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Homerecording: Wie professionell kann man zuhause aufnehmen?

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Angesichts unseres Recording-Specials möchte ich einmal beschreiben, wie ich mittlerweile zuhause aufnehme. Der Corona-Lockdown hat auch bei mir das Recording-Fieber wieder entzündet, wobei es mir vor allem darauf ankommt, bestimmte Instrumente und Amps so „livehaftig“ wie nur irgend möglich aufzunehmen und wiederzugeben. Zusätzlich reizte mich, meine alten Studioaufnahmen zu remastern und sie damit an moderne Klangmöglichkeiten anzupassen.

Und wie immer beginnt man dabei mit einem Minimum an Ausrüstung. Da ich in den Neunzigern selbst ein großes Tonstudio betrieben habe, weiß ich nur allzu gut, wie teuer das werden kann, wenn man amtliche Produktionen herstellen und damit konkurrenzfähig bleiben möchte. Im Nachhinein mag es als Fehler erscheinen, dass wir damals (ca. 1990) noch voll auf analoge Technik gesetzt haben. Wir kauften große Mischpulte und schließlich eine Studer-A80- 24-Spur-Bandmaschine. Dazu jede Menge Effekte, Mikrofone und Verkabelung. Die Ausrüstung und deren Pflege verschlang damals buchstäblich Unsummen. Dazu mieteten wir natürlich Räume an, die entsprechend unseren Ansprüchen technisch und akustisch präpariert werden mussten. Nach ein paar Jahren gab ich dieses Vorhaben jedoch wieder auf, da uns die Labels mit unseren Vorproduktionen dennoch stets noch mal in noch größere Studios nach London, Amsterdam, München oder wohin auch immer schickten, um die Produktionen abzuschließen.

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Seither sehe ich Homerecording im Grunde nur noch als Prozess beim Songwriting. Es kann aber absolut reizvoll sein, zumindest Teile einer Produktion (z. B. Gesang oder Gitarrensoli) von zuhause aus beizusteuern, und daher sucht man nach einer Ausrüstung, die das möglichst kostengünstig und doch professionell leisten kann. Nach wie vor geht es bei Musikaufnahmen eigentlich nur um den künstlerischen Gehalt, und der entsteht ganz unabhängig vom Equipment.

Die gute Nachricht ist: Heutzutage gibt es für einen relativ geringen finanziellen Aufwand schon fantastische Produktionsmittel. 1995 gingen wir für eine Album-Produktion ins Wisseloord-Studio in Hilversum und nahmen dort alle Basic-Tracks auf. Das machte auch Sinn, denn wir wollten große Teile der Songs live einspielen, und wo sollte das besser gelingen als in einem Weltklasse-Studio mit fantastischen Räumen, einem SSL-Pult und zwei Studer-A800- Bandmaschinen. Die Ergebnisse mischten wir in sogenannten Rough-Mixen zusammen und nahmen sie auf einem Adat-Recorder mit nach Hause. Im Proberaum nahm ich anschließend wochenlang (kostenlos) weitere Spuren auf. Ich spielte dort zum Beispiel alle Gitarrensoli über ein winziges Mackie-Pult ein. Zusätzlich entstanden dort Chöre und Gesangsaufnahmen. Als alles fertig war, gingen wir ins Wisseloord zurück und mischten alle Spuren zusammen. Und genau so kann man heute noch arbeiten.


HÖREN „LERNEN“!

Die wichtigste Voraussetzung dafür ist nicht etwa die beste DAW oder das beste Interface, sondern eine absolut taugliche Abhörsituation. Ich kenne Leute, die haben im Prinzip toll ausgerüstete Studios, hören aber über in allen Belangen minderwetige Abhörsysteme, weil da einfach an der falschen Stelle gespart wurde. Möchte man jedoch Klänge gestalten, kann das nur gelingen, wenn man diese Gestaltungen auch in jeder Nuance wahrnehmen kann. Musik ist zuallererst Klang!

Daher steht Hörtraining immer ganz am Anfang einer Produktionsarbeit. Seit dreißig Jahren beschäftigt mich dieses Thema, weil ich nur zu oft die Erfahrung gemacht habe, dass die Abhörsituation die wichtigste Voraussetzung für gute Aufnahmen ist. Man hört nur, was man auch hören kann! Früher wurde zuhause meist über den HiFi-Amp gehört. Bei mir war das ein alter Aiwa-Receiver und ein ein paar kleine Control-One-Lautsprecher von JBL. Das war schon gar nicht schlecht. Man konnte damit zwar noch keine echten Klänge gestalten, aber zum Abhören eines Gitarrensolos oder einer Gesangsspur reichte das.

Anfang der Neunziger sah ich bei einem Besuch in Peter Gabriels berühmtem Real-World-Studio, dass der Meister selbst zumindest zeitweise über einen kleinen JVC Ghettoblaster abhörte. Einfach nur aus Gewohnheit und um sicherzustellen, dass die Aufnahmen auch über diese kleine Plastikkiste noch gut klangen. Ansonsten erlebte ich Toningenieure, die seitens ihrer persönlichen AbhörAusrüstung äußerst wählerisch waren und zu Produktionen stets eigene Lautsprecher und Endstufen mitbrachten. Und das hat natürlich gute Gründe, denn zu den gängigen Studiomieten, darf man gerade bei der Klanggestaltung nicht unnötig Zeit verlieren.

Bei mir zuhause war das recht einfach, da ich seit 20 Jahren über ein perfektes Monitor-System verfüge. Meine Audioplan Kontrapunkt IV gehören aus meiner Erfahrung zu den besten Nahfeld-Lautsprechern, die ich je gehört habe. Sie sind recht sparsam im Bass (was in mittelmäßig präparierten Hörräumen auch wichtig ist) und bilden gandenlos sauber ab. Mehr geht fast nicht.

Weltklasse-Monitor Audioplan Kontrapunkt IV

Da ich keinen professionellen Producer-Desk habe, stehen die Lautsprecher einfach auf meinem Schreibtisch rechts und links neben dem iMac. Direkt angekoppelt übertragen sich so jedoch die Bässe auf die Holzplatte. Daher habe ich die Monitore auf zwei Schieferplatten aus dem Bergischen Land (echt vintage, da mehere Millionen Jahre alt), die zusätzlich auf Spikes zur weiteren Entkopplung stehen, gestellt. Das funktioniert recht gut bis zu gewissen Pegeln, die für zuhause ausreichen. „Laut“ hören geht aber auch auf der Schieferplatte nur bedingt, da die Bässe nach wie vor in die Tischplatte einschwingen. Alternativ kann man die Monitore auch mit dicken Schaumstoffunterlagen (da gibt es speziell für Monitore angewinkelte Varianten im Handel) oder entkoppelten Monitor-Tisch-Stativen auf dem Schreibtisch positionieren.

Natürlich klingen diese Monitore nur optimal, wenn man hochwertige Lautsprecherkabel verwendet. Baumarkt-Strippen sind okay, mit meinen TCI-Biwire-Kabeln höre ich jedoch deutlich mehr Details in der Musik. Und da wollte ich schließlich hin.

TCI Highend-Kabel

Angetrieben werden meine Lautsprecher von einer betagten Quad 405-Endstufe, die schon vor dreißig Jahren zum Studio-Standard gehörte. Die hat rund € 300 auf Ebay gekostet und weitere € 300 flossen in eine Überarbeitung. Die Klangergebnisse müssen sich jedoch vor weit hochpreisigeren Endstufen nicht verstecken. Diese Endstufe wurde auf Tausenden von Hit-Alben verwendet. Und sie bietet immer noch genügend Qualität für Profi-Sounds.

Vintage Quad 405 Endstufe

DIKTION ODER KLANG?

Die übrigen Komponenten für das Heimstudio sind zwar nicht zweitrangig, jedoch weniger entscheidend für die Arbeitsprozesse. Ein iMac läuft bei mir stabiler als ein PC. Für meinen Geschmack funktioniert auch moderne Software auf den Macs einfach besser und selbsterklärender – aber da mag jeder seine eigene Meinung zu haben. Gleiches gilt für die verwendete DAW. Ob Pro Tools, Logic oder Cubase, darüber entscheiden meist nicht die Klangergebnisse, sondern die Diktion beziehungsweise die Routing-Logik solcher Systeme. Da wählt man einfach, womit man besser klarkommt. Klangunterschiede höre ich bei all diesen Systemen kaum. Meist ist es die Macht der Gewohnheit, die hier zuschlägt. Ich habe alle probiert, und konnte zum Schluss Cubase am besten bedienen. Warum auch immer? Mir gefiel die Oberfläche am besten. Vielleicht habe ich auch nur auf Youtube dazu die verständlichsten Tutorials gefunden. Jedenfalls mache ich mir darüber keine Gedanken mehr.

Focusrite Scarlett Interface

INTERFACE

In diesem Bereich hat sich in den letzten Jahren eine Menge getan. Ab 2013 konnte ich mit einem damals sehr preiswerten Focusrite Scarlett sehr gut leben. Seit ich aber nicht nur Gitarrenspuren zu Demo-Zwecken aufnehme, sondern auch Songs mastern wollte, verwies mich die äußerst beliebte kleine Kiste in ihre Grenzen. Es fehlte der letzte Rest an Dynamik, die gewünschte Klarheit bei komplexen musikalischen Ereignissen (Chöre, Orchester, Heavy Sounds) und ein wenig Komfort beim Kopfhörer-Ausgang. Auch habe ich mir beim Einpegeln präzisere Einstellmöglichkeiten gewünscht.

Universal Audio Apollo Twin X Quad Interface für den Profi

Daher habe ich mich von Toningenieuren beraten lassen und schließlich ein Universal Audio Twin X Quad erstanden. Damit schaffte ich nun endlich den Sprung in eine neue (professionelle) Dimension des Homerecordings. Die Wandlertechnik sorgt allein für einen Quantensprung in Sachen Klang: bessere Auflösung, deutlich mehr Dynamik und Headroom. Zudem taugt auch der Kopfhörer-Verstärker hier wirklich etwas. Man kann endlich laut drehen, ohne dass der Klang plärrig oder unscharf wird. Pegeln kann man, der zugehörigen Software sei Dank, komfortabel am Rechner, und zwar so genau wie nötig.

Ein Luxus, das ist klar. Mit € 1.600 war das Interface auch nicht gerade ein Schnäppchen. Doch gerade für das Mastern, das Überspielen alter Aufnahmen oder der Vinylsammlung ist dieses Interface wirklich top. Zudem ist die Bedienung genauso einfach wie beim Scarlett.

MINIMUM – MAXIMUM

Fassen wir also noch einmal die wichtigsten Bausteine für das Homerecording zusammen. Entscheidend ist dabei natürlich das gewünschte Ergebnis. Möchte ich Songs schreiben, Demos erstellen, ein ansprechendes Youtube-Video produzieren oder wirklich professionelle Aufnahmen machen?

Um eine hochwertige Abhörsituation kommt man meiner Meinung nach für alle Bedürfnisse nicht herum. Hört euch so viele Lautsprecher wie möglich an. Erstellt eine Libary von Referenzaufnahmen, die Ihr gut kennt und gerne hört. Für AC/DC mag man andere Lautsprecher wählen als für Jazz. Für zuhause empfehle ich vor allem möglichst kleine Lautsprecher, denn man sitzt meist sehr nah davor, so dass man die Bässe eh nicht vollständig wahrnimmt.

Verbindet die Lautsprecher mit einer guten Endstufe oder einem hochwertigen Vollverstärker. Ein guter HiFi-Amp ist okay, eine Highend-Endstufe natürlich besser. Als Interface ist nach wie vor die neuste Focusrite-Generation ein sehr guter Einstieg, jedoch nicht genug für komplett professionelle Produktionen. Hier bieten RME, Universal Audio, Apogee und auch Focusrite selbst bei den hochpreisigeren Modellen einfach mehr.

Gute Kabel sind kein Muss, sorgen jedoch für das berühmte Quäntchen Ästhetik bei der Gestaltung und Ortung auf der Klangbühne. Zum Schluss bleibt noch die Qual der Wahl nach einem perfekten Mikrofon. Für meine letzte Produktion für den vergangenen Guitar Summit habe ich ein Brauner-VM-1-Röhren-Mikrofon von einem lieben Freund geliehen, das allein um die € 5000 kostet. Das steht seither bei mir ganz oben auf der Wunschliste, einfach weil es für Gitarrenaufnahmen unschlagbar war. Im Alltag arbeite ich aber seit über zehn Jahren mit einem günstigeren Rode NT2000. Dieses Großmembran-Kondensatormikrofon ist ein toller Allrounder, den ich mittlerweile in- und auswendig kenne. Ich weiß genau, wie ich es aufstellen muss, und das ist auch schon sehr viel wert.

Rode NT2000

Insgesamt war es nie komfortabler mit Laptop, DAW und Interface zuhause hochwertige Aufnahmen zu machen. Vielleicht nutzt der eine oder andere ja unser Special für die Aufrüstung während der Corona-Quarantäne für ein neues Album oder neue musikalische Landschaften. In diesem Sinne …


(erschienen in Gitarre & Bass 06/2021)

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