Trotz des seit Corona beklagten Kulturpessimismus, Wirtschaftsflauten, Klimawandel und kriegerischen Auseinandersetzungen auf europäischem Boden blühen andernorts Gemeinschaften und Leidenschaften auf, die Mut machen. Auch ich bemerke das in meiner Servicewerkstatt. Während in den vergangenen Jahren vorwiegend praktizierende Musiker und Profis zu mir kamen, sind es seit geraumer Zeit mehr und mehr Hobbyisten, die aus purer Leidenschaft ihre Instrumente suchen und pflegen.
Les Paul, Telecaster und Stratocaster sind zwar nach wie vor allgegenwärtig, die Sehnsucht nach individuellen Lösungen wachsen aber von Jahr zu Jahr nicht nur in meinem Umfeld. Gitarrenbauer, die solche Träume verwirklichen können, sind derzeit oft ausgebucht. Schon oft habe ich hier die Problematik thematisiert, dass die vermeintlichen Ikonen von Gibson oder Fender nicht selten – was ihre klanglichen Möglichkeiten angeht – Luft nach oben lassen. Besitzer dieser Klassiker suchen nach besserer Hardware, Elektronikbausteinen und Pickups. Auch dieses Geschäft blüht!
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Aber warum muss man diese Umwege überhaupt gehen? Warum nicht gleich bei einem Gitarrenbauer sein Trauminstrument bestellen? Auch dieser Weg wird immer häufiger eingeschlagen. Auf dem letzten Guitar Summit in Mannheim konnte man mehr denn je solche Instrumente bestaunen, die zu meiner Überraschung vor Fantasie und Klangmöglichkeiten nur so sprühten.
Da gibt es dann die etablierten Größen wie Mathias Schindehütte, Nik Huber, Jens Ritter, Ulrich Teuffel, Frank Deimel, Jörg Tandler, Jochen Imhof, Preuss Guitars, um nur einige Namen zu nennen, sowie neue „Sterne“ wie Gerhard Schwarz oder Gregor Guitars und viele mehr (auch ich kenne längst noch nicht alle). Die Freude am Thema verleitet auch immer mehr Privatleute dazu, sich eine Werkstatt einzurichten und selbst Hand anzulegen. Und das ganz ohne künstlerische Grenzen wie es scheint.
Dazu gehört Dr. med. Thomas Schmidt-Winkler, der, wie der Titel es schon verrät, seinen Lebensunterhalt als erfolgreicher Arzt verdiente, aber seit immerhin dreißig Jahren zuhause in Düsseldorf eine Werkstatt betreibt, die es in sich hat. Ein äußerst sanfter und freundlicher Mann mit jenem leidenschaftlichen Leuchten in den Augen, dass einen sofort vereinnahmt. Einmal auf Gitarrenklänge angesprochen, versprüht er leise, aber mit höchstem Sachverstand sein Wissen und seine langjährige Erfahrung. Er ist ein Paradebeispiel dafür, dass die Fantasie für Klangkunst keine Grenzen zu haben scheint. Er erfindet sich immer wieder neu, pflegt keinen bestimmten Modell-Katalog („…das würde ja langweilig werden“) und lebt seine Passion völlig frei und von allen kommerziellen Regeln unabhängig aus. Er ist Rentner und auf den Verkauf seiner Instrumente nicht angewiesen. Die absolute Freiheit in seinem Schaffen ist die Folge. Und genau das macht es so interessant. Bewusst beschreitet er vermeintliche Irrwege und urteilt stets im Nachhinein, was ihm da gelungen oder auch manchmal weniger gut gelungen ist.
Ich kenne ihn nun seit einigen Jahren, und seine Herangehensweise hat mich stets fasziniert. So sehr, dass ich mich nun auch auf ein Gitarrenprojekt mit ihm eingelassen habe. Die Gitarre hat eine an die Stratocaster angelehnte Form und wurde aus superleichtem Sassafras gefertigt. Das Instrument ist noch nicht fertig. Es fehlt noch der letzte Schliff (im wahrsten Sinne), aber die ersten Tests sind absolut verblüffend. Die Gitarre spielt sich nicht nur traumhaft, sondern sie klingt auch nur im weitesten Sinne nach einer Stratocaster. Und das ist ungeheuer inspirierend. Sie belegt auf einzigartige Weise, dass die Ursprünge für die Klänge auch von E-Gitarren im Holz liegen. Solche Theoreme werden ja seit Jahren eifrig diskutiert, vor allem vom Regensburger Physik-Professor Dr. Manfred Zollner, der zu ganz anderen Schlüssen kommt. Zu gerne würde dieser beweisen, dass Holz nun mal eine, wenn überhaupt, untergeordnete Rolle spiele.
Das widerspricht nicht nur der Überzeugung von Thomas Schmidt-Winkler, sondern auch praktisch jedem erfahrenen Gitarrenbauer, den ich kenne. Schmidt-Winkler macht aus seiner Überzeugung auch keinen Hehl:
„Ich klopfe das Holz ab, und wenn es zu mir spricht, dann mache ich eine Gitarre daraus. So einfach ist das. Die Inspiration kommt immer aus dem Holz.“
Und so reist der Gitarrenbauer durch die Lande und sucht nach geeigneten Stücken für ein neues Vorhaben. Das kann aus einer alten Tischplatte aus einer Haushaltsauflösung bestehen, aus einer Treppenstufe, einem Schrank oder einem Dachbalken. Einen großen Teil seiner Werkstatt nimmt mittlerweile sein Holzlager ein. Dort ruhen die Hölzer manchmal Jahrzehnte bis er sich entschließt, eine Gitarre daraus zu machen.
Aus klanglicher Sicht ist ein Besuch bei ihm wie eine Wanderung durch ein Schlaraffenland. Zarge an Zarge stehen dort die manchmal exotischsten Konstrukte, die allesamt eine ganz eigene Stimme verlauten lassen, und zwar solche, die man von Klassikern wie Stratocaster, Telecaster oder Les Paul noch nie gehört hat. Auch wenn die Modelle manch einen Puristen auf den ersten Blick verwirren mögen, so sind die Klänge stets von absolut höchstem Niveau. Längst haben auch Profis den fantasievollen Arzt entdeckt. So spielt beispielsweise Jazz-Gitarrist Joscho Stephan eine Akustikgitarre die eigens für ihn zugeschnitten wurde.
„Meine Kunden kommen manchmal mit den aberwitzigsten Ideen zu mir. Aber da mache ich nicht zu, sondern überlege wie man das umsetzen könnte. Wenn es gelingt, ist das die schönste Belohnung für einen Gitarrenbauer wie mich. Meine Erzeugnisse gehen hinaus in die Welt und können wirken, und das am besten durch einen guten Musiker.“
Das besondere an seiner Kunst ist, dass er überhaupt nicht auf bestimmte Genres festgelegt scheint. Er zählt von Klassik, Jazz, Blues, Hardrock bis Heavy Metal alle möglichen Künstler zu seiner Kundschaft. Sein größtes Kapital ist seine langjährige Erfahrung. Die ist durch nichts zu ersetzen. Typisch sind nur die durchweg überzeugenden Klänge, die eine Schmidt-Winkler-Gitarre bietet. Alles andere liegt im Ungewissen, in seiner Fantasie und in seinen zukünftigen Visionen.
Bild: Udo Pipper
Ganz unterschiedliche Modelle aus Schmidt-Winklers Werkstatt.
Bild: Udo Pipper
Ganz unterschiedliche Modelle aus Schmidt-Winklers Werkstatt.
Bild: Udo Pipper
Ganz unterschiedliche Modelle aus Schmidt-Winklers Werkstatt.
Bild: Udo Pipper
Ganz unterschiedliche Modelle aus Schmidt-Winklers Werkstatt.
Solche Ansätze waren und sind für mich ganz neu. Beinahe könnte man von einer Utopie sprechen, denn solch ungezügelte Freiheit wie in Schmidt-Winklers Reich der Formen und Klänge mag man kaum für möglich halten. Am Ende sind es jedoch Menschen, die über ein Thema zusammenkommen und aufeinander zu gehen. Da ist auf der einen Seite der Musiker mit einem bestimmten Traum, und auf der anderen Seite ein in seiner Auffassung ebenso künstlerisch veranlagter Gitarrenbauer, der diese Träume wahr werden lässt.
Auch ohne unser „Stratocaster-Projekt“ möchte ich auf Kontakte wie diesen kaum mehr verzichten, denn Künstler wie Schmidt-Winkler holen auch mich aus meinem Alltag, reißen mir immer wieder die Scheuklappen von den Augen und nähren meinen Mut zu der Annahme, dass Kunst – kommerziell oder nicht – immer frei bleiben muss. Ein Hoch auf die Fantasie!
Feines Ding!
Habe den Artikel bereits in der “old-fashioned” Printausgabe gelesen & fand ihn (hm, also sowohl den Artikel -schön geschrieben Udo, Respekt- als auch den Thomas ;o)) klasse!
Bin zwar ein paar Jahre jünger, jedoch…
Nach 20 Jahren “Strats only” (habe mir während des Studiums geschworen: “Jetzt spielste Strat – und zwar so lange, bis du es schaffst, aus diesem Instrument ‘nen ‘ordentlichen’ Ton zu holen…”; btw, mission accomplished ;o)) bin ich während Corona zu ‘meiner’ Gitarre zurückgekehrt – zur Les Paul.
Da ich während der Stratocaster-Phase die eine und auch die andere Custom Shop-Strat erworben hatte und meine Norlin-Custom mit fast 5kg mir etwas schwer erschien, sollte es eine Reissue werden… nun, es wurden 3 – fein nacheinander: Eine R9 mit einem Top zum Niederknien – aber der Hals war eine Zumutung (tja, so lernste, das ein “chunky” ’59er Neck absolut NIX mit den 2 echten alten Paulas, die ich zuvor kennengelernt hatte, zu tun hat!)… dann halt eine R0 mit sehr schönem “Orange Fade”! Die Optik war dann auch leider das Einzige, was an der Gitarre schön war: Sie klang wie eine neumodische Les Paul, fett, rund… und NULL “PAF-Sound” (so lernste, dass die Classic 57 keine schönen Tonabnehmer sind – die hatte der Vorbesitzer eingebaut, weil er wohl nicht mit dem “unfetten” Sound zurecht kam! Also auch wieder weg damit, und ‘ne schöne R0 aufgetrieben, die ich immer noch besitze. Allerdings spiele ich auch gern mal Rock, und die R0 ist makellos (ist ne “Gloss”) – und mit einer dermaßen teuren Gitarre kann ich nicht befreit “drauflosrocken”, ständig nervt im Hinterkopf der Gedanke: “Bloss keine Macke reinhauen”.
Am Ende fand ich (besser: fand mich) eine Standard mit wunderhübschem Desert Burst, und die spiele ich nun. Mit Wonne übrigens! Verwunderlich, denn es ist eine ’07er, d.h. sie ist ‘chambered’ (Sakrileg?! Nö, weil: Klingt! ;o)). Zudem hat sie ein Vorbesitzer ‘gerelict’… leider, dachte ich erst, denn du musst nicht erst eine “Heavy Relic” Strat besitzen (meine ist LPB, yummy!), um zu checken, dass Kratzer kein Checking sind (na, gecheckt?;o)). Mittlerweile sieht die Gute ordentlich aus: Neue Technik drin, Hardware getauscht (nach Klang) & geaged, Lack abgetragen (nicht gestripped, nur dünner!)… tja, neulich wurde ich in einer Jazz-Jam-Runde (wow, so viele Gibson RIs & PRS auf einem Haufen!) tatsächlich gefragt, ob das eine Murphy-Aged ist… es gibt schlimmere Vermutungen, oder?
Warum jetzt der Sermon?
Weil ich durch diese kleine Odyssee begriffen habe, wie erfüllend es sein kann, ein Instrument umzubauen – so lange, bis es optimal klingt. Und das tun selbst (jetzt mache ich mir keine Freunde, aber es stimmt) viele Custom Shop-Teile für ein Ungeld – nicht wirklich. Und zwar oft nicht, weil die Substanz der Gitarren schlecht wäre – sondern einfach, weil sie in den Details nicht optimal zusammenspielen, nicht bis “zu Ende” ausgearbeitet sind!
Und wenn man nach fast 40 Jahren Spielerfahrung diese Details sieht, und noch deutlicher hört, was bleibt dann zu tun?
Genau. Der Weg, den Thomas geht: “Wenn ein Stück Holz zu mir spricht, baue ich ‘ne Gitarre draus”… Yea. THAT’s the spirit, aber trauen muss mensch sich! Thomas, ich denke ich muss bald mal wieder nach Düsseldorf…
Tolle Arbeit, prima Modelle.
Hinweis: den Mehrwegschalter für die Gitarre mit F-Löchern hätte ich nicht so nahe an das untere Schall-Loch gelegt. M. E. riskant im Hinblick auf Ausbruch.
Weiterhin viel Freude mt dem Hobby 🙂
Feines Ding!
Habe den Artikel bereits in der “old-fashioned” Printausgabe gelesen & fand ihn (hm, also sowohl den Artikel -schön geschrieben Udo, Respekt- als auch den Thomas ;o)) klasse!
Bin zwar ein paar Jahre jünger, jedoch…
Nach 20 Jahren “Strats only” (habe mir während des Studiums geschworen: “Jetzt spielste Strat – und zwar so lange, bis du es schaffst, aus diesem Instrument ‘nen ‘ordentlichen’ Ton zu holen…”; btw, mission accomplished ;o)) bin ich während Corona zu ‘meiner’ Gitarre zurückgekehrt – zur Les Paul.
Da ich während der Stratocaster-Phase die eine und auch die andere Custom Shop-Strat erworben hatte und meine Norlin-Custom mit fast 5kg mir etwas schwer erschien, sollte es eine Reissue werden… nun, es wurden 3 – fein nacheinander: Eine R9 mit einem Top zum Niederknien – aber der Hals war eine Zumutung (tja, so lernste, das ein “chunky” ’59er Neck absolut NIX mit den 2 echten alten Paulas, die ich zuvor kennengelernt hatte, zu tun hat!)… dann halt eine R0 mit sehr schönem “Orange Fade”! Die Optik war dann auch leider das Einzige, was an der Gitarre schön war: Sie klang wie eine neumodische Les Paul, fett, rund… und NULL “PAF-Sound” (so lernste, dass die Classic 57 keine schönen Tonabnehmer sind – die hatte der Vorbesitzer eingebaut, weil er wohl nicht mit dem “unfetten” Sound zurecht kam! Also auch wieder weg damit, und ‘ne schöne R0 aufgetrieben, die ich immer noch besitze. Allerdings spiele ich auch gern mal Rock, und die R0 ist makellos (ist ne “Gloss”) – und mit einer dermaßen teuren Gitarre kann ich nicht befreit “drauflosrocken”, ständig nervt im Hinterkopf der Gedanke: “Bloss keine Macke reinhauen”.
Am Ende fand ich (besser: fand mich) eine Standard mit wunderhübschem Desert Burst, und die spiele ich nun. Mit Wonne übrigens! Verwunderlich, denn es ist eine ’07er, d.h. sie ist ‘chambered’ (Sakrileg?! Nö, weil: Klingt! ;o)). Zudem hat sie ein Vorbesitzer ‘gerelict’… leider, dachte ich erst, denn du musst nicht erst eine “Heavy Relic” Strat besitzen (meine ist LPB, yummy!), um zu checken, dass Kratzer kein Checking sind (na, gecheckt?;o)). Mittlerweile sieht die Gute ordentlich aus: Neue Technik drin, Hardware getauscht (nach Klang) & geaged, Lack abgetragen (nicht gestripped, nur dünner!)… tja, neulich wurde ich in einer Jazz-Jam-Runde (wow, so viele Gibson RIs & PRS auf einem Haufen!) tatsächlich gefragt, ob das eine Murphy-Aged ist… es gibt schlimmere Vermutungen, oder?
Warum jetzt der Sermon?
Weil ich durch diese kleine Odyssee begriffen habe, wie erfüllend es sein kann, ein Instrument umzubauen – so lange, bis es optimal klingt. Und das tun selbst (jetzt mache ich mir keine Freunde, aber es stimmt) viele Custom Shop-Teile für ein Ungeld – nicht wirklich. Und zwar oft nicht, weil die Substanz der Gitarren schlecht wäre – sondern einfach, weil sie in den Details nicht optimal zusammenspielen, nicht bis “zu Ende” ausgearbeitet sind!
Und wenn man nach fast 40 Jahren Spielerfahrung diese Details sieht, und noch deutlicher hört, was bleibt dann zu tun?
Genau. Der Weg, den Thomas geht: “Wenn ein Stück Holz zu mir spricht, baue ich ‘ne Gitarre draus”… Yea. THAT’s the spirit, aber trauen muss mensch sich! Thomas, ich denke ich muss bald mal wieder nach Düsseldorf…
Tolle Arbeit, prima Modelle.
Hinweis: den Mehrwegschalter für die Gitarre mit F-Löchern hätte ich nicht so nahe an das untere Schall-Loch gelegt. M. E. riskant im Hinblick auf Ausbruch.
Weiterhin viel Freude mt dem Hobby 🙂