Heute dreht sich alles um das Fingerpicking der rechte Hand – dein wichtigstes Werkzeug, um den Klang deines Basses zu formen. Wir verzichten heute auf technische Hilfsmittel und konzentrieren uns ausschließlich auf die Handposition und die Art des Anschlags.
Was mir bei meinen Schüler:innen immer wieder auffällt, ist, dass sie zum Großteil nur eine einzige Spielposition nutzen. Gemeinsam erkunden wir hier, wie du mit kleinen Veränderungen ganz unterschiedliche Sounds aus dem Instrument bekommst – ganz ohne EQ, Effektgeräte oder den Wechsel von Bass oder Saiten. Ich gebe dir auch Beispiele von Bassisten, die gerne in den genannten Positionen spielen und damit auch ihren Sound prägen. Auf gehts!
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Ich unterteile die Anschlagspositionen der rechten Hand in vier verschiedene Abschnitte.
ANSCHLAGSPOSITIONEN
Anschlag über dem Bridge-Pickup: viel Attack und ein straffes Spielgefühl (Bild: Julia Hofer)
1.) Bridge-Pickup
Spielt man die Saiten nahe am Steg, nimmt der Bassanteil ab, dafür erhält man einen deutlich prägnanteren Anschlag mit klaren, knackigen Höhen. Im Vergleich zur Mittelposition ist ein schnelles und präzises Spiel am Bridge-Pickup aufgrund der höheren Saitenspannung etwas schwieriger, weshalb diese Technik unbedingt gezielt geübt werden sollte. (Beispiele: Jaco Pastorius, Joe Dart).
Die Mittelposition zeigt sich klanglich ausgewogen und ist für viele Stile das Mittel der Wahl. (Bild: Julia Hofer)
2.) Mittelposition
Wenn man die rechte Hand näher zur Mittelposition bewegt, werden die Höhen und das Attack etwas reduziert. In diesem Bereich bietet die Saite weniger Widerstand, was das Zupfen erleichtert. Direkt über dem Neck-Pickup klingt der Ton meist sehr ausgewogen und eignet sich gut für verschiedene Musikstile. Im Vergleich zum Bridge-Pickup ist der Klang hier etwas wärmer (Verdine White, Rocco Prestia).
In der Halsposition lässt sich mit wenig Kraft ein wirklich großer, tragfähiger Ton erzeugen, der besonders bei Balladen und Walking-Bass-Lines überzeugt. (Bild: Julia Hofer)
3.) Neck
Spielst du die Saiten direkt am Griffbrett an, entsteht ein warmer, bassbetonter Klang. Diese Technik eignet sich hervorragend für Walking-Bass-Lines, Reggae, Dubstep oder auch Balladen. Bei kräftigem Anschlag hingegen bekommt man einen kraftvollen Rocksound mit ausgeprägtem Saitenschnarren (John Entwistle, Geddy Lee).
Schlägt man exakt eine Oktave über dem gegriffenen Ton an, lassen sich coole Oktaver-Sounds erzeugen. (Bild: Julia Hofer)
4.) Natural-Octave-Bass-Sound
Einen nahezu natürlichen Octaver-Effekt am E-Bass erreicht man, indem man die Saite genau eine Oktave über dem gegriffenen Ton anschlägt. Dadurch entsteht ein charakteristischer Octave-Sound, der sich beispielsweise hervorragend in elektronischer Musik einsetzen lässt.
Zwischen diesen Positionen gibt es unzählige Möglichkeiten, individuelle Nuancen zu gestalten, doch die vier beschriebenen Bereiche zeigen die deutlichsten Klangunterschiede auf. Nachdem wir uns nun mit der Position der rechten Hand befasst haben, spielt auch die Art des Anschlags eine entscheidende Rolle für den Klang!
Die Spielpositionen in der Übersicht. (Bild: Julia Hofer)
ANSCHLAGS-VARIANTEN
Die Art und Weise, wie du die Saiten anschlägst und loslässt, hat einen großen Einfluss auf den Klang deines Basses. Experimentiere mit verschiedenen Anschlagstärken, -geschwindigkeiten und -positionen, um deinen Sound zu formen. Ein sanftes Anspielen der Saiten mit den Fingern kann einen warmen und seidigen Ton erzeugen, während ein kräftiges Anschlagen für einen aggressiveren und dynamischeren Sound sorgt. Die am häufigsten verwendete Anschlagstechnik ist wohl die „Through-the-string”-Technik. Die Saite wird dabei so angezupft, dass der Finger auf der nächsttieferen Saite landet – daher der Name „Through-the-string”, also durch die Saite hindurch. Bei der tiefsten Saite trifft der Anschlagsfinger schließlich auf den Daumen.
Der Winkel, in dem die Saite angeschlagen wird, hat ebenfalls einen erheblichen Einfluss auf den Klang. Besonders bei Bassist:innen, die von der Gitarre kommen, wird die Saite häufig mehr nach oben hin angezupft. Dies führt dazu, dass der Basssound an Tiefe verliert und insgesamt dünner wird. Tatsächlich kann der Anschlagwinkel des Fingers als EQ verwendet werden – eine Technik, mit der man in einem Popsong zwischen Strophe und Refrain einen anderen Klang erzeugen kann, ohne an Intensität zu verlieren. So kannst du den Klang deines E-Basses flexibel anpassen und das Verhältnis von hohen und tiefen Frequenzen direkt während des Spiels beeinflussen.
Schlägst du die Saite in einem steileren Winkel an, kann es passieren, dass du sie nicht nur mit dem Finger, sondern auch mit dem Fingernagel anschlägst (wie z.B. bei Geddy Lee), was einen deutlich anderen Klang erzeugt. Da ich persönlich diesen Klang eher vermeiden möchte, versuche ich meine Fingernägel sehr kurz zu halten. Wenn du trotz kurzer Fingernägel dennoch diesen Sound erzeugst, könnte es hilfreich sein, an deiner Anschlagstechnik zu arbeiten, um einen volleren und satteren Basston zu erzielen.
Zur Anschlagstechnik gehört schließlich auch, wie fest oder sanft die Saite angeschlagen wird. Dabei gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze und Vorlieben unter BassistInnen – ich möchte dir einige ausgewählte Beispiele zeigen.
BEISPIELE AUS DER BASSGESCHICHTE
Natürlich gibt es viele Bassistinnen und Bassisten, einschließlich der hier erwähnten, die regelmäßig verschiedene Spielpositionen und Techniken nutzen. Bei einigen Spieler:innen zeigen sich dennoch eindeutige Tendenzen und persönliche Vorlieben, die ihren individuellen Signature-Sound prägen.
Joe Dart (*1991) – Vulfpeck
Im Song ‚Dean Town’ von Vulfpeck sieht man, wie Joe Dart die Saiten direkt an der Bridge anzupft. Das hohe Tempo und der größere Saitenwiderstand in dieser Position machen das Spiel zu einer echten Herausforderung und einem Training für die rechte Hand.
Jaco Pastorius (1951 – 1987) – Weather Report
Jaco spielt zwar nicht ausschließlich, aber bevorzugt am Bridge-Pickup. In Videos seiner Live-Auftritte wird zudem deutlich, dass er einen eher kraftvollen Anschlag hatte – besonders bei seinen legendären Sechzehntel-Grooves!
Rocco Prestia (1951 – 2020) – Tower Of Power
Rocco Prestia würde ich als einen Bassisten mit einer sehr mittigen Anschlagsposition beschreiben, wenn man sich die Aufnahmen und Auftritte von Tower of Power anhört und ansieht. Er spielt auf einem P-Bass entweder direkt über dem Pickup oder knapp dahinter. Sein unverwechselbarer Sound bleibt dabei extrem konstant.
Verdine White (*1951) – Earth Wind & Fire
Auch bei Verdine White befindet sich die Handposition meist über dem Neck-Pickup, wodurch sie eine deutlich mittige Ausrichtung erhält.
John Entwistle (1944 – 2002) – The Who
John Entwistle verwendet eine Vielzahl von Spieltechniken für die rechte Hand, darunter auch das Spiel mit dem Plektrum. Er bevorzugte eine sehr tiefe Saitenlage, die das Schnarren der Saiten deutlich hörbar macht, und setzte auf einen stark ausgeprägten Höhenanteil – „a lot of top end”. In einem Interview sagte er einmal: „Ich wollte aus dem Bass ein Soloinstrument machen”. Seine unglaubliche Spieltechnik am Hals erinnert an eine Mischung aus Fingerstyle und Slapping, was ihm nicht umsonst den Spitznamen „Thunderfingers” einbrachte. Allerdings schlägt er die Saiten nicht wie beim klassischen Slapping mit dem Daumen an, sondern benutzt Zeige-, Mittel- und Ringfinger, um die Saiten in Höhe des Halses in einem unglaublichen Tempo anzuschlagen. Einzigartig!
Geddy Lee (*1953) – Rush
Geddy Lee benutzt den Nagel seines Zeigefingers, um einen plektrumähnlichen Effekt zu erzielen. Er spielt oft mit dem Zeigefinger und benutzt sowohl die Vorder- als auch die Rückseite, ähnlich wie bei einem Pick. Mit einer eher tiefen Saitenlage bevorzugt er diesen Stil oft in der Nähe des Halses. Gelegentlich erzeugt er einen Klang, der an Slapping erinnert.
WEITERE TIPPS
Ein kraftvoller Anschlag kann einem Song zwar eine beeindruckende Energie verleihen, jedoch sollte man vorher prüfen, ob man diese Technik über einen längeren Zeitraum durchhalten kann und ob sie langfristig spielbar ist, ohne sich zu erschöpfen. Wichtig ist dabei auch die Abstimmung der Lautstärkepegel am Verstärker oder im Mix, da diese die Intensität deines Anschlags und damit deinen Sound stark beeinflussen. Zu viel Kraft kann dazu führen, dass die Saite nicht richtig schwingt und der Ton quasi „erdrückt” wird.
Welche Technik man letztlich wählt, hängt stark von dem Stil ab und vom persönlichen Geschmack. Für Walking-Bass-Lines empfiehlt es sich zum Beispiel, näher am Hals zu spielen, um einen Hauch von Kontrabass-Charakter zu erzeugen. Im Funk hingegen wird gerne über dem Bridge-Pickup gespielt. Du kannst also den Ton und den Sound des E-Bass ganz grundlegend mit deiner Anschlagsposition und der Anschlagsart beeinflussen!
HÖRBEISPIELE
Bei den Hörbeispielen zu diesem Workshop hörst du immer die gleiche Einstellung, kein EQ – dass einzige was sich ändern ist die Position der rechten Hand und die Anschlagsart! Alle Soundbeispiele wurde direkt mit einem Apollo Twin X aufgenommen – kein EQ, keine Effekte, kein Amp.
Dieses Mal gibt es keine Noten. Sei kreativ, experimentiere und lerne deine verschiedenen Finger-Picking-Sounds am E-Bass kennen. Übe vor allem auch den Wechsel zwischen den verschiedenen Techniken – Viel Spaß dabei!
WIE ES EUCH BEI DEN ÜBUNGEN ERGANGEN IST, KÖNNT IHR MIR GERNE UNTER JULIASBASSLAB@GMAIL.COM SCHREIBEN