Blues! Alle Welt redet über den Blues – und spielt ihn dann auch noch! Es verwundert daher nicht, dass dieser Begriff auch noch werbeträchtig als Namen auf diversen Stompboxes auftaucht. Ist eine solche Bezeichnung etwa nur eine dreiste Assoziations- Hilfe der Industrie? Da hilft nur eine vernünftige Schaltungsanalyse!
Vorbetrachtung
Zunächst gilt es, einen Verstärker zu konstruieren, der einen kleinen Klirrfaktor generiert – gerade eben erträglich, nicht zu viel. Auch wäre ein Soft-Clipping an den Bereichsenden der Aussteuerung höchst wünschenswert. Also so eine Art rudimentäre „Halbleiter-Röhre“. Als Ziel kann man sich hier stecken, als Übertragungskennlinie in etwa den Graph eines Hyperbeltangens (aka tanh(x), Tangens Hyperbolicus) anzustreben (Bild 1).
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Ein OP, mit Ohmscher Gegenkopplung beschaltet, arbeitet jedoch hoch linear – quasi verzerrungsfrei, um dann an den Bereichsenden, wenn seine kleine Gegentakt-Endstufe an die technischen Betriebsspannungsgrenzen stößt, hart zu clippen (Bild 2). Das alles erfüllt nicht den eben gesteckten Anspruch. Häufig wird jetzt zur „Verbiegung“ der geraden Übertragungs-Kennlinie (kurz: ÜKL) – also das Erzwingen von Klirrfaktor – zwei antiparallel geschaltete Dioden in die Gegenkopplung (GK) gelegt. Die GK wird also nichtlinear, und nicht der OP. Eine solche Vorgehensweise ist einfach und effizient. Der Overdrive-Schaltkreis ist, wie wir wissen, genau so aufgebaut.
Dessen ÜKL (Bild 3) bekommt jetzt einen verrundeten Knick bei etwa 0,5 Volt im Ausgang mit anschließender leicht gekrümmter Steigung – das alles ist eine modifizierte ln(x)-Funktion (Logarithmus Naturalis). Der hier erzeugte Klirr ist aber merklich zu viel. Also auch am Ziel vorbei geschossen, aber schon besser als eine schnurgerade ÜKL mit kantigem Hardclip an den Bereichsenden wie in Bild 2.
Da hilft es nur (bei geringem Aufwand), einen passenden Transistor-Verstärker zu konstruieren, denn der Transistor hat da schon grundlegend einen geeigneteren Klirrfaktor. Jetzt könnte man zunächst den Ein-Transistor-Schaltkreis ins Auge fassen, wie z. B. jener im Boss Distortion DS-1 (siehe hier). Diese Schaltung ist rein formal in Ordnung – vielleicht mit etwas viel Zerre im Zentrum des Übertragungsbereichs, aber versehen mit etwas zusätzlicher Gegenkopplung … mal sehen.
Jetzt hat diese Schaltung des DS-1 (und ähnliche) aber den Nachteil, dass sie sich nicht elegant in weiten Bereichen in ihrem Gain einstellen lässt. Also muss man eine etwas erweiterte Schaltung wählen, die diesem Anspruch Rechnung trägt. Warum nicht den Eingang nach Art des OP als diskreten Differenzverstärker aufbauen und als Ausgang eine einfache Single-end- Stufe wählen? Einfacher kann man diesen dann ultra-simplen „OP“ nicht stricken. Gesagt – getan! Die Differenzstufe am Eingang hat den Vorteil, dass man einen bequemen zweiten „Eingang“ für die Gegenkopplung zur Verfügung hat, mit vorzüglichen Einstelleigenschaften des Gain. Mit der eingangs zitierten Ein-Transistor- Schaltung wäre das nicht möglich.
Transistor Tripel
Der Differenz-Eingangsverstärker J1+J2 wird mit zwei JFET realisiert, siehe Bild 4. Deren Verkopplung erfolgt über den gemeinsamen 4,7-kOhm-Source-Widerstand R4. Einfacher geht’s nicht. Richtige OPs haben an dieser Stelle gleich ein ganzes Sammelsurium von Stromspiegel- und Konstantstromquellen, damit es allerfeinst und verlustfrei funktioniert, aber genau das wollen wir ja hier nicht! Das Arrangement soll ja schon noch eine kleine Portion „Zerre“ produzieren. Den Arbeitspunkt erhält der Signal-Eingangs-JFET J1 über seinen Gate-R von 220 kOhm, der an der Hälfte der auf 8 Volt stabilisierten Betriebsspannung liegt, Bias genannt. Der Signal Eingangs-FET J1 hat, damit der gesteuerte Strom durch diesen auch als Steuerspannung für die Single-end-Ausgangsstufe existiert, einen Drain-R, der nun besagten Signalstrom in eine adäquate Spannung wandelt. Der Single-end-Transistor ist ein gewöhnlicher BJT, ein PNP-Typ. Damit die Schaltung in allen „Lebenslagen“ auch stabil arbeitet, befindet sich zwischen seiner Basis und Kollektor noch eine kleine Miller-Kapazität, um eine ausreichende Phasenreserve zu garantieren.
Die Verstärkung des Tripels wird über seine Gegenkopplungsschleife eingestellt. Man realisiert einfach den üblichen Spannungsteiler (R1 + R2) mit einem variablen Widerstand R2 (= Gain-Poti) im Längszweig und einem Fest-R im Querzweig (R1). Damit der Arbeitspunkt konstant bleibt, muss natürlich noch eine Gleichstromsperre in den Querzweig eingebaut werden, also einfach ein Elko C1 dort rein. Normalerweise ist dieser dann recht groß in seinem Wert, damit das Ganze frequenzneutral arbeitet.
Übertragungskennlinie
Wir wollen uns nun der ÜKL dieses Arrangements widmen und sehen, was das Konstrukt so leistet (siehe Bild 5). Für eine frequenzlineare Analyse der ÜKL wird gewählt: Gegenkopplungs R2 = 250 kOhm, C1 = 100 uF. Bei negativem Eingangs- Swing – so bei etwa minus 30 mV – erfolgt eine beginnende erstklassige Verrundung des Ausgangs, um dann bei minus 50 mV in eine Sättigungs-Horizontale überzugehen. Einfach perfekt gelungen! Bei positivem Eingangs-Swing haben wir einen erkennbar verrundeten Knick im Ausgang, nicht so schön soft wie am negativeren Bereichsende, aber immer noch deutlich besser als ein kantiger Hardclip. Damit kann man leben! Alles in allem eine gute Simulation eines rudimentären „Soft-Clipping“- Tube-Systems mit leichtem Zerr im eigentlichen Übertragungsbereich. Und das mit akzeptablem Aufwand. Operation gelungen!
Super Sache, Herr Meiser! Die Stelle (u.a.) im Schaltplan war mir immer etwas unklar (da fehlt es einfach am Ingenieurs-Background). Wenn das irgendwie geplant ist (wenn nicht, bittebittebitte) würde mich ein genauso detaillierter Blick auf den Rest der Schaltung (gerne Scheibchenweise pro Monat) total interessieren, weil das insgesamt eine der originelleren Schaltungen von Boss ist (und potenziell sehr schön modifizierbar, besonders das Diodenarrangement und die diversen Klangstufen vor und nach der hier beschriebenen Stelle). Da könnten wir alle mal was mehr lernen als am X-ten Aufguss einer Tubescreamer-/SD-1/OD-1-Schaltung (Die glücklicherweise vom Herrn Meiser mittlerweile in Referenz-Qualität beschrieben sind). OK, ich bin ein Fanboy, ich gebe es zu…
Ich kann Florian da nur zustimmen.
Der DB-2 ist erfrischend anders.
Mich würde auch interessieren, was die Tuner wie Keeley so an dem Pedal ändern.
Dies wäre wohl das Pedal, an dass ich selber Hand anlegen würde.
Der Keeley-Mod klingt einfach deutlich besser als das Original.
Und auf die Artikel von Bernd freue ich mich bei jeder Ausgabe!
Super Sache, Herr Meiser! Die Stelle (u.a.) im Schaltplan war mir immer etwas unklar (da fehlt es einfach am Ingenieurs-Background). Wenn das irgendwie geplant ist (wenn nicht, bittebittebitte) würde mich ein genauso detaillierter Blick auf den Rest der Schaltung (gerne Scheibchenweise pro Monat) total interessieren, weil das insgesamt eine der originelleren Schaltungen von Boss ist (und potenziell sehr schön modifizierbar, besonders das Diodenarrangement und die diversen Klangstufen vor und nach der hier beschriebenen Stelle). Da könnten wir alle mal was mehr lernen als am X-ten Aufguss einer Tubescreamer-/SD-1/OD-1-Schaltung (Die glücklicherweise vom Herrn Meiser mittlerweile in Referenz-Qualität beschrieben sind). OK, ich bin ein Fanboy, ich gebe es zu…
Ich kann Florian da nur zustimmen.
Der DB-2 ist erfrischend anders.
Mich würde auch interessieren, was die Tuner wie Keeley so an dem Pedal ändern.
Dies wäre wohl das Pedal, an dass ich selber Hand anlegen würde.
Der Keeley-Mod klingt einfach deutlich besser als das Original.
Und auf die Artikel von Bernd freue ich mich bei jeder Ausgabe!