(Bild: Lars Horstmann)
„Ich bin Henrik Freischlader, spiele Blues und kann keine Noten lesen und auch keine Tabs, und ich kann euch so gesehen auch erst mal nichts beibringen.“
So stellte sich Henrik Freischlader bei seinem Workshop beim Guitar Summit in Mannheim am Sonntag, den 29. Oktober 2019, den überaus zahlreich erschienenen Gitarrenfans vor. Im weiteren Verlauf beantwortete er tiefenentspannt alle an ihn gerichteten Fragen freundlich und mit so einem ausgeprägten Sinn für Humor, dass sich eigentlich niemand wundern kann, warum er als Sideman in Helge Schneiders Band spielt.
Henrik feierte vor Kurzem erst seinen 37. Geburtstag, blickt aber schon auf 17 eigene Alben, unzählige Konzerte und sogar auf eine Tour mit dem US-Gitarren-Superstar Joe Bonamassa zurück. Über seine musikalischen Anfänge erzählt er selbst:
„Dadurch, dass meine Eltern viel Blues und Jazz gehört haben, und ich so ein bisschen auf der Suche war nach irgendetwas, was ich hauptsächlich machen kann, hat sich das angeboten. Und dann hab ich viel selbst gehört und viel geforscht, wen es da so gab, früher und zu meiner Zeit. Das hat mich regelrecht reingesogen, mich und meine Gitarre, und wurde mein Hauptding.“
Allerdings spielte Henrik zunächst einige Jahre Schlagzeug, und erst, als das dann seinen Nachbarn zu laut wurde, stieg er mit 13 Jahren auf die Gitarre um. In dieser Zeit entdeckte er auch die Musik von Gary Moore und über ihn den Blues. Er begann, sich auch mit den diversen Gästen auf Garys Alben intensiv zu beschäftigen. B.B. King, Peter Green, Albert King und Albert Collins wurden seine Lehrmeister, und er lernte von zahlreichen CDs und Platten ein reichhaltiges Vokabular:
„Mich packt die Einfachheit des Blues, die aber doch recht kompliziert auf die Bühne zu bringen ist. Der Groove von gutem Blues, diese Verlässlichkeit, dass nicht ständig was passiert, dass auch mal streckenweise wirklich fast gar nichts passiert, aber dieses „gar nichts“ eine große Aussage hat, sowohl emotional, musikalisch, als auch gegebenenfalls textlich.“
Über seine autodidaktische musikalische Entwicklung erzählt er selbst:
„Ich hab Gitarre spielen eigentlich gar nicht richtig gelernt, sondern hab immer nur rausgehört von den anderen großartigen, legendären Gitarristen, und hab mir da das Beste abgeguckt. Dann habe ich selber so ein bisschen gespielt, rumprobiert und so eine Art Stil entwickelt.“
Henrik spielte noch in seiner Schulzeit zahlreiche Gigs an Wochenenden und schulfreien Tagen. Mit 20 begann der gläubige Christ dann ein Studium der Theologie, aber die Musik setzte sich schnell als Lebensaufgabe durch. 2006 erschien dann die erste eigene Platte mit dem bezeichnenden Titel ‚The Blues‘.
Wer am 28. September auf dem Guitar Summit in Mannheim das Abschlusskonzert des zweiten Tags miterleben durfte, wurde auch mit einer grandiosen Show der Henrik Freischlader Band verwöhnt.
Das Quintett mit Roman Babik (Keyboards), Marco Zügner (Alt-Saxophon), Armin Alic (Bass) und Moritz Meinschäfer (Drums) präsentierte sich als bestens eingespielte Band mit enormer Spielfreude und lebendiger Interaktion. Der Opener-Song ‚Community Immunity‘ groovte von der ersten Sekunde an.
Und weil im bereits erwähnten Workshop Fragen zu dem Song gestellt wurden, und einige Zuhörer mit Bedauern feststellten, dass kaum Tabs von Henriks Musik im Internet zu finden sind, präsentieren wir hier diesen Kracher:
Beispiel 1: Der Song basiert auf einem langsamen Funk-Groove, die Sechzehntel-Off-Beats werden aber mit Swing-Feel gespielt. Das Schlagzeug beschränkt sich auf Achtel-Rhythmik auf der HiHat und Viertel-Rhythmik bei Snare und Bassdrum. Darüber spielt der Rest der Band ein zweitaktiges Riff, das mit einigen Variationen und diversen Pausen (Funk is what you don’t play) Verse und Chorus begleitet.
Die zentralen Melodietöne G#, E, D und B bilden den Akkord E7, werden eingerahmt von Chromatic Approaches, und klingen deshalb überzeugend und harmonisch glasklar.
Daran schließt sich ein Unisono von Gitarre und Alt-Saxophon an, während Keyboards und Bass das Basis-Riff weiterspielen.
Beispiel 2: Wie schon beim Riff in Beispiel 1 ist auch die Melodik des Unisonos in Songteil D akkordbezogen. Takt 7 erinnert an Charlie Parkers BeBop, Takt 8 an Stevie Wonder’s ‚Sir Duke‘. Ab Takt 26 dominiert wieder BeBop!
Henrik beherrscht zwar schnelles Alternate Picking, verwendet aber häufig nur Downstrokes! So spielt er Beispiel 1 so gut wie komplett ohne Wechselschlag. ‚Community Immunity‘ ist der erste Track des neuen Albums ‚Henrik Freischlader Band Live 2019’, das am 18.10. als Doppel-CD und als 3er-Vinyl-Album erschienen ist. Außerdem findet man das Video zum Song auch auf YouTube.
(erschienen in Gitarre & Bass 12/2019)