypen bestücken, um andere Klangeigenschaften zu erhalten. Man kann zum Beispiel die Röhre V1 ganz vorn in der Schaltung − meist eine 12AX7/ECC83 − durch eine 12AT7/ ECC81 ersetzen, um weniger Gain zu erhalten.
Der Amp wird klarer, aber auch leiser, weil die 12AT7 nur etwa halb so hoch verstärkt wie eine 12AX7. Noch geringer verstärkt eine 12AU7, was in manchen Amps schöne Effekte hervorruft (zum Beispiel in der Vorverstärkung einer Jazz-Gitarre, die sehr lange clean bleiben soll). Grundsätzlich sind die 12A-Typen untereinander austauschbar, da die PIN-Belegung stets gleich ist. Dennoch wird dies nicht immer empfohlen. So findet man in den meisten Fender-Verstärkern eine 12AT7 als Halltreiberstufe. Da hier an den zudem noch gebrückten Anoden um 400 Volt anliegen, kann es gefährlich sein, diese Röhre durch eine 12AX7 zu ersetzen, denn die Anode dieser Röhre „verträgt“ in der Regel höchstens 300 Volt. Eine 12AU7 kann dagegen recht gut passen, weil sie ebenso gut mit den hohen Spannungen klarkommt wie eine 12AT7. An dieser Stelle würde man zudem den Hall schonender anfahren und den Sound eventuell attraktiver machen. Es lohnt sich daher, stets Erkundungen über die Möglichkeiten von Austauschtypen einzuholen.
ENDSTUFE
Etwas kniffliger ist der Austausch der Endröhren. Die erste Hürde besteht darin, die Röhre überhaupt aus der der Fassung zu ziehen. Aus Sicherheitsgründen werden die meisten Endstufenröhren zusätzlich durch sogenannte Haifischkrallen gesichert. Das soll verhindern, dass sie sich beim Transport von selbst aus der Fassung lösen und herunterfallen. Immerhin sind diese Röhren viel größer und daher auch schwerer als Vorstufenröhren.
Die beiden Krallen muss man dazu vorsichtig auseinander biegen. Anders bekommt man die Röhren nicht heraus, denn die kleinen Metallzähnchen vergraben ihre Spitzen oft fast unnötig vehement im Sockel.
(Bild: W-Music Distribution)
Wendet man hier Gewalt an, zerbricht nicht selten der Führungs-PIN am unteren Ende des Sockels. Dieser stellt aber sicher, dass man die Röhre nur in einer ganz bestimmten Position wieder einstecken kann. Geht dieser Führungs-PIN verloren, kann man die Röhre in jeder möglichen Position wieder einstecken, was vielen unkundigen Röhrentauschern dann auch passiert. Die Folgen sind dann meist richtig schlimm, denn auf einmal liegt der PIN für den Heizfaden (6,3 Volt Wechselspannung) in der Öffnung in der Röhrenfassung, an der diese mit 450 Volt Gleichspannung aus dem Netzteil gespeist wird. Im besten Fall fliegt sofort die Sicherung heraus (und zwar nicht nur die im Amp).
Daher sollte man Röhren mit gebrochenem Führungs- PIN möglichst sofort entsorgen. Im Halbdunkel einer Bühne oder eines Proberaums kann man diese kleine Sollbruchstelle schnell mal übersehen und erzeugt dann unabsichtlich einen oft schweren Unfall (für Röhren, Amp und Haussicherung).
Auch bei den Endröhren wird grundsätzlich empfohlen, absolut typengerecht zu tauschen. Also 6L6 nur gegen 6L6 tauschen und EL34 nur gegen EL34! Ausnahmen sind möglich, aber dazu mehr in der nächsten Ausgabe.
Bei älteren Röhren-Amps findet man in den Fassungs-PINs meist Schmutz und Staub, den man von Zeit zu Zeit entfernen sollte. Ich verwende dazu die praktischen Dental-Bürsten aus der Apotheke. Die gibt es in verschiedenen Größen und daher jeweils passend für Vor- und Endstufen-Fassungen. Ein Tröpfchen Alkohol drauf und vorsichtig bürsten bis kein Schmutz mehr auf der Bürste zu sehen ist. Das verbessert den Kontakt und damit den Sound und die Lebensdauer der Röhren.
Die meisten Endröhren in Gitarrenverstärkern laufen im so genannten Push-Pull-Betrieb mit fester negativer Gittervorspannung (BIAS). Diese Spannung bestimmt den Ruhestrom der Röhre (im Leerlauf). Und dieser Ruhestrom darf nur in einem bestimmten Bereich fließen. Auch das ist entscheidend für die optimale Funktion von Röhren und Amp. Mitunter muss dieser Ruhestrom nach einem Wechsel neu eingestellt werden. Dazu muss man natürlich wissen, wo der überhaupt liegt.
Mit einem Bias-Messgerät kann man den Strom kinderleicht messen und ablesen. Hier steckt man zwei oder vier Röhrensockel, die wiederum eine Fassung für die Endröhren enthalten, in den Amp und schaltet das Gerät ein.
Der Ruhestrom ist abhängig vom Verstärker- und Röhrentyp. Zudem spielt die Anodenspannung des Verstärkers dabei eine Rolle. Es gibt also einiges zu beachten. Daher sollte der Ruhestrom in der Regel vom Fachmann eingestellt werden. Mit etwas Knowhow kann man das jedoch sogar selbst machen. Dazu mehr in der nächsten Ausgabe.
Hallo,
Bis zu welchem Durchmesser können die Röhrenklammern aufgebogen werden?
Gruss
H.p.