Immer etwas im Schatten der großen Marken Ibanez, Aria, Tokai, Fernandes, Greco und Burny stand Washburn. Und das obwohl unter diesem Label einige ganz beachtliche Instrumente veröffentlicht wurden – und ein paar Querverbindungen auf große Namen gibt’s auch …
WASHBURN HISTORY
Eine wirklich lange Firmengeschichte steht hinter dem Namen Washburn, den ich immer etwas zwiespältig empfand, weil ich Waschmaschine und Carpet Burn assoziierte – da klangen die anderen bereits genannten Markennamen doch origineller und fantasieanregender. 1864, also lange vor der Erfindung der Waschmaschine, gründeten George Washburn Lyon und Patrick Joseph Healy in Chicago die Firma Lyon & Healy. Healy stellte hochwertige, handgefertigte Gitarren her, Lyon war fürs Geschäftliche zuständig – und man war erfolgreich – irgendwann auch unter dem Namen Washburn. Circa 60 Jahre später, in den 1920ern, kaufte die Firma J.R Steward die Produktionsstätten von Lyon & Heal, wobei der Name Washburn allerdings von den Tonk Bros. übernommen wurde, die dann später auch die in Konkurs gegangene J.R Steward-Fabrik übernahmen. So kam wieder zusammen, was zusammengehörte.
Anzeige
(Bild: Lothar Trampert)
DIE WIEDERGEBURT
Interessant ist, dass der Name „Washburn“ dann aber erst in den 1970er-Jahren wieder in Zusammenhang mit Musikinstrumenten auftauchte. Die wurden allerdings, anscheinend wenig erfolgreich, in Japan gefertigt. 1976 kaufte dann eine Firma namens „Fretted Industries“ die Rechte am Namen Washburn plus sämtliche Patente des Unternehmens für 13.000 US-Dollar – und ließ weiter Washburn-Gitarren und -Bässe in Asien produzieren. Bis ca. 1988/89 geschah das überwiegend in Japan, später – wie bei anderen Unternehmen auch – in Korea, China und Singapur.
Seit 1991 baut Washburn auch wieder akustische und elektrische Gitarren in den USA. Eines der bekanntesten Instrumente ist die Signature-Gitarre für den Extreme-Gitarristen Nuno Bettencourt – die N4 kam 1990 ins Programm und wird bis heute angeboten. Angeblich war auch Eric Claptons zweite Akustikgitarre eine alte George Washburn, die er als Jugendlicher auf einem Flohmarkt entdeckt hatte, und die seine Hoyer-Schlaggitarre ablöste, weil die eine extrem problematische Saitenlage hatte.
(Bild: Lothar Trampert)
WASHBURN-ARCHTOPS
Eine wirklich hochwertige Jazz-Gitarre im Stil der Gibson L-5 ist diese schöne Washburn-J-6-Archtop im Tobacco-Sunburst-Finish – dafür steht das TS im Namen. Dieses Washburn-Modell wurde von 1988 bis 2004 hergestellt, anfangs in Japan, ab ca. 1990 dann in Korea, und zwar von Samick, die ja auch einige hochwertige Epiphone-Kopien gefertigt haben. Die Kopie der Gibson L-5 CES unterscheidet sich – wie viele andere Nachbauten auch – durch die laminierte Fichtendecke. Es ist also eine als L-5 verkleidete ES-175, könnte man sagen.
Ab 1995 bekam die Washburn J-6 den Nachnamen „Montgomery“ – auch Gibson hatte mit der L-5 CES Wes Montgomery ja ein entsprechend gelabeltes Instrument am Start, das allerdings nur über einen Hals-Pickup verfügte, so wie das vom legendären Oktavenkönig gespielte Modell.
Die älteren japanischen Washburn-Gitarren kann man übrigens anhand der Seriennummer identifizieren: Ist diese vierstellig, stammt das Instrument aus den 1970er- oder frühen 1980erJahren, fünfstellige und auch sechsstellige Nummern wurden bis Ende der 80er verwendet. In der Regel steht diese Nummer bei Archtops auf dem Etikett im Korpusinneren, meist durch das untere F-Loch zu sehen. Meist kann man an den ersten beiden Ziffern das Jahr ablesen: 881057 verweist demnach auf das Produktionsjahr 1988, wobei das Etikett im Fall meiner J-6TS kein Herstellungsland nennt. Interessant.
Bekannt ist, dass Washburn-Instrumente von Yamaki, Terada und Fujigen Gakki gefertigt wurden, angeblich in den Jahren 1979 und 1980 auch zeitweise von Matsumoku. Dass die hier zu sehende Gitarre ein japanisches Modell von 1988 oder 1989 ist, erkennt man auch an dem fast originalen L-5-Saitenhalter und den Blockeinlagen im Griffbrett. In den 1990er-Jahren war die J-6TS mit anderem Tailpiece und diagonal durchbrochenen Griffbretteinlagen im Handel, und ich habe auch schon mal ein Modell mit Bigsby-Vibrato gesehen.
Ab den 2000ern hieß die Gitarre dann ‚J6 Wes Montgomery‘, später folgten dann als Nachfolgemodelle die J10 Orleans und die J600 mit einem Pickup; hier waren Schlagbrett und Saitenhalter aus Holz gefertigt. Aus der L-5-Variation war also eine moderne Archtop geworden, die sich optisch etwas an den hochwertigen Modellen von Sadowsky, Höfner und Ibanez orientierte.
DIE FEATURES DER J-6TS
Besaitet habe ich die hier präsentierte Washburn J-6TS mit .012er Thomastik-Flatwounds, die sie sehr ausgeglichen in Schwingung bringt. Bis in hohe Lagen stehen die Basstöne ohne wegzuploppen, die auf der H- und E-Saite gegriffenen Töne kommen fett und rund rüber, Akkorde klingen kompakt, Singlenote-Linien kraftvoll. Die Gitarre lässt sich perfekt einstellen, und sie ist mit ihrer angenehmen Saitenlage sehr leicht spielbar. Die Pickups haben einen vollen, warmen Klang, ermöglichen aber in Toggle-Switch-Mittelstellung auch schöne transparente Sounds.
Bild: Lothar Trampert
Bild: Lothar Trampert
Der beidseitig gewölbte 17“-Fichten-Korpus hat 3 3/8 Inch, also ca. 8,6 cm Zargentiefe, die Sattelbreite beträgt angenehme 43 mm, das Griffbrett ist relativ flach. Der Hals der J-6TS besteht aus drei Teilen Ahorn, die mit zwei dünnen Längsstreifen Palisander getrennt sind.
Bild: Lothar Trampert
Der fünfteilige Hals mit geschlossenen Mechaniken
Bild: Lothar Trampert
Originelles Headstock-Design
Die schönen Abalone-Inlays, auch auf der originell gestalteten Kopfplatte, das fünffache Korpus- und Griffbrett-Binding und der sauber gefertigte Ebenholz-Steg geben diesem Instrument eine sehr edle, hochwertige Ausstrahlung.
Washburns Erfahrungen als Akustikgitarrenhersteller haben sich positiv ausgewirkt, denn zumindest die hier vorgestellte J-6TS ist selbst mit Flatwound-Saiten ein auch unverstärkt sehr gut klingendes und schwingendes Instrument, das auch ohne Amp Spaß macht.
DER MARKT
Zum Preis: Das hier zu sehende, frühe Washburn-J-6TS-Modell ist mit ca. 1000 Euro immer noch relativ günstig zu haben, aber schwer zu finden. Die späteren J-6-Typen werden um ca. 600 bis 800 Euro gehandelt. Oft werden sie als die günstige Alternative zu den ganz teueren Ibanez-Archtop-Kopien der späten 70er-Jahre genannt, wie der 2464 Birdland, der 2470 L-5, der 2453 Howard Roberts oder der rein akustischen Archtop FA-800. Das kann man so sehen, allerdings ist da rein qualitativ noch etwas Luft zwischen – die alten Ibanez-Archtops sind schon hochwertiger. Wobei ich aber eine 1988er Washburn J-6TS für 1000 Euro sehr vielen neuen japanischen, koreanischen, chinesischen und auch amerikanischen Archtops vorziehen würde. Ein echter Preis-Leistungs-Geheimtipp. Mehr zum Thema demnächst!