Re-Amping ist die neumodische Bezeichnung für „direkt auf Band aufgenommenes Signal noch mal durch den Amp jagen und per Mikrofon in aller Ruhe und nach allen Regeln der Kunst aufnehmen“. Auch wenn der eine oder andere noch nichts davon gehört haben mag, wurde Re-Amping schon zu Anbeginn unserer E-Gitarren-Zeitrechnung von Les Paul praktiziert, und auch die alten Beatles kannten diesen Brauch schon.
Prinzipiell kommt diese Methode bei allen Instrumenten zum Einsatz, welche von der Kombi Verstärker>Lautsprecher>Luft>Mikrofon profitieren könnten: sterile Software-Orgeln, E-Pianos, langweilige Panflöten, usw. Die Vorteile liegen auf der Hand: Man kann sich für die Equipment-Auswahl und -Einstellung sowie für die Mikrofonierung alle Zeit der Welt lassen, ohne dass der Künstler pampig werden kann (falls dies eine zweite Person ist).
Außerdem eröffnen sich neue kreative Möglichkeiten, wie z. B. multiple Aufnahmen mit verschiedenen Setups, die man dann im Mix übereinander legt oder im Panorama verteilt. Der einzige Nachteil (wenn überhaupt) könnte sein, dass es etwas Zeit beansprucht und man sich auf der Suche nach dem optimalen Sound leicht im Sound-Design-Frickel-Wahn verlieren kann. Technisch muss man beim Re-Amping folgendes beachten: Gitarrenverstärker sind für leise, hochohmige Pickups ausgelegt.
Versucht man nun, die zuvor (unbedingt per Hi-Z Instrumenten Eingang, ca. 1-2 MOhm) aufgenommene Gitarre über einen üblichen Line-Out seines Audio-Interface auf den Verstärker zu schicken, sollte man zuvor unbedingt seine Ohren in Sicherheit bringen. Line-Outs sind nämlich so ziemlich das Gegenteil von Gitarren-Pickups: ziemlich laut. Zudem sind sie niederohmig (<800 Ohm) und meistens symmetrisch, was in dieser Richtung aber beides eigentlich nicht so problematisch ist.
Trotzdem kann sich bei so einer direkten Verkabelung leicht ein Netz-Brummen und/oder hochfrequentes „Computer-Surren“ zum Nutzsignal gesellen. Zwar kann man gegen die Lautstärke schnell etwas unternehmen, in dem man den Ausgang einfach (ca. 20 dB) leiser dreht, eventuellen Störgeräuschen kommt das jedoch zu Gute (bei nicht übertrieben hoher digitaler Auflösung und teuerster Hardware).
Ein i. d. R. besseres und rauschärmeres Signal versprechen deshalb extra für diesen Zweck vorgesehene Re-Amp-Boxen. Dabei handelt es sich im Prinzip um umgedrehte, mit einem Trim-Poti ausgestattete D.I.-Boxen. Wie die meisten wissen, filtern solche „Direct-Injection“-Boxen die Phantomspannung aus dem Mikrofonvorverstärker heraus. Äh, war nur ein Spaß …
Im wesentlichen werden in D.I.-Boxen unsymmetrische Signale mit Hilfe eines Übertragers, also eines auf linearen Erhalt des Signals bedachten Transformators, symmetriert, um lange Kabelwege schadlos überstehen zu können. Werden die Wicklungsverhältnisse der beiden Spulen des Trafos unterschiedlich dimensioniert (1:3, 1:10, …), kann man eine gezielte Impedanz-/ Spannungsanpassung bewirken.
Im Fall einer Re-Amp-Box wird die Impedanz auf ein niedrigeres Level gedrosselt, sodass nur noch wenig Strom mit dem Gitarrensignal fließt, was dem Gitarrenverstärker dann auch bekannt vor kommt. Zudem wird das Signal in einem Aufwasch leiser, unsymmetrisch und was am besten ist: galvanisch getrennt vom satanischen Computer-Störenfried. D. h., das Signal wird für eine kurze Strecke nicht elektrisch sondern magnetisch von Spule zu Spule übertragen, wodurch kein leitender Kontakt zwischen Ein- und Ausgang besteht.
Das gilt natürlich nicht für die Masse, weshalb die meisten D.I.- und Re-Amp-Boxen zudem einen schaltbaren Ground-Lift besitzen. Dabei wird einfach die Masseverbindung zwischen Ein- und Ausgang gekappt, was je nach Verkabelungssalat eine Verbesserung oder auch Verschlechterung (bezüglich eines eventuellen Netzbrummens) bewirken kann – einfach ausprobieren!
Alles in allem löst eine Re-Amp Box also gleich mehrere Probleme, und ist deshalb fürs Re-Amping empfehlenswert. Die Löt-Erfahrenen können sich auch relativ kostengünstig eine solche Kiste selber bauen, wofür sich im Internet sämtliche Schaltpläne und Bauanleitungen finden. Da bei so einem Gerät eine bestmögliche Einstreu-Unempfindlichkeit sinnvoll (und beim Selbstbau etwas knifflig) ist, würde ich mir persönlich jedoch nicht die Mühe machen (und lieber eines der zahlreichen und bezahlbaren Produkte von der Stange vorziehen). Hier gibt es natürlich auch Qualitätsunterschiede, aber für die meisten Verstärker werden die Klangunterschiede minimal ausfallen.
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