In den letzten beiden Folgen haben wir die Dur-Dreiklänge auf den Saitengruppen D/G/H- und G/H/E-Saite sowie deren mögliche Umkehrungen und praktische Anwendung anhand einiger musikalischer Beispiele kennengelernt. Im nächsten Schritt beschäftigen wir uns damit, wie wir Dur-Dreiklänge durch die Änderung eines Akkordtons um einen Halbton in Moll-Dreiklänge verwandeln können.
Lautete unsere Grundformel für den Dur-Dreiklang 1, 3, 5, müssen wir für den Moll-Dreiklang die Dur-Terz (= 3) durch die Moll-Terz (= b3) ersetzen.
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Beispiel 1 zeigt die drei möglichen Formen von D-Moll auf der Saitengruppe G/H/E. Wieder starten wir mit der sogenannten Grundstellung (GS), bei der der Grundton unten, die Moll-Terz in der Mitte und die Quint oben ist (1, b3, 5). Für die erste Umkehrung (1. UK) wandert der Grundton eine Oktave nach oben (b3, 5, 1), und für die zweite Umkehrung (2. UK) dann die Moll-Terz eine Oktave nach oben (5, 1, b3). Für die in der vorletzten Folge besprochenen Dur-Dreiklänge auf der D/G/H-Saitengruppe kann man die Verwandlung von Dur-Dreiklängen in Moll-Dreiklänge leicht selbst vornehmen, indem man die Dur-Terz (3) durch die einen Bund tiefer liegende Moll-Terz (b3) ersetzt. Und so lernen wir am praktischen Beispiel, was das sogenannte Tongeschlecht ist.
Da gibt es nur zwei, Dur und Moll, und der hier entscheidende Akkordton ist immer die Terz. Interessant ist die Verknüpfung der beiden Tongeschlechter mit elementaren menschlichen Gefühlslagen: Dur (vom lateinischen „durus“ = „hart“) steht für „fröhlich, gut gelaunt, heiter“.
Moll (vom lateinischen „mollis“ = „weich“) wird mit „traurig, deprimiert, melancholisch“ assoziiert.
Die Dur/Moll-Dichotomie wird allerdings der Farbigkeit und Vielschichtigkeit musikalischer Emotionen nicht wirklich gerecht. Um aber den klanglichen Unterschied der beiden Tongeschlechter plakativ herauszustellen, eignet sie sich durchaus.
Dur und Moll können auch zwei Seiten einer Medaille sein. So besteht A-Natürlich-Moll aus den gleichen Tönen wie die C-Dur-Tonleiter, man spricht hier von parallelen Tonleitern. Einfache Grundregel: Die parallele natürliche Moll-Tonleiter beginnt mit dem sechsten Ton der jeweiligen Durtonleiter.
Beispiel 2 ist mit dem Vorzeichen für F-Dur notiert, mit den folgenden Tönen:
Spielen wir diese Tonleiter beginnend mit dem sechsten Ton, erhalten wir folgendes Resultat:
Und aus den Tönen von D-Natürlich-Moll bilden wir wieder eine Kadenz, die jetzt nur aus Molldreiklängen besteht.
Um mehr Spannung in die reine Moll-Kadenz zu bringen, wird oft der Moll-Dreiklang auf der fünften Stufe durch einen Dur-Dreiklang ersetzt. In unserem Fall verwandeln wir den A-Moll-Dreiklang in einen A-Dur-Dreiklang, indem wir den Prozess aus Beispiel 1 einfach umkehren. Aus C (b3) wird C# (3).
Beispiel 3 zeigt die durch diese Veränderung entstehende Kadenz. Diese Veränderung schlägt sich dann in folgender Tonleiter nieder:
Durch die Erhöhung des siebten Tons verwandeln wir D-Natürlich-Moll in D-Harmonisch Moll.
Und wieder verspreche ich: Die Kadenzen aus Beispiel 2 und 3 zu üben, bis man sie flüssig spielen kann, und sie im besten Fall auch noch in andere Tonarten zu transponieren, ist gut investierte Zeit!
Kommen wir wieder zur musikalischen Praxis: Die in Beispiel 2 vorgestellte Moll-Kadenz verwendete Prince für seinen Song ‚Chelsea Rogers‘ (vom Album ‚Planet Earth‘, 2007). Beispiel 4 zeigt ein zentrales Rhythmus-Gitarren-Riff des Songs, der mit den Generalvorzeichen von Ab-Dur notiert ist. Vom sechsten Ton aus gespielt, erhalten wir F-Natürlich-Moll. Und obwohl der Song in Moll geschrieben ist, passen die mit dem Tongeschlecht assoziierten Gefühlslagen wie „traurig, deprimiert, melancholisch“ hier nicht wirklich.
Dies gilt umso mehr für unzählige, auf Moll-Akkordfolgen basierende Funksongs, die Energie, Lebensfreude und Agilität transportieren. Für die lernen wir eine weitere Moll-Tonleiter kennen. Nehmen wir die Töne von C-Dur und spielen sie beginnend mit dem zweiten Ton, erhalten wir dieses Resultat:
Diese Tonleiter nennt sich D-Dorisch-Moll, und aus ihrem Ton-Vorrat destillieren wir in Beispiel 5 die für Funk-Rhythmus-Gitarre elementare Akkordfolge Dm Dm6 Dm7.
Ausgangspunkt sind unsere drei Akkorde aus Beispiel 1. Und für das ultimative Funk-Klischee wandert die Quint (5) zunächst einen Ganzton nach oben zur großen Sexte (6), und von dort einen weiteren Halbton zur kleinen Septime (b7). Diese Bewegung machen wir dann auch in den Umkehrungen. Grundstellung und 1. Umkehrung sind Allgemeingut, die 2. Umkehrung ist schwieriger zu greifen.
Mit ‚Soul Power‘ schrieb James Brown, „The Godfather of Soul“, den 1971 erschienenen ultimativen Funk-Song, der von Hip-Hop-Musikern unzählige Male gesampelt wurde. Das ikonische Rhythmus-Gitarren-Riff, das das in Beispiel 5 dargestellte Akkord-Klischee benutzt, stammt von Phelps „Catfish“ Collins, der damals mit seinem Bruder, dem Bassisten Bootsy Collins den J.B.’s angehörte, der legendären Band von James Brown. Beispiel 6 zeigt das zeitlos geniale Riff in der Interpretation von Rodney Jones auf Maceo Parkers Album ‚Life On Planet Groove‘ (1992).
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Der Sound einer innerhalb eines Moll-Dreiklangs „wandernden“ Quinte hat sich durch den von Monty Norman geschriebenen und von John Barry arrangierten Titel-Song der James-Bond-Filme tief in die globale musikalische DNA eingebrannt. Dabei bewegt sich die Quint in zwei Halbtönen nach oben, und dann auf dem gleichen Weg wieder zurück zum Ausgangspunkt.
Beispiel 7 zeigt die ikonische Akkordfolge (Dm Dm#5 Dm6) passend zu diesem Beitrag in D-Moll, das Original ist in E-Moll komponiert. Man kann aber auch den Grundton eines Moll-Dreiklangs auf die Reise schicken, ein weit verbreitetes Klischee, das z.B. im Intro des Beatles-Klassikers ‚Michelle‘, geschrieben in F-Moll, zu hören ist.
Beispiel 8 zeigt in D-Moll, wie der Grundton D über C#, C und B in Halbtönen nach unten wandert und so die Akkordfolge Dm Dm/maj7 Dm7 Dm6 erzeugt.
Auch bei den Moll-Dreiklängen kann man also ausgehend von drei leichten Griffen eine Menge Musik machen.
(erschienen in Gitarre & Bass 03/2022)