Singer-Songwriter-Workshop: Teil 2 – Songwriter des 21. Jahrhunderts
von Andreas Schulz,
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Nachdem die erste Folge dieser Reihe einen Ausflug in die 60er-Jahre unternommen hat, begegnen uns heute drei Helden der jungen Singer-Songwriter-Generation. Die Songwriter der Jetztzeit berufen sich musikalisch häufig auf die alte Generation. Auffallend ist, dass aktuell erfolgreicher Songwriter-Pop in seinen Texten kaum Politik oder Sozialgeschehen thematisiert. Vielmehr herrscht eine Wohlfühl-Stimmung vor, es geht um Persönliches und Beziehungsfragen. Wenn es mal problematisch wird, dann bestimmen individuelle Probleme die Agenda – das große Ganze und globale Themen bleiben mehrheitlich außen vor.
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ed sheeran
Ed Sheeran (*1991) ist einer der Senkrechtstarter der letzten Jahre. 2005 veröffentlichte er erste eigene Songs, sein offizielles Debüt-Album erschien 2011 und landete sofort in den Charts. Danach ging es kometenhaft nach oben, er ist heute nach drei Studioalben (+/x/÷) einer der bekanntesten Musiker der Welt.
Ed Sheeran ist ein guter Gitarrist, in seinen Songbegleitungen fällt vor allem die souveräne Rhythmik auf. Viele seiner Tunes starten mit einfachen Patterns und bauen sich in der Spieldichte wirkungsvoll auf. Schauen wir uns z.B. einmal den Track ‚Photograph‘ an, einen gitarrenfreundlichen 4-Akkorde-Song in E-Dur, zu finden auf dem Album ‚X‘.
Die meisten Lieder mit vier Akkorden einer Tonart benutzen die Stufenakkorde I, IV, V und VIm. In E-Dur sind das: E, A, B und C# m. In Sheerans Song kommt dieses Vierergespann in den verschiedenen Songteilen in immer neuer Reihenfolge vor. Er startet mit einfachen dreistimmigen Powerchords (Symbol: 5), die er nach und nach zu sechsstimmigen Voicings mit Hilfe der Leersaiten H und E ausbaut. Dadurch entstehen Akkorde wie C# m7, Aadd9 und Badd11.
Das rhythmische Pattern mit den abgedämpft (palm mute) zu spielenden Powerchords findet ihr in Beispiel 1.
(Die Noten/Tabs können durch Anklicken vergrößert werden!)
Der Spannungsbogen des Songs steigert sich, in Beispiel 2 seht ihr die mittlere Stufe. Dabei werden die Basstöne immer noch leicht mit dem Handballen abgedämpft, die Akkordanschläge klingen aber offen und lang. Später im Refrain wäre dann Strumming in der 16tel-Ebene mit diesen Akkorden angesagt.
james bay
Der englische Musiker James Bay (*1990) veröffentlichte seine erste EP 2013. Danach stieg sein Bekanntheitsgrad beständig, der Song ‚Hold Back The River‘ erreichte Platz 2 der britischen Charts. Im März 2015 erschien sein erstes reguläres Studioalbum ‚Chaos and the Calm‘, das promt auf Platz 1 der UK-Hitliste einstieg.
Einer von Bays Hits ist der Track ‚Let It Go‘. Die Begleitung dazu ist interessant und löst sich von gängigen Mustern. Bay hat das auf einer alten Epiphone-Semiakustik eingespielt, die einen Ganzton tiefer gestimmt war (D-G-C-F-A-D) – natürlich lässt sich das auch im ganz normalen Standard-Tuning spielen. Wir sind in der für Songwriter-Tunes eher untypischen Tonart Eb-Dur. Die leere G-Saite wird bei jedem Akkord eingesetzt und mit dem Zeigefinger angezupft. Zu einer Begleitung wie bei Bays Hit kommt man, wenn man die Akkorde der Tonart Eb als Dezimengriffe greift, jeweils ergänzt um die leere G-Saite.
Ausnahme: In Beispiel 3 sind die Akkorde Cm und Bb 6 nicht als Dezimen- sondern als Quintgriffe ausgelegt. Hier liegt dann der Grundton auf der tiefen E-Saite, ansonsten werden die Dezimen auf den Saiten A und H platziert. An das ständige Wechselspiel von Mittel- und Zeigefinger der Anschlaghand muss man sich auch erst einmal gewöhnen; der Bass (also der Daumen) spielt derweil die Grundtöne, wobei jeder zweite Takt um eine Achtel auf Zählzeit 4 vorgezogen ist.
Im Refrain (Beispiel 4) kommen dann fünf Akkorde aus Eb-Dur vor: Abmaj7, Eb, Cm, Bb 6 und Fm7 – in Klangfarben, die so nur auf der Gitarre und nur mit der beschriebenen Einbindung der leeren G-Saite Sinn ergeben.
tina dico
Die dänische Sängerin Tina Dico (*1977) wurde in Deutschland im Jahr 2009 durch ihren Fernseh-Auftritt bei ‚Inas Nacht‘ bekannt. Hier performte sie den Song ‚Count To Ten‘, der auf einem interessanten Picking-Pattern mit Hammer-Ons basiert. Dieses hypnotisch treibende Muster wird nur mit Daumen und Zeigefinger angezupft, die Reihenfolge der Finger ist: p-pi-p-H-p-i (siehe Beispiel 5). Dabei gilt: p steht für Daumen, i für Zeigefinger, H für Hammering.
Der Titel basiert auf drei Akkorden, die sich in Dicos Spielweise nur durch den Grundton unterscheiden. Wichtig ist hier der angegebene Fingersatz – nur so klingt das ausreichend flüssig. Im Original wird ein Capo im 2. Bund benutzt, die Tonart ist dann B-Moll.
Stay tuned: In der nächsten Folge schauen wir uns gemeinsam an, welches Equipment das Leben des Gitarre-spielenden Sängers einfacher macht.