Wie sagte einst schon Wilhelm Busch: „Musik wird oft nicht schön empfunden, weil sie stets mit Geräusch verbunden.“ Das Zitat gilt insbesondere für das notwendige Üben. Nicht jede Nachbarschaft nimmt klaglos kratzende Streichinstrumente und laut quäkendes Gebläse hin – gut, dass unsere Zupfinstrumente deutlich leiser sind, bzw. leiser sein können. Wenn dann trotzdem der Haussegen schief hängt, weil selbst der kleine Übungsverstärker immer noch zu laut ist, hilft nur noch der Kopfhörer.
fieser sound
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Natürlich bietet der Markt eine ganze Reihe von Effektgeräten, die lautloses Üben per Kopfhörer möglich machen. Insbesondere die Multieffektgeräte haben fast immer einen Kopfhöreranschluss. Aber wer z. B. lieber mit analogen Effekten arbeitet, könnte auch schon mal auf die Idee gekommen sein, sein Effektboard einfach an eine kleines Mischpult anzuschließen, um auch daheim mit dem Setup zu spielen, mit dem man in den Proberaum oder auf die große Bühne geht. Wer diesen Versuch bereits gemacht hat, wird wissen, dass die Gitarre dann ziemlich fies klingt: grell-kratzend, dünn mit viel zu viel Höhen und ohne Druck. Vor allem der verzerrte Sound ist grausam.
Steckt man die Gitarre direkt in eine PA oder eine sonstige Fullrange-Box, klingt das Ganze ähnlich unschön. Das liegt daran, dass wir den Klang von Gitarrenlautsprechern gewöhnt sind, die das Verstärkersignal alles andere als linear übertragen. Nicht umsonst experimentieren viele Gitarristen bewusst mit verschiedenen Lautsprechertypen, um ihren Sound zu optimieren. Jeder Lautsprecher hat nämlich seine eigene Klangcharakteristik. Gemeinsam ist den Gitarrenlautsprechern aber, dass sie insbesondere die Höhen radikal abschneiden.
Wenn man also sein Effektpedal oder Effektboard direkt an ein Mischpult anschließen möchte, benötigt man eine Frequenzkorrektur, die den Klang eines Gitarrenlautsprechers simuliert. Dafür sind radikalere Frequenzverbiegungen nötig, als sie der EQ eines Mischpultes bereitstellen kann. Wir brauchen also eine Lautsprechersimulation ? oder auf English: einen Cabinet Simulator.
jürgen rath und die mutter aller cab sims
Die bekannteste Cab Sim dürfte wohl die gute alte Hughes & Kettner Red Box sein, die in den 80er-Jahren maßgeblich von dem leider viel zu früh verstorbenen saarländischen Musiker und Techniker Jürgen Rath entwickelt wurde. In dem kleinen roten Kästchen befand sich eine Verstärkerschaltung und eine Reihe von Kondensator-Widerstand-Netzwerken, die den Ton so filterten, dass der Frequenzgang einer 4x12er-Marshall-Box simuliert wurde und über einen XLR-Ausgang direkt an die PA gegeben werden konnte.
Als Jürgen zu Hughes & Kettner kam, wurde ihm bereits ein Prototyp der Red Box vorgeführt, der aber nicht wirklich gut klang. Seine überarbeitete Version hatte dann nicht nur einen besseren Sound, sondern konnte neben Line-Signalen (z. B. von Effektgeräten oder dem Line-Out von Verstärkern) auch das deutlich stärkere Amp-Signal (aus dem Lautsprecher-Ausgang) verarbeiten. Auf diese Anschlussmöglichkeit zwischen Amp und Box legte Jürgen großen Wert, damit auch Benutzer von Vintage-Verstärkern, die noch keinen Effektweg kannten, die Red Box benutzen konnten.
Die Red Box gibt es übrigens nach mehreren Entwicklungsstufen immer noch und auch viele andere Hersteller haben sich dem Thema seit den 80er-Jahren angenommen. Neben den mehr oder weniger aufwendigen analogen Schaltungen drängen seit einiger Zeit auch zunehmend digitale Vertreter in die kleine Marktnische.
Denn der Einsatzzweck einer Lautsprechersimulation geht natürlich weit über das leise Üben hinaus. Im Heimstudio bieten sie sich zum schnellen und unproblematischen Direct Recording an. Und hochwertige Cab Sims wurden und werden auch von Profimusikern verwendet, um entweder zusätzlich zum mikrofonierten Gitarrenlautsprecher oder anstelle des selbigen einen alternativen Sound zum Mischpult zu schicken. Vor allem wenn ein möglichst leiser Bühnensound gefragt ist, werden Lautsprechersimulationen gerne genommen. Cab Sims, die auch über einen Line-Eingang verfügen, können in Notfällen sogar als Ersatzverstärker dienen – wenn z. B. mal wieder eine Röhre abgeraucht ist.
schaltungssuche
Na dann los! Das Projekt ist gestartet. Wir wollen eine Lautsprechersimulation selbst bauen, mit der das Effektboard am Mischpult so klingt, dass uns nicht die Lust am Üben vergeht. Der Bedienkomfort soll der guten alten Red Box natürlich nicht nachstehen, d. h. die Cab Sim soll mit Line- und Verstärkersignalen zurechtkommen und über einen XLR-Anschluss verfügen. Um diese Ansprüche kümmern wir uns aber erst in der nächsten Folge. Zuerst muss nämlich eine Schaltung her, die einfach genug zu bauen ist, aber gleichzeitig auch einigermaßen klingt. Und das ist gar nicht so einfach.
Obwohl die Internet-DIY-Gemeinschaft einige Schaltungen zur Verfügung stellt, erfüllen nur wenige beide Anforderungen. Als ich mich vor einigen Jahren schon einmal mit dem Thema beschäftigte, stieß ich auf eine ordentlich klingende Schaltung, die mit nur 15 Bauteilen auskommt, Jack Orman’s AMZ Cab Sim. Leider ist ausgerechnet seine Lautsprechersimulation auf seiner Internetseite www.muzique.com nicht mehr zu finden. Aber da das Internet ja nichts vergisst, findet man Layout und Schaltplan noch auf anderen Seiten.
Ich habe das Layout noch etwas für den Aufbau auf einer Lochraster-Platine optimiert, indem die Bauteile enger zusammenrücken und nicht so lange Wege überbrückt werden müssen. Die notwendigen Bauteile sind dem Layout zu entnehmen. Die rote Litze kommt an den 9V-DC-Anschluss, schwarz muss an Masse, blau ist der Eingang und grün ist der Ausgang.
sound-anpassung
In der originalen Schaltung sind R2, R3 und R4 jeweils 11k-Widerstände und C3 ist mit 12 nF bezeichnet. Da 11k-Widerstände nicht unbedingt Standard sind, habe ich sie durch gängige 10k-Widerstände ersetzt. Klangliche Nachteile ergeben sich daraus m. E. nicht. C3 ist die Stelle an der man ganz gut ansetzen kann, wenn die Klancharakteristik optimiert werden soll. Ein Verringern des Kondensatorwertes auf 10 nF oder sogar 8,2nF macht den Grundklang heller und etwas kratziger, ein Erhöhen des Wertes auf 15 nF macht ihn dunkler und etwas weicher. Auch bei C1 kann man ganz gut zum feintunen ansetzen.
Mir hat z. B. der Klang mit einem 3,3-nF-Kondensator besser gefallen als mit den originalen 4,7 nF. Allerdings sollte man von der Klanganpassung über die Kondensatoren keine Wunder erwarten. Die klanglichen Veränderungen sind eher subtil. Deutlich mehr Einfluss hat man über eine Veränderung von R4. Den originalen 11k-Widerstand kann man z. B. gegen einen Trimmer oder Poti von z. B. 25k tauschen und erhält einen recht effektiven Tonregler.
Auch beim IC ist man durchaus flexibel. Original ist ein TL072 vorgesehen. Den TL062 habe ich genommen, weil er gegenüber dem TL072 nur einen Bruchteil des Stroms verbraucht. Das ist bei Batteriebetrieb ja nicht ganz unwichtig. Alternativ dürfen hier auch gerne JRC 4548, NE 5534 oder andere Standard-Dual-OP-Amps verbaut werden.
Ein Techniker meines Vertrauens hat mir noch den Rat mitgegeben, beim TL062 eine Entkopplung am Ausgang vorzunehmen, indem man einen 560-Ohm-Widerstand zwischen den 1uF-Elko und dem Ausgang in Serie setzt. Er hat nämlich schon mehrmals die unangenehme Erfahrung gemacht, dass die TL062-ICs im hochfrequenten Bereich schwingen. Ich hatte die Schaltung aber schon ohne den Widerstand aufgebaut und bisher noch keine Störungen festgestellt. In der nächsten Ausgabe von Hot Rod Mod bekommt die Platine dann ein angemessenes Zuhause.