(Bild: Shutterstock Evannovostro)
Uns Deutschen wird als Kollektiv ja nachgesagt, dass wir meistens auf Eins und Drei klatschen, rhythmisch minderbegabt sind und nicht swingen können. Aber stimmt das wirklich? Oder sind auch in unserer musikalischen DNA Wurzeln zu finden, die eine gewisse Verbindung zum Jazz und Blues, zu Swing und Shuffle haben?
Zuerst einmal hat jede Absolventin und jeder Absolvent eines Tanzkurses den English-Waltz und den Wiener Walzer kennengelernt. Und auch im Bierzelt schunkelt und singt das Publikum oft im ¾-Takt Gassenhauer wie ‚Freut euch des Lebens‘ oder ‚In München steht ein Hofbräuhaus‘. Und die Verwandtschaft vom Walzer und vielen einschlägigen Trinkliedern zu Swing und Shuffle ist größer als viele vermuten.
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Beispiel 1 zeigt zunächst die für einen ¾-Takt benötigten Symbole, Viertelnoten und Viertelpausen, und dann in der Art, die wir schon von den letzten Folgen dieser Kolumne kennen, alle möglichen Kombinationen von Viertel-Noten und -Pausen innerhalb eines ¾-Takts. Tatsächlich gibt es nur sieben Möglichkeiten. Gezählt wird wie in der Tanzstunde mit den Silben 1, 2 und 3.
In Beispiel 2 übertragen wir diese sieben Kombinationen in die Welt der Achteltriolen, behalten aber unsere Zählweise bei. Wenn wir uns die Kombination 4 anschauen, haben wir im ¾-Takt den Rhythmus unserer Trinklieder und bei den Achteltriolen das gängige Pattern sowohl für Swing als auch für harten Rock Shuffle. Die Welt der sogenannten „ternären“ Rhythmik basiert also auf einem Dreier-Raster.
Mit unserer vom ¾-Takt übernommenen Zählweise werden auch rhythmische Hürden wie Vierteltriolen und Halbetriolen plötzlich ziemlich einfach: Für Vierteltriolen (Beispiel 3) bindet man einfach zwei Achteltriolen aneinander, die dann so notiert werden wie im zweiten Takt zu sehen. Der dritte Takt zeigt, wo im achteltriolischen Raster die Vierteltriolen beginnen. Dabei helfen die Kombinationen 4 und 6. Bei Halbetriolen (Beispiel 4) legen wir ja drei gleichlange Noten über vier Viertel. Auch das geht ganz einfach. Wir binden vier triolische Achtel aneinander, die dann so notiert werden wie im zweiten Takt zu sehen.
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Und um den Beginn jeder der drei Halbetriolen im Raster exakt zu verorten, helfen uns die Kombinationen 5, 6 und 7. Unsere Methode, jede Achteltriole wie einen ¾-Takt zu zählen, hilft uns auch bei rhythmisch komplexeren Achtel- und Vierteltriolen (Beispiel 5).
Beispiel 6 zeigt, wie im ternären Achteltriolen-Raster Swing und Shuffle generiert werden. Der zweite Takt zeigt die ternäre Notation, in der Praxis wird aus Bequemlichkeit sehr oft binär, also in geraden Achteln notiert, aber ternär gespielt.
Deep Purple gehört zu den Rock-Bands, die ternäre Rock-Shuffles meisterhaft beherrschen und zum Grooven bringen. Wer genau zuhört, wie z. B. Ritchie Blackmore das Thema von ‚Lazy‘ (vom Album ‚Machine Head‘) phrasiert, weiß, was ich meine.
Beispiel 7 zeigt die Riff-Substanz von ‚Black Night‘. Ganz wichtig ist die Artikulation der Noten. Das Akzentzeichen „>“ besagt, dass die Note mit kräftiger Betonung und klingend bis zum Beginn der nächsten Note gespielt wird. Das Zeichen „•“ (staccato) zeigt an, dass die Note kurz gespielt wird. Und das Zeichen „^“ (marcato) bedeutet, dass eine Note kurz und mit kräftigem Akzent gespielt wird. Im vorletzten Takt des Riffs begegnen wir einer Variante der Vierteltriole mit halbierter Notenlänge. Diese könnte auch in Achteltriolen notiert werden wie am Ende des Beispiels zu sehen.
Das Riff des UFO-Songs ‚Doctor Doctor‘ (Beispiel 8) aus der Feder von Michael Schenker und Phil Mogg zeigt eine wichtige Variante eines Rock Shuffles, bei der die Noten auf den Zählzeiten 1, 2, 3 und 4 staccato, die Noten auf 1+, 2+, 3+ und 4+ aber mit Akzent und klingend bis zur nächsten Note gespielt werden.
Im kurzen Gitarren-Solo des Steely Dan-Hits ‚Reelin’ in the Years‘ in Beispiel 9 finden sich einige unserer Kombinationen aus Beispiel 2 und sogar eine gemischte Triole wie die im ersten Takt auf Zählzeit 4 in Beispiel 5.
(erschienen in Gitarre & Bass 10/2022)