Teil 27

Homerecording: Der Equalizer – Teil 2

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EQ-Praxis – oh ha, was soll man da schreiben? Also man wählt zuerst die Frequenz und dreht dann – halt, nein, nochmal von vorne. Bevor rumgeschraubt wird, muss zuerst der größte Teil des Jobs mit den Ohren erledigt werden. Und damit man zwischen den Ohren einordnen kann, was außen reinkommt, ist die Kenntnis von einigen Frequenzbereichen eine echte Erleichterung.

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Hierfür empfehle ich die übersichtliche, aber mit reichlich praktischem Nutzen ausgestattete Einteilung in die 10 Oktaven unseres Hörspektrums (20 Hz – 20 kHz):

1. Oktave, 20 – 40 Hz: Diese Oktave ist musikalisch ziemlich unwichtig und wird nur von wenigen Lautsprechern widergegeben.

2. Okt., 40 – 80 Hz: Tiefer Bass, Kick-Drum und Bass Grundtonbereich

3. Okt., 80 – 160 Hz: Oberer Bass, Grundtonbereich vieler Instrumente, wichtig für das harmonische Fundament

4. Okt., 160 – 320 Hz: Die vielleicht wichtigste Oktave überhaupt, auch „Mudrange“ genannt, Bindeglied zwischen Bass und Mitten, viele schmale und schwierige Resonanzen, welche Klarheit und Details verwaschen, Mittleres C (260 Hz)

5. Okt., 320 – 640 Hz: Untere Mitten, Bereich von Alt und Sopran, wichtig für Fülle und Wärme

6. Okt., 640 Hz – 1,28 kHz: Oberster Grundtonbereich, wichtige Obertöne tiefer Instrumente (Bass!)

7. Okt., 1,28 – 2,56 kHz: Markanter Bereich vieler Instrumente, Biss, Lautheit

8. Okt., 2,5 – 5 kHz: Nach der 4. die zweitwichtigste Oktave, empfindlichster Bereich des Gehörs, Präsenz, Konsonanten. Untere Hälfte (um 3 kHz) sehr kritisch bez. Resonanzen, Verzerrungen und Härte, obere Hälfte (um 4 kHz) sollte im Mix reserviert sein für Gesang

9. Okt., 5 – 10 kHz: Höhen, Brillanz, S-Laute, Becken, Snare-Top-End

10. Okt., 10 – 20 kHz: Extreme Höhen, „Air“, Rauschen, wenig musikalischer Inhalt.

Bei einer Live-Beschallung könnte man mit diesem Wissen und einem einfachen Oktavband-Grafik-EQ in 2 Sekunden z. B. für mehr Sprachverständlichkeit, mehr Bass-Druck, weniger S-Laute, und weniger Tiefmitten-Oomphf sorgen, ohne suchen zu müssen. Wichtig ist, zu verstehen, dass für unser relatives Gehör jede Oktave gleich „breit“ ist. Darum muss man bei der Frequenzsuche beim EQing z. B. durch die 2. Oktave (40 Hz Spanne) genauso schnell oder besser langsam „sweepen“, wie durch die komplette obere Hälfte unseres Hörspektrums (10 kHz Spanne).

Besonders kritisch sind Bereiche, wo wichtige Frequenzen dicht gefolgt von ungewünschten auftreten. Das passiert vor allem in den unteren Oktaven, wo Grundtöne und Resonanzen nah beieinander liegen. Ungleich voller im Frequenzgetümmel wird es, wenn mehrere Instrumente aufeinander treffen, wie es in einem normalen Mix üblich ist.

Beispiel: Eine Bassdrum hat ihren Grundton bei 60 Hz, gefolgt von Obertönen und Resonanzen. Die Kick soll harmonieren mit einem Bass, dessen Haupt-Grundtonbereich leicht oberhalb der Kick liegt. Die Schnittmenge der beiden Grundtonbereiche bedeutet indifferenten Matsch sobald die Kick spielt. Eine nicht ganz offensichtliche Lösung ist ein Low-Cut auf dem Bass bei etwa 90 Hz. Dadurch liegt der Fokus beim Bass auf seinem eigentlichen Grundton-Peak, und unten hat die Kick mehr Platz für sich alleine.

Sofern man die Grundtöne durch einen Boost noch hervorheben möchte, sollte man dies zumindest bei der „starren“ Kick schmalbandig tun, und vor allem den darüberliegenden Frequenzbereich absenken, um den Bass nicht wieder zu verdecken. Auch beim Bass liegt knapp über den Grundtönen, aber unterhalb des „klangbestimmenden“ Obertonbereichs, ein schwieriger Mittenbereich um 200 – 300 Hz (4. Oktave!). Deshalb auch hier: Wenn unten Boost, dann darüber Cut, allerdings breitbandiger als bei der Kick, da sich die Grundtöne beim Bass (ab und zu) verschieben.

Inzwischen ein alter Hut, aber nichts desto trotz eine bewährte Lösung für diese Anwendung, ist der alte Pultec EQP-1A Röhren-EQ, welcher glücklicherweise von vielen Software-Herstellern inzwischen sehr schön in die digitale Welt übersetzt wurde (UAD, Softube, Waves, PSP, …). Abgesehen davon, dass der passive Röhren-EQ extrem gut klingt, eignet er sich durch eine kleine Besonderheit ziemlich gut für solche Boosts mit darauf folgenden Cuts.

Sobald man bei einer eingestellten Frequenz gleichzeitig verstärkt und absenkt (Boost + Attenuate) heben sich die Kurven nicht auf, sondern formen eine äußerst brauchbare Boost/Cut Kurve, als hätte Rubens persönlich den Pinsel geschwungen. Dies rührt daher, dass die Attenuate-Frequenz beim Pultec immer etwas höher liegt als die Boost-Frequenz.

Da der einhergehende Mitten-Cut sich logischerweise nach links verschiebt, je tiefer die eingestellte Frequenz ist, lohnt es sich, auch eigentlich zu niedrige Frequenzen auszuprobieren (z. B. 20 Hz), um den Mitten-Cut an die richtige Stelle zu kriegen. In diesem Fall empfiehlt es sich, einen zusätzlichen, am besten steilen Low-Cut (>=18 dB/Oct) zu benutzen. Auf diese Weise eignet sich der breitbandige Pultec auch für die Kick, da man so einen schmalen, punktgenauen Boost hinbekommt (siehe Abbildung). Eine elegante Methode also, um eine moderne Kurve mit dem bewährten Vintage-Sound zu kombinieren.

Wo wir schon mal beim Pultec sind: Das obere Band muss natürlich auch benutzt werden, das wäre ja sonst Verschwendung. Bei der Bassdrum würde es sich anbieten den Kickbereich um 3 – 5 k zu bearbeiten, beim Bass dessen Top-End. Der Pultec eignet sich aber natürlich nicht nur für Kick und Bass. Seine Boost/Cut Eigenschaft kann er z. B. auch gut bei der Snare oder den Toms ausspielen. Für leichte Eingriffe wird er auch gerne auf der Stimme oder in der Summe verwendet.

Im Mittenbereich von E- und A-Gitarren wird auch manchmal gerne eine Boost/Cut Kurve verwendet, allerdings liegt diese Region genau zwischen den EQP-1A Bändern, weshalb er bei Gitarre eher für den Präsenzbereich zum Zuge kommt. Aber es gibt ja auch noch viele andere wohlklingende EQs wie SSL, Neve, API Trident u. v. a. Den ein oder anderen davon kriege ich in diesem Workshop bestimmt noch unter, bis dahin: viel Bass!


Alle Folgen zum Homerecording: www.gitarrebass.de/thema/homerecording

Tiefergehende Informationen zur gesamten Bandbreite der Recording-Welt gibt es auf: www.soundandrecording.de

Die Workshop- & Community-Plattform für alle Recording-, Mixing- & Mastering-Engineers sowie Produzenten: www.studioszene.de

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