Nach wie vor bekomme ich die meisten Anfragen von Lesern und Kunden bezüglich des idealen 12-Zoll-Lautsprechers. Immer mehr Gitarristen spielen mittlerweile kleine Combos oder 1×12-Boxen. Einerseits können oder möchten die Gitarristen nicht mehr so laut spielen wie noch vor Jahren üblich, andererseits spielt das Gewicht des Amps eine immer größere Rolle.
Eine 4×12-Box oder einen schweren 2×12-Combo wie einen Vox AC30 oder einen Fender Twin Reverb möchte kaum jemand mehr stemmen. Viele Gitarristen spielen zudem in mehreren Bands mit unterschiedlichsten Klanganforderungen.
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Da möchte man in Sachen Sound möglichst flexibel bleiben. Und da der Lautsprecher nun mal einer der wichtigsten Bausteine eines Gitarren-Combos ist, muss man aus dem mittlerweile riesigen Angebot das passende Modell finden. Und damit tun sich viele Gitarristen schwer, denn es gibt kaum einen Lautsprecher, der wirklich allen Ansprüchen gewachsen ist.
Außerdem sind ihre Eigenschaften wiederum stark abhängig vom verwendeten Amp, der Gehäuse-Konstruktion, den Gehäuse-Abmessungen und natürlich den spezifischen Gitarrensounds, mit denen man sein komplettes System füttert. Ein Country-Protagonist mit Telecaster hat vermutlich andere Anforderungen als ein Jazz-Gitarrist oder ein Hardrocker.
Die einzige Möglichkeit, einen Lautsprecher auf Herz und Nieren zu prüfen, besteht darin, ihn selbst eingebettet in sämtliche Bedingungen des eigenen Equipments zu testen. Und das ist im Musikladen eigentlich niemals möglich.
Daher kauft man Lautsprecher meist auf Verdacht, Empfehlung oder weil man sie bei irgendeinem anderen Gitarristen gehört hat, dessen Sound man gut fand.
Und das kann teuer werden, denn nur selten landet man beim ersten Einkauf einen Volltreffer. Meist landet das neue Schätzchen schon bald wieder auf eBay und man wendet sich dem nächsten Exemplar zu. Spätestens ab Lautsprecher Nummer 3, hat man aber vergessen, wie Proband Nummer 1 geklungen hat. Und so geschieht es nicht selten, dass man nach vielen hundert Euro, die man vergeblich investiert hat, eventuell wieder zum Ausgangspunkt zurückkehrt, weil sich dieser als der beste Kompromiss erweist.
Und Kompromisse muss man wohl immer eingehen. Es scheint einfach keinen Lautsprecher zu geben, der alles kann.
Früher haben sich die Musiker wohl weniger Gedanken um solche Unsicherheiten gemacht. Man spielte eben das, was da war. War der Sound nicht ganz passend, wurde eben kompensiert, an den Tone-Potis geschraubt, EQs eingesetzt, durch halb getretene WahWahs gespielt, die Speaker-Gehäuse hin zur Rückwand gedreht und vieles mehr. Die Musiker wurden allein durch diese Umstände zwangsläufig kreativ.
Heute dagegen möchte man’s bequemer. Der Lautsprecher soll zuarbeiten und sämtliche Klangvorstellungen in Vollendung transportieren.
Viele Sounds, die uns geprägt haben, stammen aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren und da spielten die meisten Musiker offenbar über Lautsprecher mit Alnico-Magneten. Das Magnetmaterial hat dabei die wenigsten Gitarristen interessiert. Es lag einfach daran, dass viele Combos damals mit solchen Lautsprechern bestückt waren.
Da waren zunächst die Tweed-Combos von Fender oder die kleineren Verwandten von Gibson, Ampeg oder Magnatone. Die meisten davon wurden mit „american standards“ bestückt. Und das waren eben Jensen-Alnico-Speaker. Mit diesen Lautsprechern wurden Gitarrenklänge geprägt. Tausende Hits wurden damit eingespielt. Kenny Burrell spielte seine Jazzbox über einen Tweed Deluxe mit Jensen P12R im berühmten van Gelder Studio. B.B.King begann seine Karriere mit einem Tweed Pro mit 15er Jensen Alnico, Don Felder von den Eagles spielte sein berühmtes Solo von ‚Hotel California‘ über einen Jensen Alnico, die Allman Brothers oder Wishbone Ash vertrauten im Studio auf Tweed-Combos mit Alnicos, Larry Carlton schwor auf diese Speaker während seiner Sessions mit Steely Dan und Billy Gibbons glänzte in zahlreichen Rock-Klassikern über genau diese Lautsprecher.
In England war es der Vox AC30, der etwa zur gleichen Zeit eine ganze Klang-Ära prägte. Rory Gallagher oder Brian May trumpften mit den typischen Sounds der Celestion Alnicos, ein in positivem Sinne schmieriger, aggressiver Rocksound, der offenbar nur mit diesem Lautsprecher möglich war. Und das sind nur einige wenige Beispiele und natürlich Gründe genug, warum sich auch heute noch zahlreiche Gitarristen nach solch alten Vintage-Schätzchen umschauen. Die alten Alnicos von Jensen oder Celestion sind heute nur noch schwer zu finden und daher meist leider sehr teuer. Und nicht selten endet ein solcher Kauf mit einer Enttäuschung, denn Lautsprecher, die in die Jahre gekommen sind, liefern leider nicht mehr die verzückenden Sounds, für die sie einst berüchtigt waren.
Um es kurz zu machen: Allein aus beruflichen Gründen finde ich zufällig schon mal einen genial klingenden Celestion Alnico Silver Bulldog oder einen alten Jensen Alnico. Und anfangs habe ich diese Lautsprecher dann aus lauter Begeisterung auch weiterhin gespielt. Aber das war ein Fehler, denn beinahe alle Exemplare verloren schon nach kürzester Zeit ihren Glanz. Soll heißen, dass Parameter wie Hochton-Offenheit, Bass-Kontur oder Dynamik schon bald dahin waren. Übrig bleibt ein müde und schlaff klingendes Konstrukt ohne Lautstärke, Höhen und Druck.
Daher ist das Thema Vintage-Lautsprecher für mich auch erledigt. Man kann dabei arm werden. Natürlich gibt es hin und wieder den magischen Speaker, aber das ist so selten, dass es einem Lottogewinn gleicht. Und es bleibt auch nicht dabei, denn solche Speaker können in kürzester Zeit ihre Tugenden verlieren. Ich habe zwei dieser Lautsprecher noch als Referenz eingelagert, und die werden nur noch selten in ein Gehäuse geschraubt, um sie mit modernen Lautsprechern zu vergleichen. Und genau das will ich hier tun.
Daher habe ich genau die aktuellen Alnico-Modelle geordert, nach denen ich am meisten gefragt werde. Darunter natürlich den Celestion Alnico Blue, einen neuen Jensen Blackbird, einen Tone-Tubby Hempcone und einige leistungsstarke Exemplare, die bis zu 90 Watt vertragen. All diese Probanden müssen sich an den legendären Vorbildern messen.
Mein Silver Bulldog stammt aus den späten Sechzigern, weil ich irgendwann herausfand, dass mir die späteren Alnico-Modelle (Cone-Number T 1088) aufgrund ihrer stabileren Ausstattung besser gefielen. Er blieb übrig aus einer kleinen Sammlung identischer Modelle, die allerdings alle unterschiedliche Alterungsstufen präsentierten, darunter eben auch die bereits erwähnten deutlich übermüdeten Modelle, die einfach nur noch leise und dumpf klangen.
Dann habe ich einen 50er Jensen P12R, der noch klar und druckvoll wie am ersten Tag aufspielt. Dieser Speaker passt in einem Tweed Deluxe wie die Faust aufs Auge. Von Larry Carlton bis Neil Young scheint alles plötzlich möglich. Er hat etwas schlankere Bässe als der Celestion, ein deutlich abweichendes Mittenspektrum (das man heute auch als Dumble- Tone bezeichnen könnte) und etwas weniger „Glocke“ im Hochton als sein englischer Verwandter. Darüber hinaus klingt er überraschend fett und singend, mit einer deutlichen Betonung der Vokallaute. Man könnte auch sagen, dass er überragend natürlich oder hölzern klingt. Ein Stones-Riff etwa gelingt hier mit ganz andere Authentizität als mit anderen „Pappen“. Ein Ton wie vom Analog-Plattenteller. Es gibt absolut keine Misstöne oder Ungereimtheiten, solange man ihn nicht überspielt. Denn irgendwann bei Leistungen über etwa 15 Watt bricht er zusammen und wird matschig.
Der Celestion Alnico hat diese Schwäche nicht. Er scheint buchstäblich bis zum Durchbrennen der Schwingspule jede dynamische Wendung mitzumachen. Er klingt vielleicht unter großer Belastung sogar am besten. Daher hat Brian May wohl auch im Laufe seiner Karriere unzählige davon verschlissen. Er hat einerseits diese fetteren und daher rockigeren Bässe und gleichzeitig diese sagenhaft glockigen Höhen, die man beispielsweise von U2s The Edge auf beinahe jeder Aufnahme hört. Zurecht ist dieser Speaker einer der besten Zwölfer, die je gebaut wurden.
Daher sind wir gespannt, wie sich die modernen Probanden im direkten Vergleich schlagen. Dazu mehr in der nächsten Ausgabe.