Oft entstehen die größten Projekte aus den spontansten Ideen. So auch bei meinem mittlerweile recht opulenten ERG-Pickup-Vergleich, den ich vor ca. fünf Jahren mit meinem guten Freund und Extended-Range-Gitarristen Nils Augustin aus reinem Selbstinteresse gestartet habe.
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Angefangen mit nicht mehr als einer Hand voll Tonabnehmern aus unseren eigenen Gitarren, umfasst die Playlist heute 45 verschiedene Humbucker. Von aktiv bis passiv, von Massenware bis Boutique, ja gar bis hin zu Prototypen findet man in meinem Vergleich so ziemlich alles, wonach das Extended-Range-Herz begehrt.
Wieso, weshalb, warum?
Früher begnügte ich mich bei jeder neuen Gitarre immer mit den Tonabnehmern, die ab Werk verbaut waren. Ich hatte mich mit dem Thema einfach noch nicht auseinandergesetzt, wunderte mich aber schon, warum selbst meine durchaus erstklassigen Ibanez-Prestige-Klampfen nicht so gut klangen, wie es der Preis und die Holzauswahl versprachen.
Meine einzige Referenz war zu dem Zeitpunkt eine deutlich günstigere LTD Viper 400, die mit ihrem EMG 81 zumindest in Sachen Metal-Sounds meine ansonsten spürbar hochwertigeren Ibanez Prestiges locker in den Schatten stellte. Doch all das sollte sich bald ändern!
Vor einer Tour im Herbst 2010 bestellte ich mir eine ziemlich günstige Ibanez Sechssaiter, die ab Werk mit einem DiMarzio D Activator bestückt war. Und die Gitarre öffnete mir direkt Augen und Ohren! Dank ihres deutlich aggressiveren Sounds, wurde sie im Handumdrehen zu meiner Nummer-1-Livegitarre.
Und das obwohl sie weniger als die Hälfte meiner Prestiges kostete. Meine Schlussfolgerung: Der DiMarzio D Activator musste die Lösung all meiner Soundprobleme sein.
Also ließ ich ihn umgehend auch in meine anderen Gitarren verbauen – von 6 bis 8 Saiten. Und damit war ich auch sehr lange happy. Selbst der EMG 81 in meiner LTD Viper konnte gegen den D-Activator – für meinen Geschmack – nicht mehr überzeugen, also war ich erst mal versorgt.
Doch diese Erfahrung brach einen Stein ins Rollen: Mein Interesse an Tonabnehmern war geweckt!
Also kontaktierte ich meinen Kumpel Nils, von dem ich wusste, dass er nicht nur dieses Interesse mit mir teilte, sondern auch deutlich fähiger im Löten war als ich. Wir machten also Pläne für den Start eines Pickup-Vergleichs und legten los.
Die Idee war simpel: Wir wollten möglichst viele Steg-Humbucker in entweder derselben Gitarre oder wenigstens überwiegend baugleichen Gitarren vergleichen, um ein möglich verlässliches Ergebnis zu erzielen. Bis auf ein paar Ausnahmen ist das auch der Fall.
Der Großteil der 7-String Pickups ist in einer RG2077XL getestet worden. Aktuell hat meine RG7421XL den Part als Pickup-Vergleich-Gitarre übernommen, aber beide Instrumente klingen dank der gleichen Holz-Auswahl quasi identisch.
Alle aktiven Tonabnehmer wurden in einer Ibanez DCM100 getestet und der Großteil der 8-String Humbucker sind in meiner Ibanez RG2228A getestet worden.
Es gibt ein paar wenige Ausnahmen in denen wir Tonabnehmer nur in den Gitarren testen konnten, in denen sie auch verbaut waren. Aber ich denke auch diese Clips geben euch einen guten Eindruck.
Das Test-Rig
Der Einfachheit und Konsistenz wegen haben wir uns für den Kemper als Amp entschieden.
Genauer gesagt handelt es sich um ein EVH-5150-III-Profil, das vom renommierten, deutschen Metal-Engineer und Producer Lasse Lammert für sein Rig Pack angefertigt wurde.
Alle Clips wurden innerhalb eines Logic Pro X Projektes in der gleichen Lautstärke aufgenommen – auch hier herrscht also Konsistenz.
Es gibt einige Variablen beim Abstand der Pickups zu den Saiten, da wir uns in der Regel für einen „Sweet Spot“ entschieden haben, statt immer den gleichen Abstand zu benutzen.
Der Grund dafür ist, dass wir die jeweiligen Tonabnehmer in ihrer unserer Meinung nach besten Form aufnehmen wollten – und in Sachen Saitenabstand variiert das von Tonabnehmer zu Tonabnehmer schon spürbar.
Ich erläutere das alles so im Detail, weil ich betonen möchte, dass es sich nicht um einen perfekt wissenschaftlichen Vergleich handelt.
Unsere Intention war es, vor allem das eigene Interesse zu befriedigen. Anderen Leuten bei ihren Tonabnehmer-Kaufentscheidungen zu helfen, stand dabei für uns zunächst weniger im Fokus, aber über die Jahre wurde dieser Aspekt mit der stetig wachsenden Anzahl von getesteten Humbuckern natürlich immer stärker.
Besonders kleine Boutique-Pickup-Schmieden haben mich regelmäßig kontaktiert und mir verschiedene Tonabnehmer zum Testen geschickt. Andere haben wir wiederum von Freunden geliehen oder selbst gekauft.
Im Grunde genommen wird nach wie vor alles getestet, was ich zwischen die Finger kriege. Leider, dank ca. 5000 Meilen Luftlinie zwischen uns, seit 2015 ohne Nils.
Ich habe kürzlich den Sound des Vergleichs nochmal überarbeitet, um das Ganze für diesen Artikel im Vergleich zu meinen ursprünglichen SoundCloud-Clips etwas aufzuhübschen.
Neben neuen Drum Sounds klingt der Mix jetzt grundsätzlich etwas luftiger, was auch den Gitarren etwas mehr Transparenz verleiht.
Alle Clips haben jeweils Ausschnitte die einen kompletten Mix mit Drums, Bass und Gitarren beinhalten, sowie Stellen in denen nur die isolierten Gitarren zu hören sind.
Die Pickups
Jetzt geht’s ans Eingemachte! Die Liste der getesteten Pickups ist lang, darf hier aber natürlich nicht fehlen!
Zwei der getesteten 8-String Pickups konnten wir in zwei Achtsaiter-Gitarren mit 27“- und 30“-Mensur vergleichen. Dies gibt euch einen guten Eindruck darüber, wie viel Unterschied eine noch längere Mensur auf den Sound machen kann.
Eindrücke
Nachdem ich nun 45 Extended-Range-Tonabnehmer vergleichen konnte, haben sich zwar ein paar persönliche Favoriten herauskristallisiert – aber man muss auch ganz klar sagen, dass es sich bei den Unterschieden zwischen den meisten modernen Pickups oft um Nuancen handelt.
Teilweise spielen auch subjektive subjektive Eindrücke wie das „Feeling“ eine große Rolle.
Der erste Eindruck täuscht auch selten. Ich erinnere mich z. B. noch gut daran, den Instrumental Pickups SFTY3 zum ersten Mal angetestet zu haben.
Dieses unmittelbare „Wow-Gefühl“ hat sich nie abgenutzt – der Tonabnehmer gehört auch heute noch zu meinen absoluten Favoriten. Gleiches gilt für den Hapas Bæhemoth, den ich erst kürzlich getestet habe.
Beide Humbucker sind offensichtlich perfekt auf tief gestimmte Extended-Range-Gitarren abgestimmt. Bei solch hochspezialisierten Custom Shops verwundert das nicht.
Tonabnehmer mit gemäßigterem Output und etwas wärmerem Voicing, wie der DiMarzio PAF oder Air Norton, haben in ERGs auch ihre Daseinsberechtigung, sind aber vielleicht für hochmoderne, ultra tighte HiGain-Sounds nicht die erste Wahl.
Man muss zumindest etwas härter reinlangen, um ein ansatzweise ähnliches Attack zu erzielen, wie das bei High-Output-Modellen der Fall ist.
Zu guter Letzt bleibt einem die Wahl zwischen passiven und aktiven Pickups. Die Zeit in der man als Metal-Gitarrist blind zu EMGs greift, ist längst vorbei.
Aber auch im aktiven Sektor hat sich einiges getan: EMG haben mit der X-Serie den Brückenschlag zwischen aktiver Aggression und passiver Dynamik geschafft und Fishman haben mit ihren Fluence Pickups den Markt komplett auf links gedreht.
Die Möglichkeit zwischen zwei verschiedenen Voicings in einem Tonabnehmer wechseln zu können ist beeindruckend und gibt uns Gitarristen wirklich eine bisher ungeahnte Flexibilität.
Wie man es dreht und wendet – seitdem ich mit diesem Pickup-Vergleich angefangen habe, hat sich in der Industrie viel getan.
Die Auswahl ist so groß wie nie und selbst Boutique-Shops wie Bare Knuckle Pickups können beachtliche Erfolge feiern – so große, dass man ihre Tonabnehmer mittlerweile ab Werk in Gitarren von Ibanez und ESP finden kann.
Das wäre vor nicht allzu langer Zeit noch undenkbar gewesen. Wie in so vielen Belangen hat die Extended-Range-Szene und ihr Gear-Hunger auch hier einiges zur Entwicklung beigetragen.
Was gefällt oder nicht, möchte ich statt wissenschaftlicher Auswertung lieber euren Ohren überlassen.
Da der Sound an sich ein guter Anfang ist, hoffe ich, dass euch mein ERG-Pickup-Vergleich bei der Wahl eures nächsten Tonabnehmers entsprechend weiterhilft!