Fast immer erzeugte der Linkshänder Jimi Hendrix sein Gitarrensignal mit einem Rechtshänder-Serienmodell der Fender Stratocaster. Die Pickups (2,2 H; 5,7 kOhm; staggered Alnico-5-Magnete) waren nicht besonders nahe an die Saiten geschraubt, die Strings waren Fender Rock & Roll Light Gauge 010 auf 038.
Jimi benutzte gegen Ende seiner Karriere vornehmlich drei Effektgeräte. Das Signal durchlief zuerst das Cry Baby WahWah Pedal, dann das Fuzz Face von Dallas Arbiter und schließlich das Univibe von Univox, das Jimi sogleich nach dessen Markteinführung beim Woodstock- Festival 1969 benutzte.
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Fuzz Face
Das Ende 1966 erschienene Fuzz Face war eigentlich ein ganz gewöhnlicher DC-gekoppelter, zweistufiger Germanium-Transistorverstärker. Dieser war auch in der damaligen Fach- und Amateur-Literatur hinreichend beschrieben und somit allgemein bekannt. Das Schaltungskonzept war minimalistisch primitiv (Abb.1), was aber, wie oft in diesem Business, vorerst mal nichts weiter bedeutete. Seine Eingangskapazität war mit 2,2 μF sehr breitbandig dimensioniert. Das FF ist also technisch betrachtet ein High-Gain-Full- Range-Verstärker mit Übersteuerung, allerdings mit einem Low-Level-Output. Sein einstellbarer Ausgangspegel (max. 400 mVss) konnte die nachfolgende Gerätestufe, egal ob die Eingangstriode eines Röhren-Amps oder ein weiteres Effektgerät, nicht übersteuern. Der zweite Einsteller am Gerät hörte auf den Namen „Fuzz“ und beeinflusste schlicht die (frequenzneutrale) Gegenkopplung des Schaltkreises. Dieses stufenlose Ausblenden der Gegenkopplung via Potentiometer im Emitterkreis des Ausgangstransistors T2 war dann auch das Neue an dieser doch allgemein bekannten Schaltung. Damit ließ sich die (gewollte) Verzerrung des FF einstellen.
Das Gerät war mit einem echten True Bypass Fußschalter ausgestattet. Der Eingangswiderstand, wichtig für die Höhenbedämpfung des Gitarren-Pickups, beträgt bei maximaler Fuzz-Einstellung etwa 10 kOhm und wird bei zurückgedrehtem Fuzz gar noch kleiner (min. 500 Ohm). Dieses kleinen Eingangswiderstandes wegen kann es in Verbindung mit dem (eventuell dann zu kleinen) Auskoppelkondensator eines vorgeschalteten Effektgerätes zu einem Bassverlust kommen. Bei ganz zugedrehtem Fuzz-Einsteller verstärkt das FF-Gerät bei vorgeschalteter Stratocaster (Volume in Maximalstellung) deren Signal um den Faktor 4 (mit Tiefpass charakter, fg = 500 Hz, von der PU-Induktivität herrührend). Beim Zurückdrehen des Strat-Volume-Einstellers (Induktivität ist dann abgekoppelt) verschwindet dieser Tiefpasscharakter und das Signal erscheint wieder gewohnt mit leichter Resonanzüberhöhung. Je weiter der Fuzz-Einsteller aufgedreht wird, desto mehr verstärkt das FF und clippt das Signal alsbald asymmetrisch, aber weniger abrupt und etwas weicher als bei den späteren Silizium-Versionen.
Der Emitter des PNP-Eingangstransistors T1, ein AC128, liegt direkt an Masse und verfügt damit über keine eigene Stromserien- Gegenkopplung. Somit werden seine Exemplar-Streuungen auch nicht kompensiert und die nun leider großen Fertigungstoleranzen inklusive der Sperrströme gehen in die statischen wie dynamischen Schaltungseigenschaften mit ein – deshalb klingen die Fuzz Faces auch alle etwas unterschiedlich. Die variable Spannungsgegenkopplung sowie seinen Arbeitspunkt erhält der T1 über den 100- kOhm-Widerstand auf seine Basis. Durch die sehr niedrige Kollektorspannung des Eingangs-Transistors T1 wird das Signal, vor allem bei höher eingestelltem Fuzz, sehr früh asymmetrisch geclippt (negative Spitzen) und durch den galvanisch angekoppelten Ausgangstransistor T2 weiter verstärkt. Bei größerer Aussteuerung clippt auch T2, zunächst jedoch nur die positiven Spitzen – dabei symmetriert das Signal sich wieder. Der Grad der Symmetrierung bestimmt auch direkt den Klang (Oberwellen-Spektralverteilung). Durch den Spannungsteiler im Kollektorkreis von T2 (470 Ohm + 8,2 kOhm) ergibt sich ein um den Faktor 18 (= 25 dB) abgeschwächtes Level. Das so geschaffene Low-Level lässt sich final noch über das 500-kOhm-Ausgangs-Volumepoti bis zu Null runterdrehen. Allerdings produziert dieses hochohmige Volume-Poti bei seiner elektrischen Mittelstellung einen Innen- R von 125 kOhm und filtert dadurch in Verbindung mit der nachfolgenden Kabelkapazität die Höhen mit 6 dB/Okt.- Flanken-steilheit weg. Diese Filterung war sicher unbeabsichtigt, gestaltet aber das interessante Klangbild weniger kantig.
Der typische Hendrix-Ton, von des Meisters eigenen Fähigkeiten einmal abgesehen, entsteht durch die z. T. recht hoch eingestellten Fuzz & Volume Einsteller sowie der häufig britischen Marshall-Einstellung (alles auf 10). Der zum Teil doch immer noch etwas hart erscheinende Fuzz-Ton wird durch die übersteuerte Marshall-Endstufe sowie die Filterwirkung der Celestion-Speaker in den Boxen wieder entschärft.
Roger Mayer modifizierte für Hendrix das FF in einfacher Weise, indem er alle Widerstandswerte des Kollektor- und Emitterkreises des Ausgangstransistors T2 verdoppelte und damit mittelbar die Verstärkung des T1 etwas anhob. In Abb. 2 sind diese geänderten Werte mit einem Stern versehen.
Der FF-Schaltkreis diente auch anderen Herstellern als Vorlage, um ähnlich (gut) klingende Fuzz-Geräte am Markt zu platzieren. Häufig wurde die Eingangskapazität verkleinert, um den Bass sauberer zu gestalten wie z. B. beim exzellent klingenden Vox Tone Bender, mit Cin = 0,22μF; Neil Young benutzt diesen Germanium-Verzerrer, vor seinen alten Tweed Deluxe geschaltet, für seine Feedback-Orgien (auch der Vox wurde später, genauso wie das Fuzz Face, mit Silizium bestückt). Eric Johnson bevorzugt als Ausgangs-Volume-Poti denWert 100 kOhm; der Ton erscheint dadurch schlanker und strahlender.
Der Transistor
Der PNP Germaniumtransistor AC128 ist heute noch für etwa € 3 erhältlich. Fertigungstechnisch bedingt hat die gesamte AC1xx-Serie einen doch recht großen Toleranzbereich, geschuldet der antiken Legierungs- Fertigungstechnik der späten 1950er-Jahre – das war die Gründerzeit! Ein großer akustischer Vorteil des AC128 ist jedoch hier die atemberaubende niedrige Grenzfrequenz der Beta-Strom-Verstärkung von etwas über 10 kHz – das lässt den verzerrten Sound ohne zusätzliche Filterung milder erscheinen. Es empfiehlt sich für den Nachbau oder eine Reparatur, mehrere Transistoren des gleichen Typs einzukaufen und den AC128 auf eine Stromverstärkung hfe von 80 bis 130 zu selektieren. Oft bieten die üblichen Webshops auch gleich vorselektierte AC128 an, ein feiner Service. Anstelle des regulären Transistors AC128 lohnt das Experimentieren mit dem AC122 oder dem AC125 und anderen. Achtung – auch in diesem Schaltkreis bildet der Batterie-Pluspol Masse.
Verschlimmbessert
Ab Ende der 1960er-Jahre wurden dann allgemein die preiswert gewordenen und vermeintlich (aus technischer Sicht) besseren Silizium-Transistoren verwendet. Aber technisch besser & fortschrittlicher in der Fertigungs-Technologie (z. B. Epitaxial-Planar beim BC108) ist nicht zwangsläufig gleichbedeutend mit akustisch besser, wie wir im Laufe meiner Kolumnen schon häufiger erfahren haben und auch noch werden. Der Ton macht eben die Musik und nicht die Datenblätter! Der Silizium FF klingt dann auch recht hart und schrill. Es mussten viele Jahrzehnte verstreichen, bevor es auf dem Markt wieder regulär das Germanium Fuzz Face serienmäßig gab – gut so! Germanium ist eben nicht tot zu kriegen!
Um die Frage, die sich in meinem Bekanntenkreis gestellt hat – wieso eine Erhöhung der Emitter- & Kollektorwerte des T2 zu einer Verstärkungserhöhung führt, zu beantworten. Werden beide Werte verdoppelt – wie hier, verschiebt sich zunächst einmal der Arbeitspunkt nicht – gut so. Der Stromfluss durch den T2 halbiert sich aber. Der Stromverstärkungsfaktor hfe ist hier als konstant anzusehen, also halbiert sich auch der Basisstrom desT2. Daraus folgt, dass der Basis Eingangs-R sich verdoppelt hat. Diesen Eingangs-R sieht aber der Vorstufen Transistor T1 als Last und mit steigender Last steigt auch seine Verstärkung. Wir sehen, eine sinnvolle Stromverminderung im Ausgangskreis des T2 erhöht die Gesamtverstärkung des Arrangements.
Um die Frage, die sich in meinem Bekanntenkreis gestellt hat – wieso eine Erhöhung der Emitter- & Kollektorwerte des T2 zu einer Verstärkungserhöhung führt, zu beantworten. Werden beide Werte verdoppelt – wie hier, verschiebt sich zunächst einmal der Arbeitspunkt nicht – gut so. Der Stromfluss durch den T2 halbiert sich aber. Der Stromverstärkungsfaktor hfe ist hier als konstant anzusehen, also halbiert sich auch der Basisstrom desT2. Daraus folgt, dass der Basis Eingangs-R sich verdoppelt hat. Diesen Eingangs-R sieht aber der Vorstufen Transistor T1 als Last und mit steigender Last steigt auch seine Verstärkung. Wir sehen, eine sinnvolle Stromverminderung im Ausgangskreis des T2 erhöht die Gesamtverstärkung des Arrangements.
viele Grüße
Bernd