Nach der Steilvorlage von Ollie in der letzten Folge muss ich mich wohl diesmal etwas anstrengen, um den Ball, ähm Bass nicht zu versemmeln.
Ja mit dem Bass ist das schon so eine Sache. Auf den ersten Blick erschließt sich die Komplexität dieses Instruments wahrscheinlich nicht ganz. Das mag unter anderem vielleicht noch aus der Zeit eines Musikerlebens herrühren, als man noch bei den ersten Konzertbesuchen mit einem dicken Fragezeichen auf der Stirn den nicht hörbaren Musiker mit der großen Gitarre anstarrte, und sich fragte: „Hä?“.
Schuld war natürlich neben dem eigenen, noch nicht ganz komplettierten Reifeprozess vor allem der zwiespältige Mann am Mischpult sowie der Komponist, welcher mit seinem Gitarrenbrett nur noch Platz zwischen 1,5 und 1,7 kHz im Arrangement gelassen hatte. Durchstöbert man seine Musiksammlung nach klarem, schönem, knackigem, natürlichem, vollem Basssound wird man vielleicht feststellen, dass man gleichzeitig meistens keine Hard-Rock-Gitarrenriffs findet, sondern eher ein lichtes, filigranes Arrangement.
Betrachtet man das Potential des Basses aus der Sicht des Arrangeurs, so handelt es sich tatsächlich um ein sehr komplexes Gerät, quasi um zwei Instrumente in einem. Unter 80 Hz hat der Bass, zusammen mit der Bassdrum, fast alles für sich alleine. Hier fungiert er (meistens) als melodiöse Erweiterung der Kick, sorgt musikalisch für Rhythmus und frequenztechnisch für Druck.
Weiter oben im Frequenzspektrum entscheidet sich je nach Obertonstruktur der Klangcharakter, welcher von dezentem Mumpf (im Durchschnittsrock) bis zu gitarrenähnlichem Klang (auf einer Peter Sonntag CD) den Bass zu einem lebendigen Musikinstrument macht. Genau dazwischen, im unteren Mittenbereich um 200 Hz liegt ein Bereich des Basses, der meistens leider zu nichts zu gebrauchen ist. Auch wenn der Bass dadurch Solo schön voll klingt, kollidiert dieser Bereich im Ottonormalmix mit den Grundtonbereichen von Gesang, Gitarre und Snare.
Vielleicht ist der Fender Precision Bass-Sound deshalb so beliebt, weil er quasi ab Werk dort ein fettes Loch hat. Für uns tontechnisch versierte Spezies ist Löcher machen aber die leichteste Aufgabe, dazu jedoch gleich mehr. Kurzum, auch unser Stück gehört eigentlich zu der Gattung Musik, welche mit einem schönen Bass-Sound nicht ganz kompatibel ist – entweder Gitarre oder Bass, so blöd sich das anhört.
Auch deswegen war die Entscheidung für einen der von Ollie zur Auswahl gestellten Bass-Tracks wirklich nicht ganz einfach! Auch wenn die prägnanten und rotzigen Preci-Tracks wahrscheinlich von den meisten Bassfreunden favorisiert worden wären, habe ich mich für den Außenseiter-Track des Music Man entschieden. Zum einen wegen des erweiterten Tieftonbereichs, der schönen Fills und der „trockeneren“ Spielweise, zum anderen weil das harte, obertonreiche Attack der Precis zu sehr die Feinheiten der Gitarrenriffs übertönen würde.
Spätestens wenn der Gesang im Kasten ist, werden wir sehen, dass man bei einigen Instrumenten bezüglich des natürlich klingenden Frequenzspektrums unpuristische Kompromisse eingehen muss, um einen guten Mix hinzubekommen. Die Kunst wird dann darin liegen, jedem Instrument bestimmte, wichtige Frequenzbereiche zuzuweisen, die möglichst nicht mit denen der anderen kollidieren. Der Mischer/Produzent kann bzw. muss hier schon mal polarisierende Entscheidungen treffen.
Wie auch immer, nachdem die Qual der Wahl endlich überstanden war, stand fest, dass der Music-Man-Track „reamped“, also durch Amp, Box und Mikrofon gejagt werden muss, um dem höhenarmen D.I.-Sound eine Vitalkur zu verabreichen. Für diesen Zweck habe ich einen alten Celestion Bass-Greenback (mit tieferer Resonanzfrequenz bei 55 Hz) in einem selbstgebauten, geschlossenen 90L-Gehäuse an den Start gebracht. Für die Verstärkung sorgte ein 1962er Fender Bassman. Der D.I.-Track wurde über eine einfache Palmer Reamp-Box an den Amp geschickt.
Bei der Mikrofonwahl vertraute ich auf die gute Impulstreue und Tieftonwiedergabe eines Großmembran-Kondensator-Mikros, in diesem Fall ein Neumann TLM 103. Um besser den Gesamtklang des Speakers sowie des Cabinets einfangen zu können, habe ich mich so weit wie möglich von der Box entfernt, ohne dass der Raumklang sich störend auf der Aufnahme bemerkbar machte. In meinem etwa 20 qm großen Raum bin ich so auf einen Abstand von ziemlich genau einem halben Meter gekommen.
Um aus gegebenem Anlass eine bestmögliche Obertonausbeute zu bekommen, habe ich das Mikro genau mittig auf die Kalotte ausgerichtet, zumal ein Greenback bekanntlich auch hier angenehm und nicht zu schrill klingt. Da es bei dieser Entfernung optisch etwas knifflig ist, genau den Mittelpunkt zu treffen, habe ich folgendes gemacht: Über ein Rauschgenerator-PlugIn habe ich weißes Rauschen auf den Speaker gegeben, und dann per Kopfhörer getestet, bei welcher Ausrichtung das Mikro-Signal am höhenreichsten ist.
Das Reamping-Signal klingt nun schon deutlich offener, und der Grundtonbereich wird dank des Gehäuseprinzips und des Speakers schön präzise und knackig sowie tief genug rübergebracht, ohne dass man im Vergleich zum DI-Signal Einbußen zu verzeichnen hätte. Im Mix mit der Vorproduktionsgitarre ist der Bass so allerdings immer noch deutlich zu „detailarm“, was bei Ollies schöner Handarbeit wirklich zu schade wäre. So kommen wir also nicht um ein beherztes EQing herum (was bei den Preci-Tracks tatsächlich hätte der Fall sein können, aber für den Workshop vielleicht auch etwas langweilig geworden wäre).
Wie gesagt, der richtige Mixdown steht erst nach Abschluss aller Aufnahmen an, allerdings ist etwas Vorbereitung nicht schlecht, zumal ein guter Sound für die kommenden Aufnahmen sinnvoll ist. Während ich für die „technischen“ EQs der Drums noch mit dem einfachen „Channel EQ“ von Logic ausgekommen bin, packe ich für den Bass lieber den höherwertigen „Linear Phase EQ“ aus, welcher selbst bei brachialen Frequenzverbiegungen (wie wir es gleich tun) perfekt die Phasenlage beibehält.
Um sich dem gewünschten Bass-Sound zu nähern, gibt es verschiedene Vorgehensweisen. Ich finde folgende Methode praktisch: Als erstes lege ich anhand des Druckbereichs das Level des gesamten Basstracks fest. Dafür stelle ich ein Hi-Cut-Filter bei ca. 100 Hz ein, sodass nur der Bassanteil übrig bleibt. Nun kann man im Verhältnis zur Kick das Level des Basses einstellen. Das hört sich banal an, ist aber schon eine echte Herausforderung, da man dafür sehr sensibel einen „Kompromiss“ für die Bandbreite aller möglichen Abhören herausfinden muss, am besten durch ausprobieren auf allem, was einem vor den MP3-Player kommt.
Da wir ja noch nicht im finalen Mix sind, reicht es aber zunächst, wenn wir unseren Monitoren und einem guten Paar Kopfhörer vertrauen. Als nächstes dünnen wir den unteren Mittenbereich soweit aus, bis uns dort nichts mehr ins Gehege kommt. Für den Music Man habe ich hier den Übeltäter-Peak bei 215 Hz lokalisiert. Der Q-Faktor klingt bei 1,2 noch musikalisch genug, ohne zu sehr auf die wichtigeren Nachbar-Frequenzen zu wirken. Nun darf man beim Gain nicht zu zimperlich sein. Ich habe hier satte 12 dB rausgenommen, was aber schon grenzwertig ist und höchstens bei solchen Humbuckern nötig sein sollte.
Schließlich können wir uns auf den für das menschliche Hören wichtigsten Bereich zwischen 300 Hz und 3 kHz konzentrieren. Hier kann man mittels EQ den eigentlichen Charakter des Instruments in gewissen Grenzen formen. Dafür empfiehlt es sich, den Bass zunächst Solo abzuhören, und sich mit den einzelnen Frequenzabschnitten vertraut zu machen. So findet man bei unserem Music Man um 800 Hz den holzigen, knurrigen Bereich, der im Mix gerne deutlich zu hören sein soll.
Etwa eine Oktave darunter (um 400 Hz) ist ein etwas näseliger Bereich angesiedelt, der für einen natürlichen Klang aber auch präsent sein sollte. Bei ca. 1,5 kHz haben wir einen „zerrigen“, aggressiven Bereich, welcher uns in diesem Fall entgegenkommt. Nochmal etwa 1 kHz höher landet man bei den Saiten-Nebengeräuschen. Durch das Reamping wurde dort aber schon für den nötigen Anteil gesorgt, sodass hier akut kein Handlungsbedarf besteht.
Hat man sich schließlich einen Überblick verschafft und seine EQ-Bänder sortiert, kann man im Mix eine EQ-Kurve bauen, bei welcher der Bass den eigenen Vorstellungen entsprechend zur Geltung kommt. Ich habe auch hier keine Gefangenen gemacht und im wesentlichen bei 800 Hz breitbandig 10 dB reingedreht. Auch wenn die resultierende Kurve optisch etwas grobschlächtig rüberkommt, im Mix sollte man was hören!
Und dem Music Man muss zugegebenermaßen schon etwas unter die Arme gegriffen werden, sofern man ihn nicht als sterile Druck-Maschine missbrauchen möchte. Wenn man mehrere Bänder zur Zeichnung einer EQ-Kurve bemüht hat, bietet es sich für den weiteren Produktionsverlauf an, den oberen Bereich des Basses in der Lautstärke getrennt zu regeln, um nicht jedes Mal den sensiblen Grundtonbereich aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Dafür gibt es folgenden „Trick“: Wenn man einen High-Shelve mit Q-Faktor 1 und 215 Hz Grenzfrequenz (also unsere „Frequenzweiche“ zwischen Druck und Charakter) einrichtet, kann man mit dem Gain alles über 215 Hz linear lauter oder leiser machen. Für einen „stabileren“ Sitz im Mix kann man den Bass zudem auch jetzt schon leicht komprimieren.
Der Logic Compressor bietet mit seiner „FET“ Schaltung eine Urei-1176 Anlehnung, welche der Legende nach für etwas „Aggression“ sorgen soll, und somit für unseren Music Man als gute Wahl erscheint. Bei einer Ratio von 4:1 habe ich den Threshold so eingestellt, dass die Gain-Reduction bei lauteren Bass-Passagen maximal 6 dB beträgt, meistens aber unhörbar nur leicht zuckt. Die Attack liegt bei kurzen 2 ms, um höchstens die Hüllkurve der harten Anschläge im Intro leicht zu bremsen. Soweit erst mal!
Ich räume ein, Ollies Bass wird im derzeitigen Mix mit der EVH-Vorproduktions-Bratgitarre für meinen Geschmack leider immer noch etwas unter Wert verkauft. Sofern möglich werde ich versuchen, bei den noch anstehenden „richtigen“ Gitarrenaufnahmen den Gitarrensound so zu lenken, dass dem schönen Bass eventuell noch etwas mehr Freiraum im Arrangement bleibt. Ja dann, viel Bass!
Alle Folgen zum Homerecording: www.gitarrebass.de/thema/homerecording
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