RHYTHMUSGITARRE
Vor allen Dingen auf den ersten Soloalben – ca. bis zu ‚There & Back‘ – findet man zahlreiche Rhythmusgitarren-Parts, da auf den ersten Alben überwiegend Gesangstitel sind. Das sind Rockriffs und Funkgitarren-Parts, die man so oder so ähnlich bei vielen anderen Zeitgenossen auch findet. Ab ‚Flash‘ nimmt dies drastisch ab. Ehrlicherweise muss man allerdings auch sagen, dass Becks Rhythmusgitarrenspiel deutlich hinter seinem Solospiel zurücksteht.
SOLOGITARRE
Meiner Auffassung nach, gibt es in Becks Dasein als Solist zwei Zeitspannen: bis Mitte der 80er und danach, das ‚Flash‘-Album als Zäsur, da er seitdem überwiegend nur noch als Solist agiert. Bevor es zu den Licks geht, eines vorab: der Gitarren-Sound und das Gitarren-Setup sind äußerst wichtig, wenn man den Stil Jeff Becks nachempfinden möchte!
Obwohl man ihn in den ersten Jahrzehnten auch schon mal mit einer Jaguar, Telecaster-artigen Gitarren und Les Pauls gesehen hat, ist sein Hauptinstrument die Stratocaster. Interessanterweise wurden ‚Flash‘ und auch ‚Guitar Shop‘ mit „Tina Turner“, einer pinken Jackson Soloist mit Kahler-Vibrato eingespielt. Ab 1990 sind es dann fast nur Prototypen und Serienmodelle seiner Fender-Signature. Die Ausnahme ist eine 1956er Gretsch Duo Jet zum Cliff-Gallup-Tribute-Album.
Will man auf Jeff Becks Pfaden wandeln, muss man das Vibrato so einstellen, dass die G-Saite mindestens einen genauen Ganzton nach oben verstimmt werden kann. Bei Beck selbst ist es eine kleine Terz.
Zum Sound: Der Grund-Sound ist recht stark verzerrt, mit nicht zu viel Höhen, jedoch wird das Volume-Poti nur selten ganz aufgedreht. Eigentlich ist es so, dass fast jede Phrase mit einer anderen Poti-Einstellung gespielt wird und Noten oftmals mit dem Poti eingeblendet werden. Will man dann auch noch gleichzeitig den Vibratohebel zum Gestalten benutzen, ist das ein sehr anspruchsvoller Vorgang. Um das zu schaffen, hatte sich Beck eine doch recht eigentümliche Handhaltung zugelegt, in der er oft spielte: Mit dem Daumen wird angeschlagen, der kleine Finger regelt das Volume-Poti, der Zeigefinger kontrolliert den Hebel, Mittel- und Ringfinger halten ihn noch etwas fest.
Ab den frühen 80ern spielte Jeff Beck – zuerst aus praktischen Erwägungen – immer seltener mit Pick. Vorher eigentlich alles mit Plektron bzw. abwechselnd mit den Fingern. Nur mit Fingern anzuschlagen birgt immer ein gewisses Überraschungsmoment in sich, da das Klangergebnis weniger kalkulierbar ist als mit dem Plättchen. Passt zu ihm! Wenn man mit Pick spielt, einfach mal die unterschiedlichen Sounds durch Anschlagorte, Anschlaghärten und Tonabnehmerwahl ausprobieren. Wenn man z. B. weich genug vor der Griffbrettkante anschlägt und vielleicht noch etwas Volume zurücknimmt, kann sogar der schrillste Stegtonabnehmer angenehm klingen.
Allgemein könnte man sagen, dass folgende Hauptelemente bestimmend für Becks Solostil sind:
● Klassische Bluesrock-Gitarre mit der ab den späten 60ern typischen Vermischung von Dur und Moll
● Einfachste Melodien maximal gefühlvoll, artikuliert und abwechslungsreich gespielt
● Ausnutzen einer breiten Palette von Geräuschen
Für alles gilt: An Grenzen gehen was die Dynamik/Anschlagshärte in alle Richtungen betrifft und möglichst kontrastreich spielen, auch wenn das manchmal schon fast nervt. Die sehr abwechslungsreiche Gestaltung einzelner Töne hört man schon auf ‚Blow By Blow‘ und ‚Wired‘. Sie entwickelt sich ab ‚Guitar Shop‘ ins Extreme.
TONMATERIAL – INTONATION
Sehr viele Songs und Soloparts basieren auf dem Blues und enthalten daher überwiegend Dom7-Akkorde. Über diese spielt JB den populären Dur-/Moll-Pentatonik-Mix wie auch Clapton, Page, Peter Green oder Mick Taylor (siehe auch Blues Bootcamp 12/2022). Das war damals einfach der angesagte Sound. Über den Umweg Jan Hammer, setzte er den durch John McLaughlin importierten Sound einer Indischen Pentatonik ein, die im Laufe der Zeit viele Namen bekommen hat: Indische Pentatonik, verdurte Moll-Pentatonik, Raga Joy oder auch Jan-Hammer-Skala.
Der Einfachheit halber könnte man diese Tonleiter als eine Moll-Pentatonik sehen, bei der die Moll-Terz gegen eine Dur-Terz ausgetauscht wird. Alternativ dazu auch als Dom7-Arpeggio mit hinzugefügter Quarte, was ein Grund ist, dass sie so gut über die in den 70er-Jahre beliebten Dom11-Akkorde passt. Sie klingt gut, hat aber nicht so diesen typischen Blues-Sound. Diese Skala ist mittlerweile schon fast ein Sound-Klischee, das gerne benutzt wird, wenn man leicht indisch klingen möchte.
Sehr prominent benutzt kann man diese Skala zum Beispiel beim Thema von ‚Led Boots‘ (‚Wired‘-Album) hören und in sehr vielen Synthi-Solos von Jan Hammer, deren Sound auf Beck abgefärbt haben. In Beispiel 1 findest du drei Fingersätze dazu. Darüber hinaus hört man ab den 1970er-Jahren komplett ausgespielte dorische und mixolydische Skalen.
Noch ein paar Bemerkungen zu einem weiteren ganz interessanten Aspekt in Becks Gitarrenstil: Intonation. Wenn man es mal ganz, ganz nüchtern betrachten wollte, könnte man eventuell sagen, dass Jeff Beck gut beraten gewesen wäre, wenn er früher insgesamt etwas gründlicher und auch häufiger nachgestimmt hätte. Man muss aber auch mal deutlich feststellen, dass wir heutzutage durch Harddisk Recording, Autotune und Melodyne ganz schön verkorkst sind. Alles ist immer 100 % auf dem Timing-Raster und tonhöhenkorrigiert. Das war halt bis in die 90er-Jahre nicht so.
Wenn man in den 70s den Tremolohebel eingesetzt hat, dann hat man Verstimmungen eben in Kauf genommen. Wenn man so sehr auf Risiko spielt, ist es ja fast unvermeidbar, dass nicht jede Note so klingt, als sei sie dreimal chemisch gereinigt. Ob manche Phrasen vielleicht sogar absichtlich etwas off pitch von JB gespielt wurden, um etwas „menschlicher“ zu klingen, lässt sich heute nur schwer sagen, ist aber nicht undenkbar.
Alle Licks sind wieder mal in A notiert, bis auf die Beispiele, bei denen es durch die verwendeten Obertöne unausweichlich ist, in bestimmten Tonarten zu sein. Ich gehe in diesem Artikel nicht auf Becks Slide-Spiel ein (das übrigens immer im Standard-Tuning stattfand). Dazu müsste man jetzt zu viele grundlegende Aspekte klären, und nicht jeder besitzt einen Slide. Repeating Pattern: In Beispiel 2 findest du einige typische Repeating Patterns, die ihren Ursprung im Early Rock der 1950er haben, aber durch Jeff Beck leicht verändert wurden.
Blues with a twist: Die Licks aus Beispiel 3 bis 6 lassen sich gut in Situationen einsetzen, in denen Dom7-Akkorde eine große Rolle spielen, also Classic Rock, Blues, R’n’B etc.
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