Sich selbst aufzunehmen ist zwar schön und gut, aber was, wenn ein vollständiger Song daraus werden soll und Aufnahmen der anderen Bandmitglieder fehlen oder es gar keine Bandmitglieder gibt?
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Man könnte natürlich andere Musiker beauftragen, einen Backing-Track zu erstellen. Auf Plattformen wie z. B. Fiverr würde man fündig werden. Allerdings ginge das irgendwann ganz schön ins Geld und außerdem soll es hier ja ums Selbermachen gehen. Was also tun, wenn es an Schlagzeug und Begleitinstrumenten mangelt?
LOOPS & SAMPLES
Zunächst sollten ein paar grundsätzliche Begriffe geklärt werden: Die beiden wichtigsten Elemente im Programmieren von Schlagzeugspuren sind Loops und Samples. Loops sind fertig aufgenommene oder programmierte Sequenzen, die meist wenige Takte lang sind. Dabei kann es sich sowohl um Audiospuren als auch um reine MIDI-Dateien handeln. In „Gitarrensprache“ könnte man es vielleicht mit einem Riff vergleichen.
Ein Sample ist quasi die kürzeste Form eines Loops, nämlich genau ein Schlag. Damit ist nicht ein Schlag innerhalb eines Taktes gemeint, sondern ein Schlag auf die Snare, ein Anzupfen einer Saite, das Abspielen eines Tons auf dem Klavier, ein gesungenes Wort oder ein Laut und so weiter. Aus diesen beiden Bausteinen lassen sich vollständige Grooves und Begleitstimmen bauen. Grob geschieht das nach zwei Methoden: das manuelle Programmieren von virtuellen Instrumenten oder das Verwenden von fertigen Loops und Backingtracks.
BAUKASTENPRINZIP
Da sie perfekt auf das Temporaster geschnitten sind, lassen sich Loops nahtlos aneinanderreihen und so ganze Songstrukturen erstellen. Bei einigen Loop-Bibliotheken ist es sogar möglich, die individuellen Stimmen eines Loops einzeln zu nutzen. So können z. B. bei einem Loop, der aus Schlagzeug, Bass und Keyboard besteht, nur das Schlagzeug oder nur der Bass einzeln verwendet werden. Auch lassen sich Loops wunderbar kürzen, um die Taktart zu wechseln oder einzelne Schläge als Effekt oder Sample einsetzen zu können.
Moderne DAWs besitzen inzwischen fast alle sehr überzeugende Algorithmen zur Veränderung des Tempos einer aufgenommenen Spur, ohne dabei die Tonhöhe zu verändern. Gerade bei Schlagzeugspuren ist es also meist kein Problem, das Tempo eines Loops anzupassen. Bei Loops, die Melodien und Harmonien enthalten, muss man ggfs. austesten, ob das Ergebnis hinterher noch gefällt.
Dabei lohnt es sich durchaus, zwischen den verschiedenen Algorithmen zur Tonhöhenveränderung zu wechseln, welche sich normalerweise in den Einstellungen der Spur finden lassen. Für Harmoniespuren ist die monophone Einstellung wahrscheinlich nicht die beste Wahl. Hat man nun durch fröhliches Schneiden, Stauchen und Schieben der Loops einen Backing-Track gebastelt, kann es mit der Produktion weitergehen.
SOUND-BIBLIOTHEKEN
Je nach DAW werden ab Werk schon einige Gigabyte an Material mitgeliefert bzw. stehen zum Download bereit. Insbesondere bei den nicht kostenfreien Programmen, wie Cubase, Logic Pro X oder Studio One gibt es eine große Bandbreite an verfügbaren Loops und Samples, die direkt genutzt werden können.
Apple-Nutzer profitieren sowohl am Mac als auch auf dem iPhone von Logics kleinem Bruder namens Garage-Band, denn das Programm ist kostenfrei und bietet eine große Auswahl an sehr brauchbarem Material. Reicht die Auswahl nicht, oder nutzt man Umgebungen, die ohne Material kommen, muss man auf externe Quellen zurückgreifen. Kostenlos bekommt man sowas unter anderem bei wikiloops.com, free-loops.com oder freesound.org.
Möchte man seinen Song hinterher auch veröffentlichen, sollte jedoch geklärt werden, inwiefern die verwendeten Samples und Loops für kommerzielle Zwecke genutzt werden dürfen. Samples und Loops, die z. B. über loopmasters.com käuflich erworben werden, dürfen meist auch kommerziell genutzt werden. Aber auch hier sollte man vor dem Kauf einen Blick in die FAQ des Anbieters werfen.
EIGENINITIATIVE
Samples lassen sich auch recht einfach selbst aufnehmen: Den gewünschten Klang aufnehmen, in der DAW die Stille vor dem Anschlag und ggfs. das Ende wegschneiden und neu abspeichern. Fertig. Aus diesen Samples lassen sich dann im Sample-Player der DAW Rhythmen und Melodien erzeugen. Dazu wird pro Pad bzw. Schaltfläche im Sample-Player ein Sample geladen.
Anschließend kann entweder mithilfe eines externen MIDI-Controllers die gewünschte Sequenz eingespielt, oder in der sogenannten Pianoroll der DAW notiert werden. Diese Notenrolle ist eine Matrix, auf deren einer Achse eine Klaviatur aufgetragen ist und auf der anderen die Takte des Projektes. Hier kann per Mausklick eine Melodie eingezeichnet werden. Ob die eingetragene Note dabei die Tonhöhe des Samples oder das Sample selbst verändern soll, ist eine Frage der Einstellung und ob es sich um melodische oder perkussive Samples handelt. Um Schlagzeug-Grooves zu programmieren, empfiehlt sich letztere Variante.
Dabei entspricht einer Note dann ein Sample und über den Raum von etwa einer Oktave kann das komplette Schlagzeug gespielt werden. Einige DAWs bieten auch eine Pianoroll speziell für Percussion an, in Cubase heißt diese Drum-Editor. Studio One bietet für die Pianoroll den melodischen und den Drum-Modus. Im Gegensatz zur regulären Pianoroll wird jedes Sample als Impuls notiert, also ohne Notenlänge, und anstelle der Klaviatur werden die Namen der Samples angezeigt.
STEP BY STEP
Alternativ kann auch ein sogenannter Step-Sequencer genutzt werden, der in den meisten DAWs integriert ist. Hier gibt es ebenfalls ein Raster, das im Tempo des Songs immer wieder von vorn bis hinten durchlaufen wird. Quasi wie beim Drum-Editor, nur mit einer fixen Länge von meist einem oder zwei Takten, die aber auch frei den Bedürfnissen angepasst werden kann. Man baut sich quasi seinen eigenen Loop aus einzelnen Samples.
Aktive Steps werden meist farbig gekennzeichnet und können durch Anklicken hinzugefügt werden. Die Vorteile dieser Darstellung sind eine sehr gute Übersichtlichkeit des Geschehens und leichtes Arrangieren. Als einfachstes Beispiel könnte man bei einem aus 16tel-Noten bestehenden Raster jedes vierte Feld aktivieren und hätte somit ein Metronom programmiert. Prinzip verstanden? Sehr gut.
Dann weisen wir diesem Metronom nun z. B. das Sample einer Kick-Drum zu, löschen durch erneutes Anklicken der Felder die Schläge auf der 2 und 3 und aktivieren die 3 für das Sample einer Snaredrum. Fertig ist der erste, zugegeben rudimentäre, Beat. Nach diesem Schema klickt man sich durch und ergänzt Samples, bis einem der Groove gefällt. Für Variationen oder neue Songabschnitte lassen sich diese Sequenzen einfach kopieren und verändern.
Einige Programme unterstützen auch sogenanntes Humanizing, bei dem die Einsätze und Lautstärken der einzelnen Schläge immer leicht variieren und die Grooves so natürlicher und weniger statisch wirken. Das gleiche Vorgehen funktioniert natürlich auch für melodiebasierte Samples und virtuelle Instrumente, wie z. B. Synths.
DRUM-PLUG-INS
Wer sich nicht unbedingt Note für Note seinen Backing-Track erstellen möchte, kann auch einfach auf vollwertige Drum-Plug-ins zurückgreifen. Diese bieten neben einer Bibliothek an fertigen Grooves oft auch die Funktion, anhand von Quellmaterial und/oder einigen vorgegeben Betonungen, z. B. für die Kick-Drum, neue Rhythmen „intelligent“ zu erstellen. In Toontracks „EZ Drummer 2“ heißt diese Funktion „Tap2Find“.
Auch hier genießen Apple-Nutzer wieder die Vorteile von Garage-Band. Einfach den virtuellen Drummer auf „Folgen“ einstellen und schon analysiert der Computer die ausgewählte Spur und erfindet dazu passende, fertige Beats inkl. Fills und Variationen. Wie komplex, laut oder intensiv der Groove sein soll, lässt sich mit Hilfe von Schiebereglern und einer Matrix einstellen. Einfacher kommt man nicht zu wirklich praxistauglichen Schlagzeugspuren.
Je nachdem, wie spezifisch die eigenen Bedürfnisse sind, lohnt sich die Anschaffung eines Macs oder iPads vielleicht schon allein dafür. Taugliche Geräte sind gebraucht schon ab € 200 zu bekommen. Vergleicht man das z. B. mit dem Basispreis des beliebten Programms EZ Drummer 2, gibt sich das nichts. Der Vorteil von Programmen wie EZ Drummers großem Bruder „Superior Drummer“ oder „Steven Slate Drums“ ist natürlich die mögliche Komplexität, Einstellbarkeit und letztlich auch Professionalität.
Damit geht neben einem erhöhten Preis aber auch eine gewisse Lernkurve einher. Zwar lassen sich bei allen oben genannten Programmen grundsätzlich sehr einfach fertige Grooves laden und abspielen, die Fülle an teilweise zur Verfügung stehenden Funktionen könnte den einen oder anderen jedoch überfordern bzw. vom eigentlichen Ziel, dem Musizieren, ablenken.
Gerade, wenn es darum geht, schnell zu guten Ergebnissen zu kommen, sind Garage-Band und EZ Drummer 2 eine klare Empfehlung. Hier lautet die Devise: einen Groove finden, der gefällt und diesen mit den Werkzeugen der Programme an den eigenen Song anpassen. Glücklicherweise bietet Toontrack für EZ Drummer 2 auch eine kostenlose Testversion an, sodass man sich vor dem Kauf mit dem Workflow vertraut machen kann. Grooves Note für Note zu editieren ist natürlich auch hier möglich, und auch der einfache Im- und Export von Grooves als MIDI-Datei wird von allen Programen unterstützt, was auch die Kommunikation mit anderen Musikern vereinfacht.
PRAXISTIPPS
Übrigens: In Notationsprogrammen wie Guitar Pro gibt es ebenfalls die Möglichkeit, Spuren als MIDI zu verarbeiten. In der Praxis bedeutet dies, dass Songs, die vielleicht schon fertig geschrieben sind, durch den MIDI-Import in die DAW sehr einfach mit hochwertigen Sounds versehen werden können. Auch für Coverversionen kann dies sehr praktisch sein: Einfach den gewünschten Song als Guitar-Pro-Tab herunterladen und die Spuren als MIDI-Noten exportieren.
Für andere Instrumente als Schlagzeug gibt es inzwischen ähnliche Plug-ins, die im Grunde die gleichen Funktionen bieten, nur eben für Bassspuren, Gitarren, Streicher, Keys etc. Entsprechende Programme gibt es z. B. von IK Multimedia, Toontrack oder Plug-in-Boutique, um nur ein paar zu nennen. Zum Abschluss vielleicht noch ein Tipp für die Praxis: nicht zu viel über die Komplexität eines Backing-Tracks nachdenken. Man sollte sich lieber zunächst mit einer simpleren Begleitung zufriedengeben und erst, wenn der gesamte Song einigermaßen steht, auf die Details eingehen. Im Grunde ganz genau so, wie man auch im Proberaum mit der Band arbeiten würde.