Workshop

Guitar Basics: Dur-Dreiklänge, die Musikgeschichte schreiben

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D-Dur, Grundstellung (Bild: Wolfgang Kehle)

Nachdem wir uns in der letzten Folge mit Dur-Dreiklängen in allen Umkehrungen auf den D/G/H-Saiten und ihren klanglichen Möglichkeiten über dem Basston A (Leersaite) beschäftigt haben, verschieben wir diesmal das Ganze um eine Saite.

Jetzt wird die Leersaite D unser neuer feststehender Basston. Über diesen setzen wir Dur-Dreiklänge wieder in allen Umkehrungen auf den G/H/E-Saiten. Weil die Gitarre nicht durchgehend in Quarten gestimmt ist, sondern zwischen G- und H-Saite eine große Terz (= vier Halbtöne/Bünde) liegt, brauchen wir drei neue Griffe, die auf den Fotos zu sehen sind.

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D-Dur, 1. Umkehrung (Bild: Wolfgang Kehle)
D-Dur, 2. Umkehrung (Bild: Wolfgang Kehle)

Wieder können wir mit nur drei Griffen alle Musik-Beispiele dieses Workshops spielen.

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Beispiel 1 zeigt die drei möglichen Formen von D-Dur. Los geht es mit der sogenannten Grundstellung (GS), bei der der Grundton unten, die Dur-Terz in der Mitte und die Quint oben ist. (1, 3, 5). Für die erste Umkehrung (1. UK) wandert der Grundton eine Oktave nach oben (3, 5, 1), und für die zweite Umkehrung (2. UK) dann die Terz eine Oktave nach oben (5, 1, 3). Mit dem Wissen, wo bei diesen drei Formen jeweils der Grundton liegt, lernen wir quasi automatisch mit, wo auf der G-, H- und E-Saite das D zu finden ist. Wer wirklich neugierig und fleißig ist, kann diese drei Formen auch für die anderen elf möglichen Grundtöne lokalisieren und lernt so auch noch das Griffbrett besser kennen. Eine gute Reihenfolge wäre es, im Quintenzirkel vorzugehen – also:

C   F   Bb   Eb   Ab   Db   Gb   B   E   A   D   G


In Beispiel 2 findet ihr wieder die Dur-Kadenz, dieses Mal in D-Dur. Diese besteht aus der Tonika D auf der I. Stufe, der Subdominante G auf der IV. Stufe und der Dominante A auf der V. Stufe. Es ist nicht verboten, diese Kadenz auch rückwärts zu spielen, und sie kann über das komplette Griffbrett ausgedehnt werden. Und auch hier bringt die Transposition in den Quintenzirkel viel. Man kann also mit den im Foto gezeigten drei Griffen echt eine Menge anfangen.


Wie in der letzten Folge beginnen wir in Beispiel 3 mit der zweiten Umkehrung von D-Dur, die nichts anderes ist als der bekannte Lagerfeuerakkord D. Den spielen Gitarreneinsteiger gerne, weil er recht einfach zu greifen ist. Und diesen Griff schieben wir kontinuierlich immer einen Bund nach oben vom D bis zum C# am 13. Bund. Zusammen mit der Leersaite D gespielt, ergeben sich so 12 verschiedene Dur-Akkorde. Jeder dieser Akkorde hat seinen ganz eigenen Reiz. Man kann die Akkorde einfach strummen, aber auch mit Pick oder Fingerpicking-Zerlegungen spielen. Ausprobieren kostet nichts, und auf diese Art sind schon viele großartige Songs entstanden. Einige davon stelle ich im Folgenden vor. ‚Give A Little Bit‘ ist ein Megahit der englischen Progressive-Rock-Band Supertramp, er stammt vom 1977er-Album ‚Even In The Quietest Moments …‘Beispiel 4 zeigt das Outro, das in den ersten beiden Takten aus den Akkorden der D-Dur-Kadenz über dem konstanten Basston D (auch Pedalton genannt) besteht.

Die Akkordfolge C/D, G/D und D aus Takt 3/4 kennen wir aus Songs wie ‚All Right Now‘ von Free (in A-Dur)‚ ‚You Ain’t Seen Nothing Yet‘ von Bachman Turner Overdrive (in A-Dur)‚ oder ‚5:15‘ von The Who (in G-Dur)‚ allerdings immer ohne Pedalton.


Beispiel 5 zeigt das wunderschöne Intro von ‚Wishing You Were Here‘, einer Ballade von Chicago, zu finden auf dem 1974er-Album ‚Chicago 7‘. Den Song schrieb der Chicago-Lead-Sänger Peter Cetera. Hier fallen die Dreiklänge beginnend mit F chromatisch bis zum D, allerdings wird statt des zu erwartenden D-Dur-Akkords D5add9 gespielt. Ein wenig tricky bei F/D ist die zweimal eingestreute Leersaite G, für die man aber nur den ersten Finger, der das C am 5. Bund greift, anheben muss.

Pete Townsend, Mastermind, Gitarrist und Songwriter von The Who, experimentierte gerne mit Gitarren-Akkorden, die nach den hier vorgestellten Prinzipien funktionieren. Für seinen am 4. März 1966 in England erschienenen Hit ‚Substitute‘ schrieb er das markante Intro-Riff, bestehend aus D, A/D und G/D, also den Akkorden der Dur-Kadenz in D-Dur (Beispiel 6).

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Harmonisch farbiger ist Pete Townsends Akkordfolge zu ‚I’ve Had Enough‘, einem Song des epochalen Meisterwerks ‚Quadrophenia‘ (Beispiel 7). Warum funktioniert diese Akkordfolge in der Theorie? Darüber hat sich Townsend sicher nie Gedanken gemacht. Er hat einfach experimentiert und schließlich ausgewählt, was ihm gefallen hat.

Wie man ausgehend von Dur-Dreiklängen coole Riffs entwickeln kann, zeigt ‚Blowin’ Free‘, einer der größten Hits der englischen Twin-Lead-Guitar-Legende Wishbone Ash. Beispiel 8 zeigt das Riff aus dem Intro des Songs vom Album ‚Argus‘ (1972), in dem die Zusatztöne zu den Dur-Dreiklängen auf der hohen E-Saite mit dem kleinen Finger gegriffen werden. Etwas tricky ist der letzte Takt, bei dem nach der Leersaite G der Zeigefinger, später nach der Leersaite E der Mittelfinger, ein Hammer On ausführt.


(erschienen in Gitarre & Bass 02/2022)

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