Da dieses Jahr die erste (US) Tour meiner Band Nightmarer ansteht, möchte ich euch an dieser Stelle einen detaillierten Einblick in mein Live Rig geben. Ich habe im letzten Jahr viele Tage und Stunden damit verbracht, eben dieses minutiös durchzuplanen.
Als in den USA lebender Deutscher, der in der Vergangenheit viel durch Europa getourt ist, wollte ich mir natürlich ein Rig zusammenstellen, das nicht nur reisefest sondern auch möglichst reisefreundlich sowie international einsetzbar ist. Denn natürlich will ich auch in Zukunft Europa wieder betouren.
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Da mit all diesen Anforderungen auch einige Komplikationen verbunden sind, bin ich mir sicher, dass meine Reise zum für mich perfekten Live Rig auch für euch einige lehrreiche Informationen bereithält!
wer die wahl hat…
Falls ihr ein ebenso großer Fan von YouTube-Rig-Rundowns seid wie ich, dann wisst ihr ja, wie unsagbar viele Wege es gibt, ein Live Rig aufzubauen. Vom klassischen Vollröhren-Stack über ultra kompakte Modeling-Rigs bis hin zu verschiedenen Hybrid-Lösungen – the sky is the limit! Manch eine Band hat ein Bühnen-Setup, das der Brücke der Enterprise Konkurrenz macht, andere bevorzugen simple Plug-&-Play-Lösungen für den maximalen Rock’n’Roll-Faktor. All das hängt am Ende des Tages in erster Line vom Geldbeutel und den persönlichen Präferenzen ab, oder eben von dem Equipment, das ihr bereits im Proberaum oder zu Hause stehen habt.
Auch wenn ich einen wirklich tollen Röhren-Amp im Studio stehen habe, war ich von Anfang an davon überzeugt, ein Kemper-basiertes Live Rig zusammenzustellen. In den 8 Jahren in denen ich mit meiner alten Band War from a Harlots Mouth (WFAHM) durch die Weltgeschichte getourt bin, haben sich Modeling-Setups für mich immer als besonders effizient und zuverlässig erwiesen.
Besonders tiefe Tunings profitieren meiner Erfahrung nach von der digitalen Technologie und nach diversen Line6-Produkten bin ich am Ende auch mit WFAHM beim Kemper gelandet. Mit diesem hatte ich mir 2013 ein wahres Traum-Rig zusammengestellt: Es bestand aus einem Samson Power Conditioner, dem ausgezeichneten Line6 G90 Wireless System, einem unpowered Kemper und einer Engl 840/50 Röhren-Endstufe.
Das Ganze war mitsamt einer großzügigen Rack-Schublade in einem 12HE-Rollrack untergebracht und klang einfach phänomenal. Ihr könnt euch denken, dass es mir nicht leicht fiel, quasi alles bis auf den Kemper zu verkaufen, als ich dann 2015 in die USA ausgewandert bin. Und falls ihr euch fragt, warum das überhaupt nötig war, bedenkt, dass – abgesehen vom Kemper und dem Line6 Wireless – keines der anderen Elemente in meinem Rack die US-Stromspannung von 120V unterstütze.
Da es nicht ausgeschlossen ist, dass ich in Zukunft wieder zurück nach Deutschland ziehe und mit Nightmarer auch gerne vorher schon in Europa touren möchte, war klar, dass mein neues Live Rig die amerikanische und europäische Stromspannung gleichermaßen unterstützen muss. Und mit dem Line6 G90 Wireless System sowie dem Kemper Profiler war somit die Grundlage für mein neues Rig erst mal gesetzt.
carry-on?
Mit dem Kemper bin ich einige Male zwischen Deutschland und den USA gependelt. In einem entsprechend kompakten 3HE Soft Rack konnte ich das gute Stück sogar als Handgepäck mit in den Flieger nehmen. Allerdings reizte das Case die Maximal-Maße für Handgepäckstücke aus. Da ich mindestens mein Wireless System mit in das neue Live Rig aufnehmen wollte, war eine Handgepäck-Lösung also leider schon von vorn herein ausgeschlossen. Die Tatsache, dass das Rig also als Gepäckstück eingecheckt werden muss, machte mir Sorgen. Ich hatte auf vergangenen Flügen schon mehrfach Probleme mit leicht beschädigten Gitarren gehabt. Glücklicherweise ist nie etwas wirklich zu Bruch gegangen, aber es reicht, um zu wissen, dass auch als zerbrechlich markierte Gepäckstücke nicht mit Samthandschuhen angefasst werden. Also musste mein neues Rig auch wirklich sicher sein.
Da aber auch die Mobilität nicht auf der Strecke bleiben sollte, fing ich an, nach einem Rack Trolley, also quasi einem Rollkoffer, zu suchen, der das teure Innenleben sicher gegen Stöße schützen sollte. Fündig wurde ich bei SKB, die mit dem iSeries Fly Rack eine sehr robuste Lösung anbieten. Dabei handelt es sich präzise gesagt um ein mit Schaumstoff ausgekleidetes Case, in dem man ein (in meinem Fall ein 6HE) Rack versenken kann. Dazu hat das Ganze einen sehr robusten, ausziehbaren Griff und leichtgängige Rollen. Mir wären 5 HE lieber gewesen als 6, aber aus irgendeinem Grund gibt es nur 2, 3, 4 und 6HE. Damit ist die größte Ausführung des Fly Racks ein ganz schön mächtiger Brummer – immerhin kommt das gute Stück auf 65x50x40cm Außenmaße. Dafür ist das Innenleben aber wirklich gut geschützt – es ist sogar wasserdicht!
top to bottom
Ein absolutes Muss in all meinen Rigs ist ein vernünftiger Power Conditioner. Ich habe bereits einen Furman in meinem Studio Rig – dieser hat allerdings klassische Glühlampen anstelle von LED Racklights – und das kam mir für den Tour-Alltag nicht ideal vor. Also habe ich mich für den Furman PL-8C entschieden, um mein Equipment vor Spannungsspitzen zu schützen und Brummschleifen zwischen den einzelnen Geräten zu vermeiden.
Mein Line6 G90 Wireless konnte ich dank der flexiblen Spannung von 120-240V glücklicherweise aus dem alten Rig übernehmen und aus Deutschland mitbringen. Ich war lange kein Fan von Wireless Systemen, da es bei den meisten Geräten in meinem Budget-Rahmen einfach zu frappierende Soundeinbußen gab. Als ich das Relay G90 zum ersten Mal ausprobiert habe, konnte ich so gut wie keinerlei Unterschiede zum Sound mit Kabel feststellen. Wenn überhaupt, hat das Signal einen leichten Höhenboost, der bei meinem Tuning auf keinen Fall ein Nachteil ist. Das G90 hat sogar einen Kabel-Sound Simulator. Ich bin rundum zufrieden mit dem G90 und bin mir sicher, dass es mir auch weiterhin treue Dienste leisten wird.
Weiter geht es natürlich mit dem Kemper. Mit dem habe ich nicht nur alle Nightmarer-Releases aufgenommen, sondern auch, wie erwähnt, schon Live-Erfahrung sammeln können. Ich bevorzuge den Kemper gegenüber einem traditionellen Röhren-Amp vor allem deswegen, weil der Sound wirklich ultra konsistent, also immer gleich, ist – und darüber hinaus bietet der Kemper die enorm praktische Option, das Signal auf verschiedenen Wegen auszugeben.
Zum einen schicke ich ein Signal mit Speaker Simulation direkt ans Mischpult. Aber ich möchte auf flatternde Hosenbeine auf der Bühne auch nicht verzichten – Endstufe und Box sind für mich daher nach wie vor ein Muss. Statt einer Röhren-Endstufe musste es dieses Mal aber mit einer Transistor-Variante getan sein – zum einen aufgrund des Gewichts und zum anderen, weil es Röhren-Endstufen nur entweder mit 120V oder 240V gibt. Entschieden habe ich mich für die Matrix GT1000FX – diese hat einen Wahlschalter um zwischen beiden Spannungen umzuschalten.
Leider muss man das Gehäuse aufschrauben, um auf diesen zugreifen zu können, aber er ist da und somit ist das Live Rig uneingeschränkt reisefähig, auch dank des Gewichts von gerade einmal gut 2 Kilo. Und die Matrix macht ihren Job durchaus gut, zumindest wenn man die Lautstärkeregler über 12 Uhr hinaus aufdreht.
(Bild: Hawemann)
fazit
Alles in allem bringt mein Live Rig ca. 30 kg auf die Waage. Das ist nicht wahnsinnig leicht, aber ein solides Röhren-Top allein bringt es auch schon auf gut 20 Kilo. Für rund 10 Kilo mehr habe ich ein komplettes Rig in einem unverwüstlichen Rollkoffer. In dem Soundclip dieser Folge hört ihr mein Kemper-Live-Profil, das auf einem Omega Iridium basiert – dem Amp, den ich selbst im Studio stehen habe. Somit habe ich meinen bevorzugten Röhren-Sound auch fürs Live Rig konservieren können. Im Mai/Juni diesen Jahres wird sich das Rig dann bewähren müssen…
Als nächstes gibt es aber erst mal einen Highlight-Bericht von der NAMM 2019!
Wäre es nicht einfacher gewesen, einen Kemper mit Endstufe zu nehmen ? Dann könnte man auf die externe Transistor Endstufe Matrix GT 1000 verzichten.