Teil 14

Homerecording: Songproduktion Teil 3 – Drum Clean Up

Anzeige

Nachdem wir in der letzten Folge Mikrofonierung, Drum-Set und sonstige Feinheiten besprochen haben, geht es nun weiter mit dem zweiten Teil zum Thema Schlagzeug.

Anzeige

Für das Monitoring hat sich Boris einen Mix aus meinen Gitarrenspuren und Klick vom Sequenzer sowie den Direktsignalen seines Schlagzeugs im latenzfreien Totalmix-Mischer seines RME Fireface 800 zurechtgedreht, und auf seine Sennheiser HD25 Kopfhörer geschickt. Die insgesamt elf Mikrofone wurden dann mit ausreichend Headroom ausgesteuert und komplett neutral per Fireface samt Presonus Digimax- und TL-Audio Ivory5051-Preamps in 24 Bit/44,1 kHz aufgenommen.

Die unbearbeiteten Aufnahmen hat Boris mir schließlich als Logic-Projekt zugeschickt. Wenn die Aufnahmen bezüglich Spiel, Instrument und Tontechnik so wie bei Boris von Statten gehen, ist das weitere Mixing eigentlich wie Urlaub. Trotzdem ist klar, dass so viele permanent offene Mikrofone, die alle auch die umliegenden Elemente des Schlagzeugs aufnehmen, ohne weitere Behandlung doch zu rustikal klingen.

Besonders durch die Toms hat man im unteren Mittenbereich einen Resonanz-Brei, zudem ist durch Kammfiltereffekte alles etwas verwaschen. Hier muss man für Ordnung sorgen, ohne dabei wirklich in den Sound der Drums einzugreifen. Also: Alles was keine Miete zahlt fliegt raus. Dreckig machen kann man später immer noch … Bis dahin bereiten wir aber schon mal was vor, um auch für die folgenden Aufnahmen einen etwas definierteren und strafferen Sound zu haben.

Als erstes kontrollieren wir anhand der Wellenform die Phasenlage der Signale. Wenn man sich z. B. einen Snare-Schlag mit großem Zoom anguckt, sollte die erste Auslenkung bei allen Mikrofonen in die gleiche Richtung gehen (i. d. R. nach oben). Bei unseren Mikros kommt raus, dass erwartungsgemäß das untere Snare-Mikrofon sowie die beiden Bass-Drum Mikros gegenphasig sind, da sie zu den restlichen Mikros in die andere Richtung bzw. quer dazu stehen. Diese Signale sollten mit einem Phase-Inverter (als PlugIn in jedem Sequenzer vorhanden) gedreht werden.

An dieser Stelle kann man gleich eine Grundsatzfrage klären: Es gibt einige Engineers, die mittels Delay die Laufzeitunterschiede der Mikros ausgleichen, um „tightere“ Drums zu bekommen. Eine Methode ist, den Abstand von Kick und Snare zu den OHs zu messen, und dann K&S entsprechend zu verzögern, damit sie zeitlich synchron mit den per OHs aufgenommenen Signalen von K&S sind.

Das ist in meinen Augen allerdings eher kontraproduktiv, da K&S dann zur zeitlichen 0-Position verzögert werden, und das auch noch unterschiedlich, was alles andere als „tight“ sein kann. Sie sind dann zwar mit den OHs synchron, was aber lediglich den Effekt hat, dass die räumliche Komponente minimiert wird (welche aber eigentlich gar nicht unerwünscht ist). Die OHs um einen Mittelwert nach vorne zu ziehen, halte ich aus letzterem Grund ebenfalls für überflüssig. Also, ich würde nichts nach hinten oder nach vorne ziehen, aber das kann jeder selber ausprobieren und für sich überlegen!

Als nächstes kann man Panorama und Lautstärke-Verhältnisse zurechtrücken. Für beides nehmen wir die Overheads als Orientierung. Die OHs selber werden im Panorama komplett auseinandergedreht, wobei man sich für eine Ausrichtung entscheiden muss. Soll L/R vom Schlagzeuger oder vom „Publikum“ aus gesehen werden? Ich entscheide mich für das Zweite, da die OH-Mikros ebenfalls so herum „gucken“.

Nun macht man die beiden OHs gleich laut, und fadet ein drittes Mikro, z. B. die Hi-Hat, langsam ein. Dabei versucht man eine Pan-Position zu finden, bei der die HH an der selben Stelle bleibt wie beim OH-Stereobild. Für diesen Job eignen sich übrigens auch Kopfhörer sehr gut. Das gleiche kann man danach auch mit den Toms und dem Ride-Mikro machen. Wer sich traut, kann auch die Snare entsprechend der OH-Position etwas aus der Mitte drehen, was aber oft ignoriert wird.

Weiter geht’s mit den Levels: Dafür schiebt man bis auf die OHs wieder alle Fader runter, und fährt die einzelnen Signale hoch, bis sie das OH-Pendant durch Lautheit und/oder Direktheit leicht überdecken. Die Kick kommt zum Schluss, und sollte dann mit Snare und HiHat abgesprochen werden, da sie auf den OHs deutlich zu leise rüberkommt.

Jetzt kann man durch „technischen“ EQ-Einsatz endlich für Signaltrennung sorgen. Jedes Instrument hat einen bestimmten Tonumfang, angefangen beim Grundtonbereich. So kann man z. B. bei einer Snare unterhalb von 100 Hz mittels eines Low-Cut- (= High-Pass-) Filters getrost alles wegfiltern, da ihr Frequenzspektrum frühestens dort anfängt. In diesem Beispiel kann man so die Grundtonbereiche von Kick und Lo-Tom auf diesem Kanal eliminieren, was im Mix für etwas Klarheit sorgt. Prinzipiell kann man nach diesem Grundsatz für alle Signale Low-Cuts einstellen.

Sogar beim tiefsten Instrument – der Bassdrum – ist dies sinnvoll, da man so eventuell vorhandenen Trittschall (welchen man auf seinen Monitoren vielleicht gar nicht hört) unterhalb des Grundtons ausschließen kann. Zum Tonumfang einzelner Instrumente gibt es Tabellen, einfacher und genauer macht man es aber so: Man schaltet den entsprechenden Kanal solo, lädt einen EQ in den Kanalzug, und erhöht die Grenzfrequenz des Low-Cut langsam, bis man eine Verdünnung im Grundtonbereich bemerkt.

Wenn man meint eine passende Grenzfrequenz knapp unter dem Grundton gefunden zu haben, kann man durch mehrmaliges an- /ausschalten des Bypass kontrollieren, ob wirklich nichts flöten geht. Das Prozedere wiederholt man für alle Kanäle, wobei man bei der Kick sicher gehen sollte, nicht zu hoch abzuschneiden. Wer nur kleine Monitore besitzt, sollte vorsichtshalber mit guten Kopfhörern kontrollieren.

Eine Ausnahme bildet die Hi-Hat, bei welcher man ruhig etwas höher abschneiden kann, da die unteren Frequenzen ab 200 Hz nicht so beliebt sind. Der Low-Cut für die OHs ist wieder eine Grundsatzfrage, je nachdem ob man sie eher als Becken- oder Komplett-Abnahme betrachtet. Sofern man dafür ordentliche Mikros benutzt hat, und die OHs alleine schön ausgeglichen klingen, würde ich sie als Fullrange-Signale benutzen.

Beim Raummikro kann man etwas experimentieren, um herauszufinden welche Frequenzanteile für den Raumeindruck wichtig/gewollt sind. Ich komme für Boris’ Drums auf folgende Frequenzen: Kick= 40 Hz, Snare= 150 Hz, HH= 275 Hz, Toms= 60/100 Hz, Ride= 300 Hz, OHs= 80 Hz, Raum= 40 Hz.

Wer nun auf die Idee kommt, genau so obenrum mittels Hi-Cut aufzuräumen: Im Prinzip spricht nichts dagegen, aber es bringt i.d.R. keinen hörbaren Vorteil. Zum einen, weil die Kessel sehr nah abgenommen werden, und nur relativ leises Übersprechen von den Becken vorhanden ist (anders als umgekehrt), und wir zudem als nächstes eine weitere Signaltrennungs-Maßnahme vornehmen: Alle Kessel-Mikros (sprich Kick, Snare und Toms) kann man sehr gut „gaten“, d. h. mittels eines Gate-PlugIns automatisch stumm schalten, solange das gewollte Instrument nicht gespielt wird.

Dafür lädt man ein Gate-PlugIn in den zu bearbeitenden Kanalzug und schaltet diesen wieder solo. Mit dem Parameter „Threshold“ kann man den Pegel bestimmen, unter dem das Gate schließt. Um einen guten Wert einzustellen, schauen wir uns im Arrange-Fenster den gestauchten Wellenverlauf des Signals für den ganzen Songs an und loopen eine Stelle, an der das Instrument am leisesten zu sein scheint. Nun kann man den Threshold so einstellen, dass das Gate grade noch aufmacht. Die Attack sollte bei Drums so kurz wie möglich sein, ohne dass es knackst (2 – 5 ms). Die Release-Zeit muss so lang sein, dass der Ausklang natürlich und nicht abgehackt klingt (120 – 200 ms).

Falls die Toms im Song nur ein paar mal zum Einsatz kommen (wie bei uns), kann man sich ein Gate auch sparen und die Toms einfach schneiden und die Spielpausen löschen (was allgemein auch für größere Pausen der anderen Trommeln gilt – aber nicht für Becken!). In der Pause bei 3:20 sowie ganz am Ende habe ich die ausklingenden Becken und Toms mit dem Fade-Tool noch leicht gekürzt.

So, mit den Aufräumarbeiten wären wir nun durch. Das richtige Mixing steht traditionell erst am Schluss der Produktion an, wo ich dann auf weiteren Feinschliff eingehen werde. Trotzdem möchte ich vorher zumindest noch die Störfrequenzen der Toms etwas zähmen: Dafür bemühen wir einen parametrischen EQ und stellen den Q-Faktor sehr schmal (max.) ein. Dann boosten wir das Band um etliche dB (Vorsicht mit Lautsprecher und Ohren) und fahren mit der Frequenz herum, bis eine Übeltäter-Frequenz sich extrem unangenehm zu Wort meldet. Zum gezielten Abschwächen der gefundenen Störfrequenz ist dann ein Q-Faktor von 2 geeignet, wobei die Stärke der Absenkung am besten im kompletten Mix abzustimmen ist.

So habe ich bei den Toms ein paar problematische Resonanzen lokalisiert, unter anderem beim Hänge-Tom bei 138 Hz sowie beim Stand-Tom bei 150 Hz, was besonders zusammen etwas unvorteilhaft schwingt. So musste ich auch bei den Overheads dort einiges rausnehmen, wofür ich die Mitte der zwei Frequenzen mit 144 Hz und einen etwas breiteren Q von 1,5 gewählt habe. Auf diese Weise habe ich bei der Gelegenheit noch eine störende Raumresonanz beim Ride- und Raum-Mikro (bei 420 Hz) rausgefischt …


Alle Folgen zum Homerecording: www.gitarrebass.de/thema/homerecording

Tiefergehende Informationen zur gesamten Bandbreite der Recording-Welt gibt es auf: www.soundandrecording.de

Die Workshop- & Community-Plattform für alle Recording-, Mixing- & Mastering-Engineers sowie Produzenten: www.studioszene.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.