Ihr seid stolze Besitzer unbeschreiblich schöner Monitorboxen, habt diese nach allen Regeln der Kunst im Raum und zur Abhörposition ausgerichtet, und ggf. noch euer Mobilar neu aufgestellt (s. letzte Ausgabe). Damit sind bei einem gesunden Homerecording-Budget die Mittel zur Einflussnahme auf die physikalischen Faktoren wahrscheinlich schon ausgeschöpft. Da geht aber noch mehr!
Unser Ziel ist ja ein linearer Frequenzgang der unsere Ohren erreicht. Leider seid ihr wahrscheinlich noch ein gutes Stück davon entfernt. Zum einen bieten nur die wenigsten Boxen einen perfekten Frequenzgang, zum anderen haben auch solch teure Exemplare keinen Einfluss auf die Umgebung, in der sie aufgestellt werden. Im professionellen Studiobereich werden Raum und Lautsprecher mit hohem Aufwand genau aufeinander abgestimmt.
Bei der Live-Beschallung hingegen muss man sich mit Räumlichkeiten und Equipment meistens abfinden, und bearbeitet den Frequenzgang mittels eines Grafischen Equalizers solange, bis an den teuren Plätzen ein angenehmer Sound herrscht. Wieso können wir in unserem Heimstudio nicht ähnlich pragmatisch vorgehen, zumal wir gegenüber der Massenbeschallung den Vorteil haben, dass unsere Abhörposition auf wenige Zentimeter fest definiert ist?
Eines vorweg, der live zum Anpassen der P.A. verwendete Grafik-EQ ist im Studiobereich so verpönt wie der Weihrauch auf der Pizza Diavolo. In der Tat erzeugt er prinzipbedingt Rauschen und Phasenverschiebungen, sodass auch wir ihn nach Möglichkeit in unserem Signalweg vermeiden sollten, auch wenn es in unserem Fall „nur“ um das Abhörsignal geht.
Es gibt aber elegantere und bessere Möglichkeiten, seinem Studio auf elektronischem Wege einen graden Frequenzverlauf zu verpassen. Eine ziemlich unkonventionelle und zugleich unsagbar praktische Methode werde ich weiter unten vorstellen. Zunächst möchte ich aber erst mal das Prinzip des Einmessens erklären: Dafür brauchen wir ein Plug-In zur Frequenzanalyse sowie ein Messmikrofon. Ersteres ist in vielen DAWs bereits vorhanden, ansonsten wird man auf dem Freeware-Markt schnell fündig.
Ein Messmikrofon ist für jeden eine erschwingliche und sinnvolle Investition, zumal es natürlich auch für musikalische Zwecke benutzt werden kann. Nun positioniert man das Mikrofon an der Abhörposition genau zwischen den Ohren und richtet es grade nach vorne, nimmt aber am besten zuerst den Kopf weg. Dann gibt man ein Audiosignal über die Lautsprecher wieder, und zeichnet das Mikrofonsignal dabei auf. Jetzt muss man nur noch im Analyser die aufgenommene Audiodatei mit dem Original vergleichen, und sieht wahrscheinlich mehr oder weniger große Unterschiede im Frequenzverlauf.
Man kann dann versuchen, diese mit einem möglichst hochwertigen, phasenlinearen EQ auszugleichen. In unserem Fall sollte es ein parametrischer EQ sein, wodurch die Arbeit allerdings kniffliger ist als mit besagtem Grafik-EQ. Nur um Missverständnisse zu vermeiden, ein solcher EQ sitzt ganz am Ende des Signalwegs, im vorletzten Einschleifweg (vor dem Analyser) des Stereo-Master, und dient nur zu Abhörzwecken. Beim Mixdown oder Bounce muss er natürlich ausgeschaltet werden!
Um sich die Arbeit zu erleichtern, verwendet man Rauschen als Quellsignal, da dies alle Frequenzen kontinuierlich wiedergibt. Bei einer in der Regel nicht perfekt symmetrischen Monitor/Raum-Anordnung sollte man sich die Mühe machen, beide Boxen einzeln zu analysieren und getrennt zu EQen. Bei der Gelegenheit kann man auch gleich sicherstellen, das beide Monitore genau die selbe Lautstärke haben. Wer bei besonders schlechter Ausgangsposition mit riesigen dB-Sprüngen im EQ eingreifen muss, wird eventuell an die physikalischen Grenzen seiner Monitore kommen und ein unschönes Zerren bemerken.
Wenn man allerdings soweit von dem linearen Ideal abweicht, sollte man dringend nach richtigen Monitorboxen Ausschau halten. So oder so kann man schließlich durch A/B-Vergleich entscheiden, ob der gebastelte EQ einen Vorteil bringt. So, und jetzt kommt was gaaaanz tolles: Die beste und zugleich einfachste Möglichkeit einzumessen, bietet eine technische Errungenschaft: Der sogenannte „Fingerprint EQ“. Dabei handelt es sich um einen EQ, welcher mittels integrierter Frequenz-Analyse das Spektrum zweier Audiopassagen vergleicht, und automatisch einen Differenz-EQ errechnet. Neben den vielen spannenden Einsatzmöglichkeiten beim Mixen und Mastern bedeutet das für uns, dass wir unser Vorhaben quasi per Knopfdruck realisieren können. Und das sehr genau und bei hoher Qualität.
Anhand des Apple „MatchEQ“ möchte ich abschließend gerne das genaue Prozedere erklären: Um einen Stereo-EQ kreieren zu können, muss man zunächst aus den Aufnahmen der beiden Lautsprecher eine Stereodatei bouncen, wobei die Pegel exakt gleich sein sollten. Nun öffnet man den Match EQ im letzten Insert des Masters, lässt den Testtongenerator sein Rauschen generieren und aktiviert im Match EQ die „Template Learn“ Funktion für einige Sekunden.
Nun lässt man die Stereo-Datei mit den Mikrofonaufnahmen im Loop laufen, stellt sicher, dass der Pegel ähnlich dem des Generators ist, und aktiviert für einige Sekunden die „Current Learn“ Funktion. Wenn man nun die „Material Match“ Taste drückt, erhält man den gewünschten Ausgleichs-EQ. Um nun einen echten Stereo-EQ zu bekommen, muss man den Channel-Link Regler auf „0%“ stellen. Da der Frequenzgang unserer Monitore kleiner ist als der des Testrauschens, erstellt der EQ ganz oben und unten riesige Boosts. Diese sollte man mit der „Fade Extremes“ Funktion, welche nur in der Regler Ansicht aktiviert werden kann, beschneiden.
Jetzt darf man sich den EQ mal mit möglichst gut klingender Musik anhören. Je nachdem wie die Ausgangssituation war, wird man mehr oder weniger erstaunt darüber sein, wie die Lautsprecher nun klingen. Des Weiteren kann man mit „Smoothing“ den Grad der Kurvenglättung anpassen, wobei eine nicht zu feine Auflösung vermutlich bessere Ergebnisse liefert. „Phase“ sollte auf „Linear“ stehen, und „Apply“ macht bei etwa 100% am meisten Sinn. Dann noch abspeichern und fertig!
Zur Kontrolle könnte man nun die EQten Boxen noch mal aufnehmen und im Analyser betrachten. Wahrscheinlich hat man nun einen ziemlich linearen Frequenzgang und ist endlich am Ziel. Sollte sich noch irgendwo eine größere Unebenheit zeigen, so handelt es sich wahrscheinlich um eine penetrante Raumresonanz, die man nun entweder auf akustisch-baulichem Wege versuchen kann zu bekämpfen, oder durch manuelles Eingreifen in die EQ-Kurve probieren kann, etwas mehr abzudämpfen.
Im besten Fall merkt man am Ende, dass die EQ-Anpassung nur marginal ausfällt und man sie eigentlich gar nicht benötigt. Oder man hat sich ganz einfach mit geringen Mitteln eine hervorragende Abhörsituation geschaffen, die man bei den kommenden Aufnahmen und Mixen nicht mehr missen möchte. Auf jeden Fall ist man hinterher schlauer. Soweit erst mal und viel Spaß beim Ausprobieren!
Sonarworks
Als kleine Empfehlung sei hier noch Sonarworks genannt. Dabei handelt es sich um eine kostenpflichtige Software, die durch Sinus-Sweeps euren Raum analysiert und beeindruckende Ergebnisse liefert: www.sonarworks.com
Alle Folgen zum Homerecording: www.gitarrebass.de/thema/homerecording
Tiefergehende Informationen zur gesamten Bandbreite der Recording-Welt gibt es auf: www.soundandrecording.de
Die Workshop- & Community-Plattform für alle Recording-, Mixing- & Mastering-Engineers sowie Produzenten: www.studioszene.de
Tolle Erklärung mit dem MatchEQ und der White Noise Messung!
Habe ich umgesetzt und hat gut funktioniert.
Nun werde ich es die Tage mal im Mixing testen.
VG
Phil