Unser heutiges Problem wurde in der letzten Folge ja bereits benannt: Für einen echten True Bypass muss sowohl der Eingang als auch der Ausgang der Platine umgeschaltet werden, damit nicht ein Teil der Effektschaltung dauernd an der Ein- oder Ausgangsbuchse und somit im Bypass hängt. Wenn ein True Bypass mit einem 2DPT-Schalter gebaut werden soll, sind also beide Ebenen des Schalters komplett belegt. Wie soll dann da noch eine Status-LED geschaltet werden? Die Lösung des Problems heißt „Millenium Bypass“ und wurde von R. G. Keen in einem Geofex-Artikel aus dem Jahr 2001 detailliert beschrieben.
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Angeregt durch den Bypass der Proco Rat, der mit einem 2PDT-Schalter sowohl einen True Bypass als auch eine LED bediente, entwickelte R. G. Keen ab 1999 mehrere Schaltungen, die sich die Eigenschaft von Transistoren zunutze machen, unter gewissen Umständen den Durchlass zu sperren. Der Transistor funktioniert dann wie ein Schalter und ist in der Lage, eine LED parallel zu einem True Bypass zu schalten.
Unter den vielen Möglichkeiten, die R. G. Keen vorstellt, habe ich mich für den Bau einer abgespeckten Version einer Millenium-2-Schaltung entschieden. Benötigt wird ein BS170-MOSFET-Transistor und eine 1N4148-Diode. Dazu noch eine blaue (gelbe, grüne, rote…) LED und ein Vorwiderstand. Je nach LED-Typ wählt man für den Vorwiderstand Werte zwischen 390R und 4k7. Stromsparende Low-Current-LEDs bekommen einen höheren Vorwiderstand, normale LEDs – je nach gewünschter Helligkeit – geringere Vorwiderstände. Ich nehme für normale rote und grüne LEDs gerne 1 k, für blaue LEDs mindestens 2 k2. Die blauen werden mir sonst zu grell. Die zweite Diode (Low Leakage Diode), die in der Originalschaltung von R. G. Keen noch vorkommt, ist nicht unbedingt notwendig, denn die Schaltung funktioniert auch prima ohne sie.
Funktion
Die Verdrahtung des Schalters in der letzten Folge war ja etwas unkonventionell. Normalerweise würde man die Draht brücke des 2PDT-Schalters an einem der äußeren Lötaugenpärchen machen und den Bypass über die Drahtbrücke laufen lassen. Die beiden mittleren Pins wären dann jeweils mit der Ein- und Ausgangsbuchse verbunden und die anderen äußeren Pins mit dem Ein- und Ausgang der Platine. Mit dieser Verdrahtung kann man sich die Funktionsweise des 2PDT-Schalters am besten vorstellen: In der einen Position sind die beiden mittleren Pins mit den beiden unteren verbunden und in der anderen Position mit den oberen.
Bei der Verkabelung des Schalters für einen Millenium-Bypass wird der Bypass nicht über die Drahtbrücke hergestellt, sondern im Inneren des Schalters. Die Drahtbrücke dagegen verbindet den „Board out“ mit dem Output, wenn der Effekt aktiviert ist. Hintergrund der speziellen Verdrahtung: Wir wollen ein Lötauge für den Anschluss der LED-Steuerung freibekommen. In der Bypass-Stellung wird die LED-Schaltung mit dem Ausgang des Effektboards verbunden.
Der Millenium Bypass besteht aus einem FET-Transistor, dessen Gate durch eine Diode vor der 9-Volt-Betriebsspannung geschützt wird. Man sieht am Schaltplan, dass die 1N4148-Diode in Sperrrichtung zum Gate liegt. An den 9 Volt liegen ebenfalls noch die LED und ihr Vorwiderstand an. Beide sind mit dem Drain-Anschluss des FETs verbunden. Die LED kann leuchten, wenn der Strom über den Source-Anschluss des FET nach Masse abfließen kann. Die Verbindung von Drain nach Source gelingt aber nur, wenn am Gate Spannung anliegt. Ohne Spannung am Gate sperrt der FET die Drain-Source-Verbindung und die LED bleibt dunkel.
Dies ist der Fall, wenn der Bypass auf der linken Ebene des Schalters aktiviert wird und dadurch gleichzeitig auf der rechten Ebene des Schalters eine Verbindung zwischen dem Ausgang der Effektschaltung (Board out) und dem Millenium Bypass hergestellt wird. Über diese Verbindung bekommt das Gate des BS170 Kontakt zum „Internal DC Resistance to Ground“, also dem Pull-Down-Widerstand am Effektausgang. Ein Pull-Down-Widerstand zwischen Eingang und Masse, bzw. zwischen Ausgang und Masse, soll eigentlich das Schalt-Ploppen von True-Bypass-Schaltungen reduzieren. In unserer Anwendung mit dem Millennium Bypass zieht er auch den Eingang der LED-Schaltung auf Masse und verhindert, dass die LED leuchtet.
Wird der Effekt aktiviert, besteht keine Verbindung mehr zwischen Effektschaltung und Millenium Bypass. Das Gate hängt nur noch durch die Diode geschützt an 9V. Die Diode schützt das Gate aber nur unzureichend und lässt eine kleine Menge Strom trotzdem durch, den sogenannten Leckstrom. Über den Leckstrom, der bei der verwendeten 1N4148-Diode vergleichsweise hoch ist, bekommt das Gate des BS170 einen sehr geringen Strom (10 – 15 Nanoampere), der aber genau richtig ist, um den Transistor zu entsperren, sodass die LED leuchten kann. In dem Geofex–Artikel beschreibt R. G. Keen detailliert, warum der Strom so klein sein soll und warum ausgerechnet ein MOSFET und eine Kleinsignal-Silizium-Diode à la 1N4148 oder 1N914 funktionieren. Wer es genau wissen will, möge bitte nachlesen.
Bau
Natürlich kann man den Millenium Bypass auch auf einer Platine aufbauen. Aber eine freie Verdrahtung geht angesichts der wenigen Bauteile auch und ist platzsparender. Im Zentrum steht der BS170 Transistor, der mit seiner Rundung auf den Rücken gelegt, am linken Bein seinen Drain-Anschluss, in der Mitte den Gate-Anschluss und rechts den Source-Anschluss hat. An den Source-Anschluss wird ein Massekabel angelötet, der Gate-Anschluss bekommt ein Kabel, das später zum Schalter geführt wird. An den Drain-Anschluss wird die Kathode der LED (kurzes Bein) gelötet. Das lange Bein der LED bekommt den Vorwiderstand (z. B. 2K2). An den Vorwiderstand wiederum wird die Kathode der 1N41458- Diode (schwarzer Ring) und ein Kabel, das an +9V führt, angelötet. Die Anode der 1N4148-Diode kommt an den Gate-Anschluss des Transistors.
Zugegeben, die Lötarbeit ist ganz schön fummelig und man sollte die einzelnen Anschlüsse des Transistors sorgfältig gegeneinander isolieren (Schrumpfschlauch). Aber – der Lohn der Mühe ist eine Schaltung, die kaum mehr Platz einnimmt als eine LED und überall untergebracht werden kann – auch am Platz der ursprünglichen BOSS-LED. Zur Befestigung der LED sollte man die 9- Volt-Buchse des SD1 entfernen. Durch vorsichtiges Aushebeln löst man die festsitzende Buchse und kommt dann bequem an die LED-Bohrung heran. Ein Tropfen Heißkleber fixiert die LED sicher im Loch und die DC-Buchse kann wieder eingebaut werden.