Am 18. September 2015 jährte sich der Todestag von Jimi Hendrix bereits zum 45. Mal. Was der geniale Sänger & Gitarrist heute wohl für Musik spielen würde? Wer weiß … Einen Hinweise darauf gibt vielleicht sein noch zu Lebzeiten im Juni 1970 veröffentlichtes Live-Album ,Band Of Gypsys‘. Hier spielte Jimi im Trio mit Drummer Buddy Miles, der bereits bei ,Electric Ladyland‘ mit dabei war, und dem Noel-Redding-Nachfolger Billy Cox am E-Bass.
Die Eröffnungsnummer ,Who Knows‘, die letztlich nur aus einem einzigen Lick besteht und auf Akkordwechsel verzichtet, zeigt einen entschlackten, geradezu minimalistischen Hendrix. Vorab eine Anmerkung: Der Grundton kann m. E. gemessen an einer Gitarre die nach Kammerton A (= 440 Hz) gestimmt ist, nicht genau bestimmt werden.
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Er liegt etwas tiefer als Db. Bei der Frage nach der richtigen Lage des Licks und somit der richtigen Tonart muss man bei Hendrix berücksichtigen, dass er seine Gitarre in der Regel um einen Halbton nach unten stimmte, also in Eb, Ab, Db, Gb, Bb, Eb. Und man kann davon ausgehen, dass Jimi auch am Silvesterabend 1969/70 seine Strat herunter gestimmt hat. Insofern macht es Sinn, das Lick in der Lage um den 10. Bund zu notieren, also klingend in Db-Moll. Wer zum Original mitspielen will, muss dann jedoch seine Gitarre nach Gehör noch ein wenig tiefer stimmen, denn wie eingangs erwähnt erklingt alles noch ein wenig tiefer als klingend Db. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird in D-Moll notiert. Ist im Folgendem z. B. von der Note d die Rede, ist das klingende db gemeint.
Das tragende Lick durchläuft das gesamte Stück und startet im 12. Bund der D-Saite mit d, gefolgt von einer Sechzehntel-Pause und d und c. Nun gibt‘s in Sechzehntel-Noten die Abwärtsbewegung d-c-a-ab hin zur Viertelnote g. Auf das g wird ein Fingervibrato gelegt. Es folgt auf der tiefen E-Saite kurz das f und direkt die Oktave im 10. Bund der G-Saite. Sie wird mit einem Fingervibrato versehen. Bitte die Spielanweisung „1/16 notes swing“ beachten, die besagt, dass über den geraden (binären) 4/4-Beat die Sechzehntel-Noten ternär gespielt werden.
Nur im Intro spielt Hendrix das Grundthema exakt so wie hier notiert. Sobald die Band einsetzt, beginnt er das Lick ständig zu variieren. Der Bass spielt zu Beginn unisono mit, später modifiziert auch Billy Cox den Lauf.
Die technischen Anforderungen bei Tempo 80 bpm (= Schläge pro Minute) sind nicht allzu hoch. Als Besonderheiten treten hier zum einen die Fingervibrati auf, von denen das zweite auf dem hohen f etwas aggressiver und schneller ausfällt. Wichtig für das Timing ist neben dem ternären Spiel-Feeling die Beachtung der beiden Sechzehntel-Pausen. Neben dem empfehlenswerten Original hilft das Soundfile (in klingend D) zum Workshop weiter.
https://www.youtube.com/watch?v=faVM73fScfU
Zum Equipment: Jimi Hendrix war und ist der Fender-Stratocaster-Spieler schlechthin, verstärkt hat er bekanntermaßen mit Marshall-Stacks. Sein Sound ist zu Beginn unseres Stückes nur angezerrt, im weiteren Verlauf nimmt jedoch in Lead-Parts die Verzerrung zu. Hendrix erzeugte Verzerrung im Wesentlichen durch hohe Lautstärken und der somit übersteuernden Endstufe seines Röhrenverstärkers, für weniger verzerrte (Rhythmus-) Sounds musste man das Volume-Poti der Gitarre zurückdrehen. Besitzer einer Strat bzw. einer Gitarre mit Singlecoil-Tonabnehmern sind klar im Vorteil, ich empfehle die Anwahl des Hals-Pickups.
Für unser Lick darf man den Gain-Regler des eigenen Amps etwas reindrehen, aber mit Bedacht, schließlich haben wir 1970 ;-). Sollte es doch zu viel zerren, dann vielleicht wirklich mal diesen alten Gitarristen-Trick anwenden, und an der Gitarre das Volume-Poti ein wenig zurücknehmen. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, das Hendrix im weiteren Verlauf des Stücks ein WahWah-Pedal einsetzt.
Will man in diesem Falle etwas von Jimi lernen, ist ein Blick aufs bluesige Tonmaterial absolut gewinnbringend: Wie erwähnt haben wir mit d-f-g-a-c eine Moll-Pentantonik plus einer verminderten Quinte (b5), hier ab. Durch diese erhält das Lick seine Reibung. Dieses Tonmaterial ist typisch für Jimi Hendrix, und es ist schon wirklich erstaunlich, was er und seine Band im Verlaufe der neun Minuten und 35 Sekunden um diese sechs Töne herum produzieren.
Der Reiz der Nummer liegt in der stoischen Wiederholung des Licks, die in Kombination mit dem sehr straighten Groove von Buddy Miles eine hypnotische Wirkung entfaltet. Ohne Weiteres kann man sich hierzu Rap-Vocals vorstellen. ,Who Knows‘ hat den Charakter einer Jam-Nummer und eignet sich hervorragend zum Eingrooven vor Probe/Gig oder um mal die Blues-Session zu entstauben. Das Transponieren in eine andere Lage ist kein Problem, einfach diese Greifmöglichkeit, entsprechend zum gewünschten Grundton auf der D-Saite, verschieben.
Wer mit Buddy & Billy jammen will, hat jetzt dazu die Gelegenheit! Hier der Originaltrack, aber ohne Gitarre und Gesang. Wunderbar, wie die beiden hier vor sich hin grooven und swingen….