Teil 22

Homerecording: Mixing – Kompressoren I

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Nachdem wir in den letzten Folgen ausgiebiges Recording anhand unseres Rock-Songs betrieben haben, startet mit dieser Ausgabe das schöne Thema Mixing.

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Als Aufmerksamkeits-Aufheller lege ich zu Beginn gleich mit dem Profi-Tool los, und spare mir aus Platzgründen sowohl die absoluten Basics als auch die tiefergehenden Hintergründe zur Technik, sodass (hoffentlich) eine praktische, kompakte Hilfe für den gekonnten Kompressor-Einsatz übrig bleibt. Wer nun leider nichts versteht, oder wem es immer noch zu platt ist, dem empfehle ich Google sowie das Buch ,Mastering Audio‘ von Bob Katz.

Bei moderner Musik und insbesondere im Rock ist der Kompressor das wichtigste Instrument des Toningenieurs, wichtiger als EQ, Hall und Lavalampe zusammen. Und das, obwohl im Prinzip „nur“ das Signal in der Dynamik verkleinert wird. Ursprünglich wurden Kompressoren aus dem Wunsch heraus entwickelt, das Mixen bei zu dynamischem Audiomaterial zu vereinfachen. Allerdings ist die Art und Weise wie die Dynamik-Schrumpfung geschieht – je nach Kompressor-Technik und Handhabung – mit so vielen Nebeneffekten versehen, dass a) jemand mit Know-how ganz tolle Sachen anstellen kann, oder b) jemand mit nur wenig Ahnung eine Aufnahme leicht verschlimmbessern kann.

Leider werden die Regler am Kompressor von Autodidakten oft exakt in die falsche Richtung gedreht und dabei zu viel, zu stark und ohne wirkliche Berücksichtigung des Audio-Materials komprimiert. Da wären wir auch schon bei der vielleicht wichtigsten Botschaft dieses Workshops: Immer genau hinhören, was passiert!

Das Heikle beim Kompressor ist der Einfluss auf die Hüllkurve eines Signals, wobei vor allem die Transienten ausversehen schnell unter die Füße kommen. Transienten sind die steilen, noch ungeordneten Anteile beim Einschwingvorgang, und genau diese sind wichtig für Dinge wie Charakter, Lebendigkeit, Druck und Durchsetzungskraft. Unter der Kompressor-Kategorie „Advanced“ sind perkussive Signale, bei denen in den eher kurzen Transienten große Pegelsprünge vorkommen, welche man gerne in den Griff bekommen würde ohne dabei den Punch zu verlieren. Beispiel Slap-Bass: Bei einer zu langen Attack-Zeit bzw. einem langsamen Kompressor würden die Peaks ziemlich unbeeindruckt weiterlaufen.

Das andere Extrem wäre ein Brickwall-Limiter, der quasi gar keine Attack-Zeit hat und mit seiner hohen Ratio alles platt walzt, auch extrem kurze Transienten. Das kann in diesem Fall auch klingen, muss aber nicht. Das Gerät der Wahl wäre hier ein schneller Kompressor wie z. B. ein FET-Typ oder ein noch schnellerer VCA-Kompressor wie der dbx 160. Hier kann man nun mit dem Attack-Regler wie mit einem Skalpell vorne im Transienten-Bereich herumstochern, bis man einen möglichst vorteilhaften Kompromiss zwischen Dynamik-Kontrolle und Sound gefunden hat.

Das ganze natürlich in Kombination mit Ratio, Threshold usw., wodurch schließlich die entscheidende I/O-Kurve der Pegeländerung sowie die dahinter stehende Hüllkurve geformt wird. Es ist am musikalischsten, wenn der Threshold genau mittig im Geschehen liegt, sprich dort, wo am meisten Pegeländerungen passieren. Im Falle unseres Slap-Basses also irgendwo zwischen Transienten-Peak und dem darauffolgenden konstanten Level des eigentlichen Tons.

Beim Einstellen des Threshold macht man die Augen am besten zu, da die GR-Meter auch bei Plug-Ins meistens zu langsam sind und nur verwirren. Mit der Ratio bestimmt man schließlich die resultierende Gain-Reduction (GR). Leider wird es oft genau andersherum gemacht, sodass man sich vorher auf eine Ratio festlegt und dann mit der Threshold so weit runter geht, bis die GR das gewünschte Ausmaß erreicht. Je höher die Ratio, desto mehr Pegelkontrolle unter Verlust des natürlichen Sounds. Hier könnte z. B. bei einer gewollten hohen Ratio (>4:1) eine Soft-Knee-Kurve wieder etwas abmildern (durch die gemäßigtere GR im Übergangsbereich).

Die GR wird ähnlich wie die Ratio zudem meistens zu hoch eingestellt, nach dem Motto „Viel hilft viel“. Dabei ist bei „normaler“ Dynamik eher weniger Kompression der Schlüssel zum Erfolg (Ratio < = 4:1, GR 3 – 6 dB, oft auch nur 2 – 3 dB). Mit der Release-Zeit legt man fest, wie lange es dauert, bis die Kompression auf Unity Gain zurückfährt, sobald die Threshold unterschritten wird. Ist die Release zu kurz, bekommt man ein künstliches Pumpen, ist sie zu lang, dann kommt der Pegel nicht mehr aus dem Quark. Auch hier muss man genau hinhören und die Release unabhängig von irgendwelchen Beschriftungen nach musikalischen Gesichtspunkten einstellen.

Mit dem richtigen Setting kann man (z. B. beim Bass oder den Drum-Overheads) für einen atmenden, lebendigen Effekt sorgen, wenn man die Release passend zum Songtempo so justiert, dass der Pegel sich zu den Vierteln hin wieder aufbaut.

Im Mixing-Alltag ist es neben der Beherrschung der Parameter zudem nützlich zu wissen, dass es bei Kompressoren genauso viele verschiedene Übertragungs-Kennlinien und Klang-Eigenheiten wie Kompressoren selbst gibt. Die Kunst besteht darin, herauszufinden, welcher Kompressor zu welcher Aufgabe am besten passt. So gibt es auch bei identischer Einstellung große Unterschiede im Klang, wodurch Geräte mal weicher, härter, fetter, heller, druckvoller oder perkussiver klingen.

Wie bei den gängigen Gitarrenmodellen gibt es auch bei den Kompressoren ein paar klassische Designs, welche bis heute das Vorbild der meisten Geräte sind. Daher lohnt es sich, zumindest bei den großen Namen, eine ungefähre Vorstellung von den Hauptmerkmalen und bevorzugten Einsatzgebieten zu haben. Für die meisten Leser sind vermutlich eher die digitalen Pendants interessant, wobei es lizensierte und „heimliche“ Kopien der Klassiker zu Hauf gibt. Da steht man wieder vor der Frage, welche Kopie die beste ist, und ob sie ans Original heran kommt.

Ich halte mich dabei ganz pragmatisch an die höchstbezahlten Engineers, welche inzwischen auch viele Plug-Ins benutzen und am besten beurteilen können, ob diese etwas taugen. Nach dieser Logik kann man die PlugIns von Waves, UAD, Softube, PSP, PluginAlliance, Sonnox oder Voxengo schon mal uneingeschränkt empfehlen, wobei es natürlich auch noch viele andere gute Hersteller gibt.

Zum Schluss noch eine kurze Übersicht zu einigen sehr bewährten Gerätschaften:

Teletronix LA2A: Opto-Kompressor aus den 50ern mit Röhrentechnik, soft-knee, langsam, nicht-lineare Kennlinie, färbend, deshalb sehr musikalisch und warm, trotzdem transparent. Der Klassiker für Gesang, kann „larger than life“ aber auch sehr aggressiv wenn die Röhrenstufe übersteuert wird. Sehr gute PlugIns von Waves und UAD.

Ähnlich TubeTech CL1B und Summit TLA100A. Letzterer ist (bei Bedarf) cleaner und deutlich schneller, beide als PlugIns von Softtube zu haben.

Teletronix LA3A: etwas schneller als 2A und ohne Röhre etwas cleaner. Clearmountain schwört drauf.

Fairchild 670: Stereo Röhren-Komp (Mono 660), „Vari-Mu“ Technik: die Ratio steigt je höher der Input, sehr soft-knee, schnelle Attack, warmer, färbender Sound, unzählige Röhren und Trafos verbaut, Verzerrung von niedrig bis schreiend, Original ist unbezahlbar, für Drums, Vocals, Buss-Kompression, Mastering. M/S-Option. Der Mix-Kleber! Als PlugIn von Waves und UAD, ähnlich Manley Vari-Mu.

Urei 1176: (1178 Stereo) schneller FET-Komp, der den Sound etwas aufhellt und aggressiver macht, legendär für Bass aber auch Drums, Buss-Comp, E-Gitarre. Schöne subtile FET-Zerrung für Aufmerksamkeit im Mix. Standard-Setting 4:1, „Geheim“-Setting: alle Knöpfe drücken, gut für parallele Kompression bei Drums.

dbx 160: Liebevoll „VU“ genannt, superschneller VCA-Comp/Limiter, sehr clean, präzise, natürlicher Sound, gut für Signale mit klaren Obertönen, wo Verzerrung schlecht wäre, aber auch Klassiker für Drums (Buss, Kick, Snare) & Vocals.

Vertigo VSC-2: Stereo-VCA-Comp, perfekte dbx-160-Alternative aus deutscher Edelschmiede, geht für alles und bietet „Tip Toe“ Mode (ähnl. Vari-Mu), als natives, Resourcen-schonendes PlugIn von Brainworx erhältlich.

Weitere ähnliche VCA-Designs und gleichermaßen beliebt für Buss-Kompression (vor allem bei Drums) sind der API 2500 sowie der SSL 4000G Series Gruppen-Kompressor.

Empirial Labs Distressor: moderner DCA-Kompressor/Limiter mit analogen Emulationen von bdx 160, LA2A, 1176 und Fairchild 670 sowie vielen praktischen Optionen. Eine ähnlich flexible, moderne Multi-Dynamics-Waffe auf VCA-Basis ist der Valley People DynaMite, welcher für krasse Drumsounds ein Geheimtipp unter den Pros ist. Ebenfalls bei Softube zu haben.

PSP oldTimer: eigenes Design, purer Analog-Sound, einfache Bedienung, kaum CPU-Last, M/S Option, günstig. Die Praxis dazu demnächst hier. Bis dahin, viel Bass!


Alle Folgen zum Homerecording: www.gitarrebass.de/thema/homerecording

Tiefergehende Informationen zur gesamten Bandbreite der Recording-Welt gibt es auf: www.soundandrecording.de

Die Workshop- & Community-Plattform für alle Recording-, Mixing- & Mastering-Engineers sowie Produzenten: www.studioszene.de

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