USA/Mexiko-Hybrid

Guitar Guru: Fender Standard Stratocaster

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Hast du Fragen zum Thema „alte und/oder merkwürdige Gitarren“? Wir beantworten sie auf dieser Seite. Monat für Monat. Diesmal geht es um eine Fender Stratocaster.

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? Hallo, ich habe eine Frage zu meiner Strat. Ich habe diese Gitarre Anfang 1992 neu im Gitarrenladen gekauft (zumindest in meiner verschwommenen Erinnerung). Die Seriennummer deutet wohl auf das Produktionsjahr 1991 hin. Ich war jetzt beim Saitenwechsel neugierig und habe nach knapp 30 Jahren das erste Mal den Hals abgeschraubt und wollte sehen, was dort um Body/Hals steht. Überraschenderweise finde ich eine „SQUIER“ Stempelung mit dem Datum Februar 1982. Habe ich jetzt eine Fernost-Strat mit Ami-Hals ab Werk? Ich wunderte mich auch schon immer, warum auf der Platte der Halsverschraubung kein Fender-Logo ist.

Daniel

!

Die Seriennummer ist abrufbar und datiert auf 1991, made in Corona, USA. Das ist also korrekt. Die dominierende Serie bei den in den USA hergestellten Strats und Teles war damals die „American Standard“. Sie wurde 1987 eingeführt und war lange Zeit DAS Modell, wenn man sich eine US-Strat kaufen wollte. Vergleicht man die Features der American Standard mit deiner, dann gibt es Gemeinsamkeiten, aber auch Abweichungen.

Im Gegensatz zu den zwei modernisierten String Trees der American Standards befindet sich auf deiner Gitarre nur ein einziger im Vintagestyle; das Fender-Logo samt Seriennummer sitzt bei deiner tief am Rand der Kopfplatte, es hat auch eine recht silbrige Farbe im Vergleich zu der auf American Standards. Die American Standards hatten ein Holz-Inlay als Zugang zum Trussrod, während das bei deiner nach Plastik aussieht. Bei einer American Standard müsste auf der Halsplatte das Fender-Logo sein.

Außerdem hatten diese Modelle damals schon ein Klingen-Vibrato auf nur zwei Halteschrauben, bei deiner sind es – Vintage-style – fünf Schrauben. Dagegen sind die Saitenreiter zwar recht modern, aber nicht mattiert wie bei einer American Standard, sondern chromiert. Zudem hat die hintere Abdeckung sechs Löcher für die Saiten, während bei einer American Standard in der Abdeckung immer ein rechteckiges, langes Loch ist. Um was handelt es sich also?

In einem Fender-Katalog aus jener Zeit habe ich ein Modell gefunden, das man nur selten sieht: Die „Standard Stratocaster“, im Unterschied zur „American Standard“. Und diese entspricht genau deiner. Also eine Art Mix aus moderner American Standard und Vintage-style.

Es wird aber noch interessanter – wir haben ja noch nicht geklärt, woher der Squier-Stempel in der Halstasche kommt. 1987 wurde von Fender auf der anderen Seite der Grenze in Ensenada, Mexiko, ein neues Werk gebaut. Japanische Experten von Fujigen, die seit einigen Jahren Squier- und Fender-Gitarren bauten und viel Erfahrung hatten, wurden eingeflogen, um den Mexikanern den Bau von Strats und Teles zu zeigen. Wegen der Nähe zum Fender-Hauptwerk in Coronado kam es bald zu einem regen (und recht wilden) Austausch nicht nur von Aufgaben, sondern auch von Teilen.

1991 wurde als eine der ersten Serien aus Mexiko besagte „Standard“ eingeführt. Zumindest in der Anfangszeit wurden dafür sehr viele Hälse und Bodys weiterhin in Coronado hergestellt, dann über die Grenze gefahren und dort zusammengesetzt. Diese Teile wurden für andere Serien gefertigt, waren also nicht mit der komplett in Coronado gebauten American Standard identisch und etwas billiger – der Korpus war aus Pappel, der Halsstab funktionierte nur in eine Richtung und der Zugang war aus Plastik, die Hardware kam aus Taiwan und so weiter.

Und so kam es, dass da zwar „made in the USA“ draufstand, es sich genau genommen aber um eine Art USA/Mexiko-Hybrid mit günstigeren Bauteilen handelte – man wollte eine „USA“-Strat zu einem günstigeren Preis anbieten. Wie erklärt sich aber der Squier-Stempel? Bei näherer Betrachtung denke ich, dass es sich bei der Jahreszahl um 1992 handelt – die 9 sieht verdächtig so aus wie die vermeintliche 8. Das würde zeitlich passen. Und: In Mexiko wurden auch Squier-Gitarren gebaut, manche sogar mit beiden (!) Logos, also dem großen Fender-Logo und daneben ein kleines „Squier Series“-Logo.

Und so denke ich, dass der Korpus mit Squier gestempelt wurde, da er für die in Mexiko gefertigten Squiers vorgesehen war und man diese Bodys auch für die Standard-Serie verwendete, auf deren Kopfplatte „Made in the USA“ stand. Solltest Du das Teil verkaufen wollen, halte ich zwischen 600-800 € für realisierbar.

Guitar Guru

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2020)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Hallo Guru, toll recherchiert – Respekt! Habe als Bühnengitarre eine American Standard von 92, die mich seit 30 Jahren zuverlässig begleitet und da sind mir bei den Abweichungen die 21 anstelle der 22 Bünde aufgefallen. Lieber Gruß.

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