Joe Bonamassa versäumt es in kaum einem seiner zahlreichen Gear-Interviews, darauf hinzuweisen, dass der legendäre Gibson-PAF-Sound nur erreichbar sei, wenn die jeweiligen Pickups in ein ganzes System von zusätzlichen Bausteinen eingebettet werden. Man könnte auch sagen: Er argumentiert aufgrund seiner ausgiebigen Erfahrungen mit Vintage-Parts ganzheitlich. Dass das wirklich Sinn macht, kann man schnell nachvollziehen, wenn man ihm nacheifert und sich selbst mit der Materie auseinandersetzt.
Ein anderer, nicht weniger erfahrener Verfechter solcher Thesen ist Pickup-Hersteller Andreas Kloppmann, der zwar ausgezeichnete Pickups fertigt, aber stets darauf hinweist, dass seine Produkte nur in der richtigen mechanischen und elektrischen Umgebung ihr volles Potenzial entfalten können. Hier soll es gar nicht darum gehen, die teils sündhaft teuren Originale anzupreisen, sondern vielmehr darum, mit welchen aktuellen und preiswerteren After-Market-Produkten man ans Ziel kommen kann.
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Um wirklich nachvollziehen zu können, was damit gemeint ist, braucht man natürlich eine gewisse Vorerfahrung mit Vintage-PAF-Pickup-bestückten Instrumenten und der entsprechenden Elektronik. Wer da ausprobiert, wird schnell zu der Erkenntnis kommen, dass es mit guten Pickups allein nicht getan ist. „Irgendetwas fehlt da immer“, war auch meine Feststellung, als ich begann, nach dem möglichst authentischen After-Market-PAF-Sound zu suchen.
Zunächst scheint es irgendwie ein Mysterium zu sein, dass die alten Les Pauls aus den Fünfzigern grundsätzlich so klar, durchsichtig und prägnant klingen. Um mich zu vergewissern, habe ich vor circa zehn Jahren von einem Sammler die gesamte Palette alter Bausteine für ein kleines Vermögen erworben und meine Historic Collection Les Paul damit ausgestattet. Darunter zwei 61er-PAF-Pickups mit original Kappen, vier Centralab 500K-Potis, zwei PIO Sprague Bumblebees, natürlich die komplette Wiring-Harness sowie die gesamte Hardware. Das Ergebnis war verblüffend. Meine Les Paul klang nach der Installation ausgesprochen schlank und zahm, wenn auch wesentlich musikalischer als vorher.
Ab Werk klang sie wuchtig, dumpf und dunkel, betont in den tiefen Mitten und in Puncto Saitentrennung ziemlich verwaschen. All das war mit den alten Bauteilen verschwunden. Dafür klang sie jetzt etwas zu harmlos und zu dünn.
Was fehlte, war der Klangcharakter der alten Holzkonstruktion, die offenbar für das Gesamtergebnis ebenso wichtig ist. Seither habe ich unzählige Les Pauls überarbeitet und getuned. Und das größte Anliegen der Besitzer war stets, die Gitarre klarer und durchsichtiger zu machen. Es ging gar nicht mehr darum, dem Original bis ins kleinste Detail nachzueifern, weil das offenbar ohnehin unmöglich schien.
Insofern sind die Vintage-Instrumente zwar immer noch Vorbild, aber dienen aufgrund der Unerreichbarkeit solcher Schätze nur zur Orientierung. Immerhin wurde mit diesen Gitarren Geschichte geschrieben. Außer Joe Banamassa traut sich kaum noch jemand, eine Vintage-Les-Paul mit auf die Bühne zu nehmen. Die meisten Instrumente befinden sich heute in den Händen von Sammlern, die sie nicht einmal spielen. Ich finde das nicht so schlimm, solange ich noch einige dieser Sammler kenne und mir diese Gitarren als Vorbild immer mal wieder zur Verfügung stehen.
So richtig Spaß macht die Sache eigentlich dann, wenn es einem gelingt, eine preisgünstige Gibson oder Replika (z. B. Tokai oder Maybach) etwas näher in die klanglichen Sphären einer älteren Les Paul zu rücken.
Dabei kommt es immer darauf an, welches Ergebnis man anstrebt, denn auch die alten Vorbilder unterscheiden sich mitunter erheblich. Pickup-Hersteller wie Andreas Kloppmann unterscheiden, wie die meisten anderen auch, die typischen PAF-Klänge nach Tendenzen, die sich aus unterschiedlichen Baujahren ergeben. Für den Laien scheint das manchmal ein wenig verrückt, wenn da zwischen dem 57er-, dem 58er-, 59er- und 60er-PAF-Sound unterschieden wird.
Hat man jedoch Zugang zu den Originalen, lernt man diese Unterscheidungen nachzuvollziehen. Tendenziell klangen die ganz frühen PAF-Modelle schlanker, zahmer, verführerisch durchsichtig und heller als ihre Nachfolger. Ich kenne eine 59er-Burst von einem amerikanischen Sammler, die mit ihren Original-Pickups unfassbar fett und rund klingt. Ganz anders als die 57er-Les Paul von einem Freund, die ich regelmäßig ausleihe, weil sie fast schon wie eine Telecaster tönt. Dann kenne ich da eine 60er-Les-Paul, die noch aggressiver und rockiger klingt als die Vorgänger. Natürlich sind das Regeln, für die es auch zahlreiche Ausnahmen gibt. Aber immerhin kann man sich mit der Nennung der bevorzugten Baujahre besser darüber verständigen.
In der ersten Folge möchte ich exemplarisch einige Parts vorstellen, die dem einen oder anderen vielleicht helfen können, die Suche etwas einzugrenzen. Bei meinen eigenen Tunings empfehle ich bei einem Pickup-Tausch grundsätzlich auch die Überprüfung der Potis und Tone-Kondensatoren. Unterschiedliche Klangvorstellungen sind meist kaum durch den alleinigen Wechsel der Pickups zu erreichen. Pickups und Harness bilden eine Einheit, die die Textur der Klangergebnisse insgesamt prägt.
Seit vielen Jahren werden alle Gibson Les Pauls mit CTS-Potis ausgeliefert. Seit jeher eine durchaus hochwertige Wahl. Diese Potis sind zuverlässig, stabil und vor allem in den gefragten Werten (hier 500 Kiloohm logarithmisch) mit gezahnter Poti-Achse erhältlich. Tatsache ist aber auch, dass sie dem Klang der Gitarre eine andere Farbe verleihen als die in den Fünfzigern bei Gibson verwendeten Centralab-Potis. Erstens verfügen die alten Potis über einen milderen Regelweg. Das soll heißen, die Lautstärke lässt sich feinfühliger und stufenloser einregeln.
Zudem fördern sie den Sound dieser Gitarren in Richtung Klarheit, Auflösung und Saitentrennung. Die physikalischen Gründe dafür werden ausreichend in zahlreichen Internetforen diskutiert. Da ich jedoch vier alte Centralabs von 1959 besitze, kann ich diese Eigenschaften regelmäßig selbst überprüfen. Außerdem begünstigen alte Centralabs offenbar die Erzeugung von Umlauten (Ä,Ü und Ö) in den Vokallauten bei Gitarren. Und meist ist dieser kleine, aber feine Unterschied genau das, wonach viele meiner Kunden suchen.
Beim Frontpickup-Sound von Mark Knopflers ‚Brother’s In Arms‘ oder bei Dickey Betts‘ ‚Jessica‘ hört man das in voller Ausprägung. Die modernen CTS-Potis klingen dagegen fetter, dunkler und mittiger. Powerchords liefern sie daher besser und autoritärer als die Centralabs – es ist also Geschmacksache.
Alte Centralab-Potis sind jedoch heute kaum noch zu finden. Und wenn doch, zahlt man € 150 oder mehr für ein einzelnes Exemplar. Im Viererset sind sie schon beinahe unerschwinglich, zudem gehen sie altersbedingt im Gebrauch gern mal kaputt.
Seit ein paar Jahren hat sich ein gelernter Molekular-Biologe in Beverly, Massachusetts darauf verschrieben, diese Potis wieder herstellen zu lassen.
Sebastian Grünberg stammt aus Deutschland, lebt aber in den USA und hat nicht eher aufgegeben, bis er für sich die richtige Formel für ein Centralab-ähnliches Poti gefunden hatte. Er verkauft diese Potis im Rahmen seiner kleinen Pickup-Firma ‚Vintage-Inspired-Pickups‘ für etwa € 49 im Set.
Vor circa einem Jahr erhielt ich diese Potis auf einer kleinen Musikmesse nahe Zürich, die alljährlich von Peter Kriemler und seiner Firma ‚Vintage-Inspired-Guitarparts‘ veranstaltet wird. Kriemler hat den europäischen Vertrieb für diese Produkte. Zuhause habe ich die Potis probiert und war absolut überrascht, wie authentisch diese Regler arbeiten. Insgesamt wird der Klang einer Humbucker-Gitarre damit klarer, durchsichtiger und prägnanter.
Der Regelweg hat nicht diesen „Schalter-Effekt“, den viele CTS-Potis zwischen etwa Lautstärke 7 und 9 zu haben scheinen. Ganz gleichmäßig kann die Lautstärke angehoben und daher das Gain-Verhalten am Amp besser reguliert werden. Grünberg hat alle vier Potis mit einem Widerstand von 550 k Ohm abgestimmt. Das liegt daran, dass alte Centralabs durchschnittlich in der gleichen Range liegen (Meine Centralabs haben sogar 600 k Ohm und mehr). Das ergibt ein leicht erweitertes Höhenspektrum, das sich mit diesen Potis jedoch milder und angenehmer präsentiert als bei CTS-Potis. Außerdem sind sie erfreulich leichtgängig und smooth.
Natürlich profitieren auch diese Potis von einer Verschaltung im sogenannten 50s-Wiring (der Tone-Kondensator ist mit dem Schleifer der Volume-Potis verbunden und nicht mit dem Eingang). Hier liefern sie mit dem Lieblings-Pickup den gewünschten Hollow Honk (erinnert an ein halb getretenes Wah-Pedal) in der Mittelstellung mit beiden Pickups.
Die bewusste Wahl eines hochwertigen Tone-Kondensators ist ebenfalls entscheidend. Bei mir waren das alte Sprague Bumblebees, die ebenfalls in der Schweiz bei Vintage Inspired Guitarparts erhältlichen Gudemann PIO Kondensatoren oder Jupiter Vintage Caps vom Tube Amp Doctor – allesamt hervorragend für die Tonformung!
Diese Potis sind zur Zeit der letzte Schrei für Liebhaber alter Les-Paul-Sounds. Man könnte sagen, dass sie praktisch in jeder Beziehung der herkömmlichen CTS-Bestückung etwas überlegen sind. Sowohl der Regelweg als auch der Einfluss auf die Klangfarben sind in meinen Vorführungen stets äußerst beliebt. Und ich kenne bisher noch keinen einzigen Kritiker dieser Lösung.
In der nächsten Ausgabe beschäftigen wir uns mit einigen Low-Output-PAF-Repliken, die vor allem mit modernen Instrumenten sehr gut funktionieren. Bis zum nächsten Mal!
„Fettklingende Potis“ – ein sehr religiöser Artikel, meiner Meinung nach …