Wer kennt sie nicht, diese fiesen Problemchen beim Mixing: Kick und Bass kommen sich in die Quere und der Bassbereich drückt nicht so wie es sich gehört, zudem dieser unsägliche Low-Mid-Matsch. Und wieso ist der Bass eigentlich so dünn, obwohl er Solo noch so kernig rüberkam? Ehe man sich versieht, hockt man einen ganzen Tag am EQ einer Kick und ist am Ende mit seinem Latein und der Welt.
An dieser Stelle heißt es einen kühlen Kopf bewahren und es nicht mit schlafraubender Recherche von Voodoo-Internet-Tricks oder spontanen High-End-Plug-In-Käufen zu richten. Denn ein guter Mix war garantiert noch nie das Resultat geheimer Tricks oder komplizierter Technik, sondern zu 90 % die Summe vieler kleiner, meistens einfach nachvollzieh- und realisierbarer Eingriffe.
Trotzdem ist der Weg hin zu einem perfekten Mix unglaublich schwer, sogar wenn das Ausgangsmaterial gut arrangiert und aufgenommen wurde. Mehrere falsche Abbiegungen bei den vielen zu treffenden Entscheidungen während eines Mixes addieren sich zu einem Problem-Mix auf. Und auch wenn man trotz Mix-Reizüberflutung noch in der Lage ist diese Probleme zu hören, heißt das noch nicht, dass man weiß, was zu tun ist.
Deshalb geht’s in unserer Mixing-Reihe nun um das Audio-Ur-Tool: Den Equalizer, kurz EQ. Seine Anwendungen sind endlos, genauso wie seine Bauarten, und es ist eine Kunst für sich, im Geräte-Dschungel nicht verloren zu gehen. Da Bedienung und Verständnis von EQs selbsterklärend sind, erspare ich mir wieder die Basics und gehe eher auf weniger offensichtliche Aspekte ein, hoffentlich gespickt mit ein paar nützlichen Tipps. Los geht’s:
In dieser Reihe geht es ausschließlich um die zwei fürs Mixing relevanten EQ-Einsatzgebiete. Der „technische“ EQ ist für die Problembeseitigung und tonale Aufräumarbeiten gedacht. Der aus kreativer Sicht etwas interessantere „musikalische“ EQ wird benutzt, um einen möglichst ausgewogenen Klang zu formen. Prinzipiell kann man beides mit einem Gerät und in einem Arbeitsgang erledigen, aber es sprechen einige Dinge dafür, zumindest bei wichtigen oder kniffligen Audiosignalen diese zwei Schritte zu trennen.
technischer eq
Beim technischen EQ geht es darum, Störfrequenzen, wie z. B. Trittschall oder überbetonte Resonanzen, einzudämmen oder zu entfernen, ohne dass die benachbarten, wichtigen Frequenzen beeinträchtigt werden. Dafür wird eher ein hoher Q-Faktor (>= 2), bzw. bei Hoch- oder Tief-Pass-Filtern eine große Flankensteilheit benötigt (>=18 dB/Okt.). Besonders bei Drums oder Percussion bieten sich sehr schmalbandige Cuts an, um die oft reihenweise auftretenden Resonanzen zu dämmen, ohne den eigentlichen Ton zu durchlöchern.
Bei Melodieinstrumenten oder Stimme sind zu schmale Filter fehl am Platz, da sich mit der Tonhöhe auch die Problemzonen verschieben. Beim technischen EQ verwendet man häufig auch kräftige Absenkungen – 10 dB und mehr sind nichts Schlimmes. Das kommt unter anderem daher, dass unser Gehör Absenkungen schlechter wahrnimmt als Anhebungen.
Bei extremen Einstellungen mit hohem Gain und Q-Faktor ist es gut, wenn der EQ neutral klingt. „Normale“ EQs weisen eine mehr oder weniger starke Phasenverschiebung zwischen tiefen und hohen Tönen auf, welche umso stärker wird, je extremer die Einstellungen sind. Deshalb ist es sinnvoll, einen „Linear-Phase“ EQ bei radikalem EQ-Einsatz zu benutzen. Solche EQs gibt es nur in der digitalen Welt und sie sind ideal für klangneutrale, chirurgische Eingriffe mit extremen Settings. Das verursachte Delay dieser Plugins ist allerdings höher als sonst, sodass die Plugin-Latenz-Kompensation der DAW mehr zu tun bekommt.
Der technische EQ sollte vor dem Kompressor in der Signalkette liegen, da dieser dann genauer regeln kann und nicht auf später entfernte Peaks reagiert. Sprich: Ein guter EQ braucht weniger Kompression, wodurch ein natürlicherer Mix möglich ist. Zudem wird der Mix einfacher, wenn man von vornherein alle Frequenzen rausschmeißt, die keine Miete zahlen, vor allem am unteren Ende des Hörspektrums. Denn dort können eventuell vorhandene Fremdsignale im Sub-Bass-Bereich am verfügbaren Headroom knabbern oder den sensiblen Bassbereich verwässern – wichtig!
Für die gezielte Beschneidung von Tracks kann man eine Tabelle mit den Tonumfängen verschiedener Instrumente zu Rate ziehen. Für das einfache Setzen von Low-Cuts geht’s allerdings schneller und genauer, wenn man auf sein Gehör vertraut. Dabei muss man, wie am besten bei allen EQ-Veränderungen, immer wieder mit der Bypass-Taste kontrollieren, ob wirklich nichts Wichtiges verloren geht.
musikalischer eq
Der musikalische EQ hat die Aufgabe, einerseits die einzelnen Tracks gut klingen zu lassen und eventuelle Fehler bei der Aufnahme auszubessern. Andererseits dient er dazu, im dichten Frequenzgetümmel die charakteristischen Anteile der einzelnen Instrumente durchscheinen zu lassen. Das geschieht entweder durch Anhebung der wichtigen Frequenzen oder durch Absenkung der unwichtigen.
Beim musikalischen EQ sind die Anforderungen genau umgekehrt zum technischen EQ: Man agiert eher mit weniger Gain sowie breitbandiger. Der Einsatz von HPF’s/LPF’s ist seltener. Ein Filter mit niedriger Ordnung (6 – 12 dB/Okt) kann aber als Alternative für eine Shelf-Absenkung ausprobiert werden, z. B. um das kräftige Low-End einer A-Gitarre oder eines Synthies im Low-Mid-Bereich Mix-kompatibel zu verschmälern. Auch ist der EQ diesmal hinter dem Kompressor sinnvoller, da dieser die EQ-Boosts wieder etwas runterregeln würde. Selbstredend nimmt man nun einen möglichst „musikalischen“ EQ, also einen, dem man einen schönen oder angenehm färbenden Sound nachsagt.
An dieser Stelle muss ich etwas ausholen: Einige legendäre analoge EQ-Designs klingen nachweislich besser als andere EQs. Der Klang eines EQs wird durch viele Faktoren beeinflusst: Die oben schon angesprochenen Phasenverschiebungen sind ein wichtiger Punkt. Hier haben die Designer guter EQs viel Hirnschmalz und vor allem viel trial & error investiert, um diese im Rahmen zu halten (minimum phase), sowie die Phasenverschiebungen der einzelnen Bänder bei realistischen Einstellungen möglichst miteinander harmonieren zu lassen.
Ein weiterer Klangfaktor sind Verzerrungen im Grenzbereich des Headrooms, wobei bei den alten Röhren-EQs (Pultec etc.) die wohlklingenden ungradzahligen Harmonischen von selbst kamen. Bei der späteren Transistortechnik musste wiederum getüftelt werden, da hier erst einmal gradzahlige, weniger wohlklingende Harmonische zum Vorschein kamen. Aber Leute wie Rupert Neve oder Malcom Toft haben gezeigt, dass auch solche EQs unangefochten gut klingen können, auch in der Sättigung.
Nicht zuletzt spielt natürlich die eigentliche EQ-Kurve eine Rolle beim Klang. Am besten kann man das anhand der beiden klassischen Gegenpole SSL E-Series und Neve veranschaulichen. SSL wird oft als clean, präzise bis hin zu klinisch beschrieben, während Neve-EQs als warm, und wie sollte es anders sein, als „besonders musikalisch“ in die Geschichte eingegangen sind.
Die zwei markantesten Unterschiede sind folgende: Neve Shelving-EQs weisen einen overshoot auf, umso ausgeprägter, je größer der Q-Faktor ist. Als overshoot bezeichnet man einen entgegengesetzten Ausschlag kurz vor der Grenzfrequenz. Der Klang wird dadurch weniger klar aber etwas weicher. Ein SSL-E macht so etwas nicht. Ein weiterer Unterschied ist die Interaktion zwischen Gain und Q bei Glocken-EQs. Beim Neve wird die Güte niedriger, je niedriger das Gain. Beim SSL-E bleibt die Güte gleich, unabhängig vom Gain.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Dank parametrischer Ausführung und somit vorhandenem Q-Regler ist auch der SSL-E in der Lage, bei niedrigem Gain breit zu agieren. Dafür muss man allerdings den Q-Regler bewegen, während man beim Neve durchaus einige Zeit auskommen kann, ohne diesen anzufassen. In der späteren SSL G-Serie wurden übrigens diese beiden Eigenschaften übernommen, sodass man mit SSL E+G (wie bei den Waves oder SSL-Duende Plugins) ziemlich gut abgedeckt ist.
Um sich den Unterschied besser vorstellen zu können, ist bei den Audiofiles ein Badewannen-EQ auf einem Drum-Loop zu finden, einmal mit E und einmal mit G-Kurve bei gleichen Einstellungen. Dank fähiger Entwickler, hoher interner Auflösung, sowie reichlich Computer-Rechenleistung kann man heute auch bei digitalen EQs aus dem vollen schöpfen, und muss keine Angst mehr haben, durch Artefakte das Signal zu verschlimmbessern.
Auch die digitalen Adaptionen mancher Analog-Legenden sind durch die Bank überzeugend geworden, und bei einigen müssen selbst die Erfinder der Originale zugeben, dass sie keinen Unterschied mehr bei Klang und Verhalten feststellen können.
Wenn der Mix nicht klingt, kann man es also nicht mehr aufs Werkzeug schieben. Nächste Folge kommt dann etwas EQ-Praxis, bis dahin: Viel Bass!
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